Kosmos. Alexander von Humboldt

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Kosmos - Alexander von  Humboldt


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sind die Epochen jener räthselhaften Himmelserscheinungen in einen merkwürdigen Zusammenhang mit den regelmäßig wiederkehrenden Sternschnuppenschwärmen gesetzt worden. Adolph Erman hat mit vielem Scharfsinn und genauer Zergliederung der bisher gesammelten Thatsachen auf das Zusammentreffen der Conjunction der Sonne sowohl mit den August-Asteroiden (7 Februar) als mit den November-Asteroiden (12 Mai: um die Zeit der im Volksglauben verrufenen kalten Tage Mamertus, Pancratius und Servatius) aufmerksam gemacht Adolph Erman in Poggend. Ann. Bd. XLVIII . 1839 S. 582–601. Früher hatte Biot schon Zweifel gegen die Wahrscheinlichkeit erregt (Comptes rendus de l’Acad. des Sc. T. II. 1836 p. 670.), daß der November-Strom Anfangs Mai wieder erscheinen müsse. Mädler hat die mittlere Temperatur-Erniedrigung in den verrufenen drei Maitagen durch 86jährige Berliner Beobachtungen geprüft (Verhandl. des Vereins zur Beförd. des Gartenbaues 1834 S. 377). und in den Temperaturen vom 11–13 Mai einen Rückschritt von 1°,22: gerade zu einer Zeit gefunden, in welche fast die schnellste Vermehrung der Wärme fällt. Es wäre zu wünschen, daß das Phänomen dieser Temperatur-Erniedrigung, das man geneigt gewesen ist dem Schmelzen der Eismassen im Nordosten von Europa zuzuschreiben, an sehr entlegenen Punkten in Amerika oder in der südlichen Hemisphäre ermittelt würde. Vergl. Bulletin de l’Acad. Imp. de St.-Pétersbourg T. I. 1843 No. 4..

      Die griechischen Naturphilosophen: der größeren Zahl nach wenig zum Beobachten geneigt, aber beharrlich und unerschöpflich in der vielfältigsten Deutung des Halb-Wahrgenommenen, haben über Sternschnuppen und Meteorsteine Ansichten hinterlassen, von denen einige mit den jetzt ziemlich allgemein angenommenen von dem kosmischen Vorgange der Erscheinungen auffallend übereinstimmen. »Sternschnuppen«, sagt Plutarch Plut. Vitae par. in Lysando cap. 22. Die Erzählung des Damachos (Daïmachos), nach welcher 70 Tage lang ununterbrochen eine feurige Wolke am Himmel gesehen wurde, die Funken wie Sternschnuppen sprühte und endlich, sich senkend, den Stein von Aegos Potamoi, »welcher nur ein unbedeutender Theil der Wolke war«, niederfallen ließ: ist sehr unwahrscheinlich, weil die Richtung und Geschwindigkeit der Feuerkugel so viele Tage lang der Erde hätte gleich bleiben müssen, was bei der von Halley (Philos. Transact. Vol. XXIX. p. 163) beschriebenen Feuerkugel vom 19 Juli 1686 doch nur Minuten dauerte. Ob übrigens Daïmachos, der Schriftsteller περι ευσεβείας, Eine Person mit dem Daïmachos aus Platäa sei, der von Seleucus nach Indien an den Sohn des Androkottos geschickt wurde und den Strabo (p. 70, Casaub.) »einen Lügenredner« schimpft: bleibt ziemlich ungewiß. Man könnte es nach einer andern Stelle des Plut. (compar. Solonis c. Pop. cap. 4) fast glauben; auf jeden Fall haben wir hier nur die Erzählung eines sehr späten Schriftstellers, der 1½ Jahrhunderte nach dem berühmten Aërolithenfall in Thracien schrieb und dessen Wahrhaftigkeit Plutarch ebenfalls bezweifelt (vergl. oben Note 62). im Leben des Lysander, »sind nach der Meinung einiger Physiker nicht Auswürfe und Abflüsse des ätherischen Feuers, welches in der Luft unmittelbar nach der Entzündung erlösche: noch auch eine Entzündung und Entflammung der Luft, die in der oberen Region sich in Menge aufgelöst habe; sie sind vielmehr ein Fall himmlischer Körper: dergestalt, daß sie durch eine gewisse Nachlassung der Schwungkraft und durch den Wurf einer unregelmäßigen Bewegung herabgeschleudert werden, nicht bloß nach der bewohnten Erde, sondern auch außerhalb in das große Meer: weshalb man sie dann nicht findet.« Noch deutlicher spricht sich Diogenes von Apollonia Stob. ed. Heeren I. 25 p. 508 ; Plut. de plac. Philos. II 13. aus. Nach seiner Ansicht »bewegten sich, zusammen mit den sichtbaren, unsichtbare Sterne, die eben deshalb keine Namen haben. Diese fallen oft auf die Erde herab und erlöschen, wie der bei Aegos Potamoi feurig herabgefallene steinerne Stern.« Der Apolloniate, welcher auch alle übrigen Gestirne (die leuchtenden) für bimssteinartige Körper hält, gründete wahrscheinlich seine Meinung von Sternschnuppen und Meteormassen auf die Lehre des Anaxagoras von Klazomenä, der sich alle Gestirne (alle Körper im Weltraume) »als Felsstücke« dachte, »die der feurige Aether in der Stärke seines Umschwunges von der Erde abgerissen und, entzündet, zu Sternen gemacht habe«. In der ionischen Schule fielen also, nach der Deutung des Diogenes von Apollonia, wie sie uns überliefert worden ist, Aërolithen und Gestirne in eine und dieselbe Classe. Beide sind der ersten Entstehung nach gleich tellurisch: aber nur in dem Sinne, als habe die Erde, als Centralkörper, einst Die merkwürdige Stelle bei Plut. de plac. Philos. II, 13 heißt also: »Anaxagoras lehrt, daß der umgebende Aether feurig sei der Substanz nach; und durch die Stärke des Umschwunges reiße er Felsstücke von der Erde ab, entzünde dieselben und habe sie zu Sternen gemacht.« Einem solchen Umschwunge (Centrifugalkraft) soll der Klazomenier, eine alte Fabel zu einem physischen Dogma benutzend, auch das Herabfallen des Nemäischen Löwen aus dem Monde in den Peloponnes zugeschrieben haben (Aelian. XII, 7; Plut. de facie in orbe Lunae cap. 24; Schol. ex cod. Paris. in Apoll. Argon. lib. I. p. 498 ed. Schäf. T. I. p. 40; Meineke, Annal. Alex. 1843 p. 85). Wir haben demnach hier statt der Mondsteine ein Mondthier! Nach Böckh’s scharfsinniger Bemerkung hat der alte Mythus des Nemäischen Mondlöwen einen astronomischen Ursprung und hängt symbolisch in der Chronologie mit den Schaltcyclen des Mondjahres, dem Mondcultus zu Nemea und den dortigen Festspielen zusammen. um sich her alles so gebildet, wie, nach unsern heutigen Ideen, die Planeten eines Systems aus der erweiterten Atmosphäre eines andern Centralkörpers, der Sonne, entstehen. Diese Ansichten sind also nicht mit dem zu verwechseln, was man gemeinhin tellurischen oder atmosphärischen Ursprung der Meteorsteine nennt; oder gar mit der wunderbaren Vermuthung des Aristoteles, nach welcher die ungeheure Masse von Aegos Potamoi durch Sturmwinde gehoben worden sei.

