Kosmos. Alexander von Humboldt

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Kosmos - Alexander von  Humboldt


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loderten plötzlich drei neue Sterne auf: in der Cassiopea, im Schwan und am Fuß des Schlangenträgers. Dieselbe Erscheinung, aber mehrfach wiederkehrend, zeigte sich 1670 im Sternbild des Fuchses. In der neuesten Zeit, seit 1837, hat Sir John Herschel am Vorgebirge der guten Hoffnung den Glanz des Sternes η im Schiffe von der zweiten Größe bis zur ersten prachtvoll anwachsen sehen Im December 1837 sah Sir John Herschel den Stern η Argo, der bisher als zweiter Größe und ganz unveränderlich erschienen war, schnell bis zur ersten Größe zunehmen. Im Januar 1838 war die Intensität seines Lichtes schon der von α Cent. gleich. Nach den neuesten Nachrichten fand Maclear im März 1843 den Stern so glänzend als Canopus; ja α Cruc. sah ganz dämmernd neben η Argo aus.. Solche Begebenheiten des Weltraums gehören aber in ihrer historischen Wirklichkeit anderen Zeiten an als denen, in welchen die Lichterscheinung den Erdbewohnern ihren Anfang verkündigt; sie sind wie Stimmen der Vergangenheit, die uns erreichen. Man hat mit Recht gesagt, daß wir mit unsern großen Fernröhren gleichzeitig vordringen in den Raum und in die Zeit. Wir messen jenen durch diese; eine Stunde Weges sind für den Lichtstrahl 148 Millionen Meilen. Während in der Hesiodischen Theogonie die Dimensionen des Weltalls durch den Fall der Körper ausgedrückt werden (»nicht mehr als neun Tage und neun Nächte fällt der eherne Amboß vom Himmel zur Erde herab«); glaubte Herschel der Vater »Hence it follows that the rays of light of the remotest nebulae must have been almost two millions of years on their way; and that consequently, so many years ago, this object must already have had an existence in the sidereal heaven, in order to send out those rays by which we now perceive it.« William Herschel in den Philos. Transact. for 1802 p. 498; John Herschel, Astr. § 590; Arago im Annuaire pour 1842 p. 334, 359 und 382–385., daß das Licht fast zwei Millionen Jahre brauche, um von den fernsten Lichtnebeln, die sein 40füßiger Refractor erreichte, zu uns zu gelangen. Vieles ist also längst verschwunden, ehe es uns sichtbar wird; vieles war anders geordnet. Der Anblick des gestirnten Himmels bietet Ungleichzeitiges dar; und so viel man auch den milde leuchtenden Duft der Nebelflecke oder die dämmernd aufglimmenden Sternhaufen uns näher rücken und die Tausende von Jahren vermindern will, welche als Maaß der Entfernung gelten: immer bleibt es, nach der Kenntniß, die wir von der Geschwindigkeit des Lichts haben, mehr als wahrscheinlich, daß das Licht der fernen Weltkörper das älteste sinnliche Zeugniß von dem Dasein der Materie darbietet. So erhebt sich, auf einfache Prämissen gestützt, der reflectirende Mensch zu ernsten, höheren Ansichten der Naturgebilde, da wo in den tief vom Licht durchströmten Gefilden

      »Wie Gras der Nacht Myriaden Welten keimen« Aus dem schönen Sonette meines Bruders: Freiheit und Gesetz (Wilhelm von Humboldt, gesammelte Werke Bd. IV. S. 358 No. 25)..

      Aus der Region der himmlischen Gestaltungen, von den Kindern des Uranos, steigen wir nun zu dem engeren Sitz der irdischen Kräfte: zu den Kindern der Gäa, herab. Ein geheimnißvolles Band umschlingt beide Classen der Erscheinungen. Nach der alten Deutung des titanischen Mythus Otfried Müller, Prolegomena S. 373. sind die Potenzen des Weltlebens, ist die große Ordnung der Natur an das Zusammenwirken des Himmels und der Erde geknüpft. Gehört schon seinem Ursprunge nach der Erdball, wie jeder der andern Planeten, dem Centralkörper, der Sonne, und ihrer einst in Nebelringe getrennten Atmosphäre an; so besteht auch noch jetzt durch Licht und strahlende Wärme der Verkehr mit dieser nahen Sonne, wie mit allen fernen Sonnen, welche am Firmamente leuchten. Die Verschiedenheit des Maaßes dieser Einwirkungen darf den Physiker nicht abhalten, in einem Naturgemälde an den Zusammenhang und das Walten gemeinsamer, gleichartiger Kräfte zu erinnern. Eine kleine Fraction der tellurischen Wärme gehört dem Weltraume an, in welchem unser Planetensystem fortrückt: und dessen, der eisigen mittleren Polar-Wärme fast gleiche Temperatur, nach Fourier, das Product aller lichtstrahlenden Gestirne ist. Was aber kräftiger das Licht der Sonne im Luftkreise und in den oberen Erdschichten anregt; wie es wärmeerzeugend electrische und magnetische Strömungen veranlaßt, wie es zauberhaft den Lebensfunken in den organischen Gebilden an der Oberfläche der Erde erweckt und wohlthätig nährt: das wird der Gegenstand späterer Betrachtungen sein.

