Weihnachtsgeschichten, Märchen & Sagen (Über 100 Titel in einem Buch - Illustrierte Ausgabe). Оскар Уайльд

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Weihnachtsgeschichten, Märchen  & Sagen (Über 100 Titel  in einem Buch - Illustrierte Ausgabe) - Оскар Уайльд


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daß sie dazu nur allein imstande waren! –, eilte sie sofort mit einem Sprunge zurück, frisch wie eine Maiblume, pflegt man zu sagen, ich aber sage: noch weit frischer, um bei dieser vornehmen Person in Mütze und Handschuhen Wache zu halten und zu verhüten, daß das liebe, alte Geschöpf unangenehme Entdeckungen mache.

      »Nun bring’ mir den köstlichen Jungen, Tilly«, sagte sie, indem sie einen Stuhl ans Feuer zog, »und während ich ihn auf dem Schoß habe, wird Mrs. Fielding hier mir sagen, wie man solche Wickelkinder behandeln muß und mir in zwanzig Dingen, worin ich so ungeschickt wie möglich bin, Rat erteilen. Nicht wahr, Mrs. Fielding?«

      Nicht einmal der Walliser Riese, der der volkstümlichen Sage zufolge so schwer von Begriffen war, eine verhängnisvolle chirurgische Operation an seinem eigenen Körper vorzunehmen, um den Streich, den sein Erzfeind beim Frühstück ihm vorgeschwindelt, nachzuahmen, – nicht einmal der fiel halb so schnell in die ihm gelegte Falle, wie die alte Dame in diese kunstvolle Grube. Die Tatsache, daß Tackleton fortgegangen und daß ferner zwei oder drei Personen in einiger Entfernung von ihr miteinander geflüstert und sie sich selbst überlassen hatten, hätte vollständig genügt, sie an ihre verletzte Würde zu erinnern und sie vierundzwanzig Stunden lang den Ausdruck ihres Bedauerns über jene geheimnisvolle Wendung in dem Indigohandel erneuern zu lassen. Aber ein so tiefer Respekt vor ihrer Erfahrung seitens der jungen Mutter war so unwiderstehlich, daß sie, nachdem sie einiges, bescheidene Sträuben vorgetäuscht hatte, anfing, sie mit der gnädigsten Miene von der Welt zu belehren, und, sich aufrecht vor die boshafte kleine Dot setzend, gab sie in einer halben Stunde mehr unfehlbare Hausrezepte und Ratschläge, als nötig gewesen wären, um den jungen Peerybingle in eine andere Welt zu befördern, und wäre er auch ein Simson in der Wiege gewesen.

      Um ein wenig abzulenken, nahm Dot ihr Nähzeug zur Hand – wie sie es anfing, weiß ich nicht, aber sie trug immer den Inhalt eines ganzen Arbeitsbeutels in ihrer Tasche –; dann stillte sie ein wenig das Kind; darauf nahm sie wieder ein Weilchen ihre Arbeit zur Hand, worauf sie, während die alte Dame schlummerte, ein kleines Flüsterduett mit May begann. Und so brachte sie, stets in geschäftiger Rührigkeit, wie das so ihre Art war, sehr rasch den Nachmittag hin. Und als es dann dunkel wurde, schürte sie – da es eine der feierlichen Vereinbarungen dieser Picknickeinrichtung war, daß sie an diesem Tage Berthas Haushalt besorge – das Feuer, fegte den Herd, deckte den Teetisch, zog die Vorhänge zusammen und steckte Licht an. Dann spielte sie ein paar Lieder auf einer Art Harfe, die Kaleb für seine Tochter fabriziert hatte; und sie spielte sehr hübsch; denn die Natur hatte ihr zartes, kleines Ohr ebenso vollkommen für Musik ausgebildet, wie für Juwelen, wenn sie welche zu tragen gehabt hätte. Da jetzt die für den Tee angesetzte Zeit gekommen war, erschien auch Tackleton wieder, um an dem Mal teilzunehmen und sich des Abends zu erfreuen.

      Kaleb und Bertha waren seit einiger Zeit zurückgekehrt, und Kaleb hatte die unterbrochene Nachmittagsarbeit wieder aufgenommen. Aber er konnte nichts zuwege bringen, der arme Teufel, so voll Angst war er und solche Gewissensbisse empfand er wegen seiner Tochter. Es war rührend, ihn müßig auf seinem Arbeitsschemel sitzen zu sehen, indem er traurig die Blicke auf sie gerichtet hatte und in einem fort für sich hinsagte:

      »Habe ich sie denn nur darum von der Wiege an getäuscht, um ihr schließlich das Herz zu brechen?«

      Als es ganz dunkel wurde und der Tee eingenommen war und Dot nichts mehr an den Tassen zu waschen hatte, mit einem Wort – denn ich muß es geradeheraus sagen, und es hat keinen Sinn, es hinauszuschieben –, als die Zeit nahte, wo jedes ferne Wagengerassel ihnen ankündete, daß sie die nahe Ankunft des Fuhrmanns zu erwarten hätten, veränderte sich abermals Dots ganzes Wesen. Sie wurde bald rot, bald blaß und war vollständig rastlos. Nicht so, wie gute Frauen sind, wenn sie ihre Männer erwarten. Nein, nein, nein! Es war eine ganz andere Art von Unruhe.

