Kosmos. Alexander von Humboldt

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Kosmos - Alexander von  Humboldt


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Luftströmen zugehört; so haben wir ein Bild von den Kräften, welche, uns fast unbewußt, in dem stillen Pflanzenleben thätig sind.

      Seitdem ich in den Ansichten der Natur die Allbelebtheit der Erdoberfläche, die Verbreitung der organischen Formen nach Maaßgabe der Tiefe und Höhe geschildert habe, ist unsere Kenntniß auch in dieser Richtung durch Ehrenberg’s glänzende Entdeckungen »über das Verhalten des kleinsten Lebens in dem Weltmeere wie in dem Eise der Polarländer« auf eine überraschende Weise: und zwar nicht durch combinatorische Schlüsse, sondern auf dem Wege genauer Beobachtung, vermehrt worden. Die Lebenssphäre, man möchte sagen der Horizont des Lebens, hat sich vor unseren Augen erweitert. »Es giebt nicht nur ein unsichtbar kleines, microscopisches, ununterbrochen thätiges Leben in der Nähe beider Pole, da wo längst das größere nicht mehr gedeiht; die microscopischen Lebensformen des Südpol-Meeres, auf der antarctischen Reise des Capitän James Roß gesammelt, enthalten sogar einen ganz besonderen Reichthum bisher ganz unbekannter, oft sehr zierlicher Bildungen. Selbst im Rückstande des geschmolzenen, in rundlichen Stücken umherschwimmenden Eises, unter einer Breite von 78° 10’, wurden über funfzig Arten kieselschaliger Polygastern, ja Coscinodisken, mit ihren grünen Ovarien: also sicher lebend und gegen die Extreme strenger Kälte glücklich ankämpfend, gefunden. In dem Golf des Erebus wurden mit dem Senkblei in 1242 bis 1620 Fuß Tiefe 68 kieselschalige Polygastern und Phytolitharien, und mit ihnen nur eine einzige kalkschalige Polythalamia, heraufgezogen.«

      Die bisher beobachteten oceanischen microscopischen Formen sind in weit überwiegender Menge die kieselschaligen, obgleich die Analyse des Meerwassers die Kieselerde nicht als wesentlichen Bestandtheil zeigt (und dieselbe wohl nur als schwebend gedacht werden kann). Der Ocean ist aber nicht bloß an einzelnen Punkten und in Binnenmeeren, oder den Küsten nahe, mit unsichtbaren, d. h. von nichtbewaffneten Augen ungesehenen Lebens-Atomen dicht bevölkert; man kann auch nach den von Schayer auf seiner Rückreise aus Van Diemens Land geschöpften Wasserproben (südlich vom Vorgebirge der guten Hoffnung in 57° Breite, wie mitten unter den Wendekreisen im atlantischen Meere) für erwiesen annehmen: daß der Ocean in seinem gewöhnlichen Zustande, ohne besondere Färbung, ohne fragmentarisch schwimmende, den Oscillatorien unserer süßen Wasser ähnliche Filze kieselschaliger Fäden der Gattung Chaetoceros, bei klarster Durchsichtigkeit zahlreiche microscopische selbstständige Organismen enthalte. Einige Polygastern von den Cockburn-Inseln, mit Pinguin-Excrementen und Sand gemengt, scheinen über die ganze Erde verbreitet; andere sind beiden Polen gemeinsam. Ehrenberg’s Abhandlung über das kleinste Leben im Ocean, gelesen in der Akad. der Wiss. zu Berlin am 9 Mai 1844.

      Es herrscht demnach, und die neuesten Beobachtungen bestätigen diese Ansicht, in der ewigen Nacht der oceanischen Tiefen vorzugsweise das Thierleben: während auf den Continenten, des periodischen Reizes der Sonnenstrahlen bedürftig, das Pflanzenleben am meisten verbreitet ist. Der Masse nach überwiegt im allgemeinen der vegetabilische Organismus bei weitem den thierischen auf der Erde. Was ist die Zahl großer Cetaceen und Pachydermen gegen das Volum dichtgedrängter, riesenmäßiger Baumstämme von 8–12 Fuß Durchmesser in dem einzigen Waldraum, welcher die Tropenzone von Südamerika zwischen dem Orinoco, dem Amazonenfluß und dem Rio da Madeira füllt. Wenn auch der Charakter der verschiedenen Erdräume von allen äußeren Erscheinungen zugleich abhängt; wenn Umriß der Gebirge, Physiognomie der Pflanzen und Thiere, wenn Himmelsbläue, Wolkengestalt und Durchsichtigkeit des Luftkreises den Total-Eindruck bewirken: so ist doch nicht zu läugnen, daß das Hauptbestimmende dieses Eindrucks die Pflanzendecke ist. Dem thierischen Organismus fehlt es an Masse, und die Beweglichkeit der Individuen entzieht sie oft unsern Blicken. Die Pflanzenschöpfung wirkt durch stetige Größe auf unsere Einbildungskraft; ihre Masse bezeichnet ihr Alter, und in den Gewächsen allein sind Alter und Ausdruck der stets sich erneuernden Kraft mit einander gepaart. Humboldt, Ansichten der Natur (2te Ausg. 1826) Bd. II. S. 21. In dem Thierreiche (und auch diese Betrachtung ist das Resultat von Ehrenberg’s Entdeckungen) ist es gerade das Leben, das man das kleinste im Raume zu nennen pflegt, welches durch seine Selbsttheilung und rasche Vermehrung Ueber Vermehrung durch Selbsttheilung des Mutterkörpers und durch Einschieben neuer Substanz s. Ehrenberg von den jetzt lebenden Thierarten der Kreidebildung, in den Abhandl. der Berliner Akad. der Wiss. 1839 S. 94. Die größte zeugende Kraft der Natur ist in den Vorticellen. Schätzungen der möglich raschesten Massenentwicklung finden sich in Ehrenberg’s großem Werke: die Infusionsthierchen als vollkommne Organismen 1838 S. XIII., XIX und 244. »Die Milchstraße dieser Organismen geht durch die Gattungen Monas, Vibrio, Bacterium und Bodo.« Die Allbelebtheit der Natur ist so groß, daß kleinere Infusionsthiere parasitisch auf größeren leben, ja daß die ersteren wiederum anderen zum Wohnsitz dienen (S. 194, 211 und 512). die wunderbarsten Massen-Verhältnisse darbietet. Die kleinsten der Infusorien, die Monadinen, erreichen nur einen Durchmesser von 1/3000 einer Linie: und doch bilden die kieselschaligen Organismen in feuchten Gegenden unterirdische belebte Schichten von der Dicke mehrerer Lachter.