      Indem wir uns hier der tellurischen Sphäre der Natur ausschlußweise zuwenden, werfen wir zuerst den Blick auf die Raumverhältnisse des Starren und Flüssigen; auf die Gestalt der Erde, ihre mittlere Dichtigkeit und die partielle Vertheilung dieser Dichtigkeit im Innern des Planeten; auf den Wärmegehalt und die electromagnetische Ladung der Erde. Diese Raumverhältnisse und die der Materie inwohnenden Kräfte führen auf die Reaction des Inneren gegen das Aeußere unseres Erdkörpers; sie führen durch specielle Betrachtung einer allverbreiteten Naturmacht, der unterirdischen Wärme, auf die, nicht immer bloß dynamischen, Erscheinungen des Erdbebens in ungleich ausgedehnten Erschütterungskreisen, auf den Ausbruch heißer Quellen und die mächtigeren Wirkungen vulkanischer Processe. Die von unten erschütterte, bald ruckweise und plötzlich, bald ununterbrochen und darum kaum bemerkbar gehobene Erdrinde verändert, im Lauf der Jahrhunderte, das Höhenverhältniß der Feste zur Oberfläche des Flüssigen, ja die Gestaltung des Meerbodens selbst. Es bilden sich gleichzeitig, seien es temporäre Spalten, seien es permanente Oeffnungen, durch welche das Innere der Erde mit dem Luftkreise in Verbindung tritt. Der unbekannten Tiefe entquollen, fließen geschmolzene Massen in schmalen Strömen längs dem Abhang der Berge hinab, bald ungestüm, bald langsam und sanft bewegt: bis die feurige Erdquelle versiegt und die Lava unter einer Decke, die sie sich selbst gebildet hat, Dämpfe ausstoßend, erstarrt. Neue Felsmassen entstehen dann unter unseren Augen, während daß die älteren, schon gebildeten durch plutonische Kräfte umgewandelt werden: seltener in unmittelbarer Berührung, öfter in wärmestrahlender Nähe. Auch da, wo keine Durchdringung statt findet, werden die krystallinischen Theilchen verschoben und zu einem dichteren Gewebe verbunden. Bildungen ganz anderer Natur bieten die Gewässer dar: Concretionen von Thier-und Pflanzenresten; von erdigen, kalk-und thonartigen Niederschlägen; Aggregate fein zerriebener Gebirgsarten, überdeckt mit Lagen kieselgepanzerter Infusorien und mit knochenhaltigem Schuttlande, dem Sitze urweltlicher Thierformen. Was auf so verschiedenen Wegen sich unter unseren Augen erzeugt und zu Schichten gestaltet; was durch gegenseitigen Druck und vulkanische Kräfte mannigfach gestürzt, gekrümmt oder aufgerichtet wird: führt den denkenden, einfachen Analogien sich hingebenden Beobachter auf die Vergleichung der gegenwärtigen und der längst vergangenen Zeit. Durch Combination der wirklichen Erscheinungen, durch ideale Vergrößerung der Raumverhältnisse wie des Maaßes wirkender Kräfte gelangen wir in das lange ersehnte, dunkel geahndete, erst seit einem halben Jahrhundert festbegründete Reich der Geognosie.

      Man hat scharfsinnig bemerkt, »daß wir, trotz des Beschauens durch große Fernröhre, in Hinsicht der anderen Planeten (den Mond etwa abgerechnet) mehr von ihrem Inneren als von ihrem Aeußeren wissen.« Man hat sie gewogen und ihr Volum gemessen; man kennt ihre Masse und ihre Dichte: beide (Dank sei es den Fortschritten der beobachtenden und der rechnenden Astronomie!) mit stets wachsender numerischer Genauigkeit. Ueber ihrer physischen Beschaffenheit schwebt ein tiefes Dunkel. Nur auf unserem Erdkörper setzt uns die unmittelbare Nähe in Contact mit allen Elementen der organischen und anorganischen Schöpfung. Die ganze Fülle der verschiedenartigsten Stoffe bietet in ihrer Mischung und Umbildung, in dem ewig wechselnden Spiel hervorgerufener Kräfte dem Geiste die Nahrung, die Freuden der Erforschung, das unermeßliche Feld der Beobachtung dar, welche der intellectuellen Sphäre der Menschheit, durch Ausbildung und Erstarkung des Denkvermögens, einen Theil ihrer erhabenen Größe verleiht. Die Welt sinnlicher Erscheinungen reflectirt sich in den Tiefen der Ideenwelt; der Reichthum der Natur, die Masse des Unterscheidbaren gehen allmälig in eine Vernunft-Erkenntniß über.

      Hier berühre ich wieder einen Vorzug, auf welchen ich schon mehrmals hingewiesen habe: den Vorzug des Wissens, das einen heimathlichen Ursprung hat, dessen Möglichkeit recht eigentlich an unsere irdische Existenz geknüpft ist. Die Himmelsbeschreibung, von den fern schimmernden Nebelsternen (mit deren Sonnen) bis herab zu dem Centralkörper unsres Systemes, fanden wir auf die allgemeinen Begriffe von Volum und Quantität der Materie beschränkt. Keine Lebensregung offenbart sich da unseren Sinnen. Nur nach Aehnlichkeiten, oft nach phantasiereichen Combinationen hat man Vermuthungen über die specifische Natur der Stoffe, über ihre Abwesenheit in diesem oder jenem Weltkörper gewagt. Die Heterogeneität der Materie, ihre chemische Verschiedenheit, die regelmäßigen Gestalten, zu denen ihre Theile


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