      Wagengerassel. Hufklappern. Hundegebell. Allmähliches Näherkommen all dieser Töne. Boxers scharrende Pfote an der Tür!

      »Wessen Tritt ist das!« rief Bertha auffahrend.

      »Wessen Tritt?« versetzte der Fuhrmann, auf der Schwelle erscheinend, das braune Gesicht von der scharfen Nachtluft gerötet wie eine Winterbeere. »Na, meiner!«

      »Der andere Tritt?« sagte Bertha. »Der Männertritt hinter Euch?«

      »Sie ist gar nicht zu täuschen«, bemerkte der Fuhrmann lachend. »Spaziert nur herein, Herr. Ihr werdet willkommen sein; seid ohne Sorgen!«

      Er sprach das in lautem Ton, und während er sprach, trat der alte, taube Herr ins Zimmer.

      »Er ist Euch nicht ganz fremd, Kaleb; Ihr habt ihn schon mal gesehen«, sagte der Fuhrmann. »Wollt Ihr ihm Obdach geben, bis wir gehen?«

      »O gewiß, John, ich rechne mir’s zur Ehre.«

      »Er ist übrigens der beste Gesellschafter, den man sich nur wünschen kann, wenn man sich Geheimnisse zu erzählen hat«, sagte John. »Ich habe anständig gute Lungen, aber er stellt sie auf die Probe, das kann ich Euch versichern. Setzt Euch, Herr. Lauter gute Freunde hier, die sich freuen, Euch zu sehen.«

      Nachdem er dem Fremden diese Versicherung mit einer Stimme gegeben, die vollkommen bestätigte, was er von seinen Lungen gesagt, setzte er in seinem natürlichen Tone hinzu:

      »Ein Stuhl in der Kaminecke und die Erlaubnis, ganz still dazusitzen und sich vergnügt umzusehen, das ist alles, was er verlangt. Es ist leicht, ihn zufriedenzustellen.«

      Bertha hatte aufmerksam zugehört. Sie rief Kaleb zu sich, als er den Stuhl hingestellt hatte, und bat ihn leise, ihr den Fremden zu beschreiben. Als er das getan – und diesmal ganz wahrheitsgemäß, mit gewissenhafter Treue – machte sie eine Bewegung, das erstemal, seit er eingetreten war, seufzte und schien ferner kein Interesse mehr für ihn zu haben.

      Der Fuhrmann war in sehr fideler Stimmung, der gute Gesell, und verliebter in seine kleine Frau als je.

      »War das aber eine ungeschickte Dot heute nachmittag!« sagte er, indem er seinen starken Arm um sie legte, während sie von den anderen Gästen etwas abseits stand, »und doch hab ich sie gern. Schau mal dorthin, Dot!«

      Er zeigte auf den alten Mann. Sie senkte die Augen. Ich glaube sogar, sie zitterte.

      »Er ist … hahaha! … ist voller Bewunderung für dich!« sagte der Fuhrmann. »Plauderte von nichts anderem, den ganzen Weg entlang. Na, er ist ein braver alter Bursche. Das gefällt mir an ihm!«

      »Ich wollte, er hätte sich einen bessern Gegenstand gewählt, John«, sagte sie, einen beunruhigten Blick im Zimmer umherwerfend; er war besonders nach Tackletons Seite gerichtet.

      »Einen bessern Gegenstand!« rief John vergnügt. »Den gibt’s gar nicht. Nun, weg mit dem Überzieher, fort mit dem Tuche, fort mit den schweren Gamaschen und dann ein gemütliches halbes Stündchen am Feuer! Gehorsamer Diener, Madam. Wollen wir beide eine Partie Piquet machen? Ich stehe zu Diensten. Dot, die Karten und das Brett. Und auch ein Glas Bier, wenn noch was da ist, kleine Frau!«

      Seine Aufforderung war an die alte Dame gerichtet, und da sie mit gnädiger Bereitwilligkeit annahm, waren sie bald in das Spiel vertieft. Anfangs blickte der Fuhrmann bisweilen mit einem Lächeln um sich, oder rief von Zeit zu Zeit Dot herbei, daß sie ihm in schwierigen Fällen rate. Da jedoch seine Gegnerin sehr streng auf Disziplin hielt und zudem der Schwäche unterworfen war, gelegentlich mehr zu markieren als sie berechtigt war, so mußte er seinerseits so scharf aufpassen, daß ihm für etwas anderes weder Auge noch Ohr blieb. Allmählich nahmen die Karten seine ganze Aufmerksamkeit in Anspruch, und er dachte an nichts weiter, bis eine Hand auf seiner Schulter ihn daran erinnerte, daß ein Tackleton auf der Welt war.

      »Bedaure Euch stören zu müssen – nur auf ein Wort, aber gleich.«

      »Ich bin gerade am Geben«, versetzte der Fuhrmann. »Der Augenblick ist kritisch.«

      »Das ist er«, sagte Tackleton. »Kommt mal her, mein Lieber!« Es lag ein Ausdruck in seinem bleichen Gesicht, der den andern veranlaßte, sofort aufzustehen und ihn hastig zu fragen, was los wäre.

      »Pst! John Peerybingle!« sagte Tackleton. »Es tut mir leid.

      Wahrhaftig.


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