      Der Eindruck der Allbelebtheit der Natur, anregend und wohlthätig dem fühlenden Menschen, gehört jeder Zone an; am mächtigsten wird er gegen den Aequator hin: in der eigentlichen Zone der Palmen, der Bambusen und der baumartigen Farn, da wo von dem mollusken und corallenreichen Meeresufer der Boden sich bis zur ewigen Schneegrenze erhebt. Die Ortsverhältnisse der Pflanzen und Thiere umfassen fast alle Höhen und Tiefen. Organische Gebilde steigen in das Innere der Erde herab; nicht bloß da, wo durch den Fleiß des Bergmannes große Weitungen entstanden sind: auch in natürlichen Höhlen, die zum ersten Male durch Sprengarbeit geöffnet wurden und in die nur meteorische Tagewasser auf Spalten eindringen konnten, habe ich schneeweiße Stalactiten-Wände mit dem zarten Geflechte einer Usnea bedeckt gefunden. Podurellen dringen in die Eisröhren der Gletscher am Mont Rose, im Grindelwald und dem Oberen Aargletscher; Chionaea araneoides, von Dalman beschrieben, und die microscopische Discerea nivalis (einst Protococcus) leben im Schnee der Polarländer wie in dem unserer hohen Gebirge. Das Rothwerden des alten Schnees war schon dem Aristoteles, wahrscheinlich in den macedonischen Gebirgen, bekannt geworden. Aristot. hist. Animal. V, 19 p. 552 Bekk. Während auf hohen Gipfeln der schweizer Alpen nur Lecideen, Parmelien und Umbilicarien das von Schnee entblößte Gestein farbig, aber sparsam überziehen; blühen noch vereinzelt in der Tropengegend der Andeskette in 14000 und 14400 Fuß Höhe schöne Phanerogamen: das wollige Culcitium rufescens, Sida picchinchensis und Saxifraga Boussingaulti. Heiße Quellen enthalten kleine Insecten (Hydroporus thermalis), Gallionellen, Oscillatorien und Conferven; sie tränken selbst die Wurzelfasern phanerogamischer Gewächse. Wie Erde, Luft und Wasser bei den verschiedensten Temperaturen belebt sind; so ist es auch das Innre der verschiedensten Theile der Thierkörper. Es giebt Blutthiere in den Fröschen wie im Lachse; nach Nordmann sind oft alle Flüssigkeiten der Fischaugen mit einem Saugwurme (Diplostomum) gefüllt: ja in den Kiemen des Bleies lebt das wundersame Doppelthier (Diplozoon paradoxum), welches der ebengenannte Naturforscher entdeckt hat: ein Thier, kreuzförmig verwachsen, mit 2 Köpfen und 2 Schwanzenden versehen.

      Wenn auch die Existenz von sogenannten Meteor-Infusorien mehr als zweifelhaft ist, so darf doch die Möglichkeit nicht geläugnet werden, daß, wie Fichten-Blüthenstaub jährlich aus der Atmosphäre herabfällt, auch kleine Infusionsthiere, mit dem Wasserdampf passiv gehoben, eine Zeit lang in den Luftschichten schweben können. Ehrenberg a. a. O. S. XIV, 122 und 493. Zu der raschen Vermehrung der kleinsten Organismen gesellt sich noch bei einigen (Weizen-Aalchen, Räderthieren, Wasserbären oder Tardigraden) die wunderbare Ausdauer des Lebens. Trotz einer 28tägigen Austrocknung im luftleeren Raume durch Chlorkalk und Schwefelsäure, trotz einer Erhitzung von 120° wurde die Wieder-Erweckung aus dem Scheintode beobachtet. Siehe die schönen Versuche des Herrn Doyère im mém. sur les Tardigrades et sur leur propriété de revenir à la vie 1842 p. 119, 120, 131 und 133. Vergl. im allgemeinen über das Wiederaufleben Jahre lang vertrockneter Thiere Ehrenberg S. 492–496. Dieser Umstand ist bei dem uralten Zwiste über eine mutterlose Zeugung Man vergleiche über die vermeinte »primitive Umbildung« der organisirten oder unorganisirten Materie zu Pflanzen und Thieren Ehrenberg in Poggendorff’s Annalen der Physik Bd. XXIV. S. 1–48 und desselben Infusionsthierchen S. 121 und 525 mit Joh. Müller, Physiologie des Menschen (4te Aufl. 1844) Bd. I. S. 8–17. Ueberaus merkwürdig scheint mir, daß Augustinus der Kirchenvater sich in seinen Fragen:


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