      Eine vornehm thuende Zweifelsucht, welche Thatsachen verwirft, ohne sie ergründen zu wollen, ist in einzelnen Fällen fast noch verderblicher als unkritische Leichtgläubigkeit. Beide hindern die Schärfe der Untersuchung. Obgleich seit drittehalbtausend Jahren die Annalen der Völker von Steinfällen erzählen, mehrere Beispiele derselben durch unverwerfliche Augenzeugen außer allem Zweifel gesetzt waren, die Bätylien einen wichtigen Theil des Meteor-Cultus der Alten ausmachten, und die Begleiter von Cortes in Cholula den Aërolithen sahen, welcher auf die nahe Pyramide gefallen war; obgleich Chalifen und mongolische Fürsten sich von frisch gefallenen Meteorsteinen hatten Schwerdter schmieden lassen, ja Menschen durch vom Himmel gefallene Steine erschlagen wurden (ein Frate zu Crema am 4 September 1511, ein anderer Mönch in Mailand 1650, zwei schwedische Matrosen auf einem Schiffe 1674): so ist doch bis auf Chladni, der schon durch die Entdeckung seiner Klangfiguren sich ein unsterbliches Verdienst um die Physik erworben hatte, ein so großes kosmisches Phänomen fast unbeachtet, in seinem innigen Zusammenhange mit dem übrigen Planetensysteme unerkannt geblieben. Wer aber durchdrungen ist von dem Glauben an diesen Zusammenhang: den kann, wenn er für geheimnißvolle Natureindrücke empfänglich ist, nicht etwa bloß die glänzende Erscheinung der Meteorschwärme, wie im November-Phänomen und in der Nacht des heil. Laurentius, sondern auch jeder einsame Sternenschuß mit ernsten Betrachtungen erfüllen. Hier tritt plötzlich Bewegung auf mitten in dem Schauplatz nächtlicher Ruhe. Es belebt und es regt sich auf Augenblicke in dem stillen Glanze des Firmaments. Wo mit mildem Lichte die Spur des fallenden Sternes aufglimmt, versinnlicht sie am Himmelsgewölbe das Bild einer meilenlangen Bahn; die brennenden Asteroiden erinnern uns an das Dasein eines überall stofferfüllten Weltraums. Vergleichen wir das Volum des innersten Saturnstrabanten oder das der Ceres mit dem ungeheuren Volum der Sonne, so verschwinden in unserer Einbildungskraft die Verhältnisse von groß und klein. Schon das Verlöschen plötzlich auflodernder Gestirne in der Cassiopea, im Schwan und im Schlangenträger führt zu der Annahme dunkler Weltkörper. In kleine Massen geballt, kreisen die Sternschnuppen-Asteroiden um die Sonne, durchschneiden cometenartig die Bahnen der leuchtenden großen Planeten und entzünden sich, der Oberfläche unseres Dunstkreises nahe oder in den obersten Schichten desselben.

      Mit allen andern Weltkörpern, mit der ganzen Natur jenseits unserer Atmosphäre stehen wir nur im Verkehr mittelst des Lichtes; mittelst der Wärmestrahlen, die kaum vom Lichte zu trennen sind Folgende denkwürdige Stelle: eine der vielen Kepler’schen Inspirationen über Wärmestrahlung der Fixsterne, leises Verbrennen und Lebensprocesse, findet sich in den Paralipom. in Vitell. Astron. pars optica 1604 Propos. XXXII p. 25: »Lucis proprium est calor, sydera omnia calefaciunt. De syderum luce claritatis ratio testatur, calorem universorum in minori esse proportione ad calorem unius solis, quam ut ab homine, cujus est certa caloris mensura, uterque simul percipi


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