Heinrich der Seefahrer. João de Barros

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Heinrich der Seefahrer - João de Barros


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Gutachten von Antonius de Pratovecchio, einem italienischen Rechtsgelehrten, der sowohl den Papst als auch den Kaiser und eine Reihe von Königen juristisch beriet, kam diesbezüglich zu dem Schluss, dass der König das Volk für einen gerechten Krieg zu Steuern heranziehen dürfe: »Collectam pro bello licite subditis imponi posse, ex quo bellum est iustum.«36 Eine Sonderabgabe zur Finanzierung des Tanger-Feldzuges war in der Bevölkerung natürlich sehr unpopulär; nur unter Protest genehmigten die im März 1436 in Evora versammelten cortes die vom König verlangte zusätzliche Steuer.37

      Für die Expeditionstruppe wurden ursprünglich 14000 Mann für notwendig erachtet, doch als die Flotte schließlich am 22. August 1437 von Restelo aus aufbrach, waren nur 7000 Mann an Bord, ein Grund, warum das Unternehmen mit einem Desaster enden sollte. Nach der Landung in Ceuta marschierte Prinz Heinrich mit 5000 Mann Richtung Tanger, während sein Bruder, Prinz Fernando, mit der Armada und den restlichen 2000 Mann direkt nach Tanger segelte. Zwischen dem 13. und 20. September wurde die Stadt von den Portugiesen mehrmals erfolglos bestürmt.38 Als am 25. September der Sultan von Fes mit einem riesigen Entsatzheer den Verteidigern von Tanger zu Hilfe eilte, wurden aus den Belagerern Belagerte. Abgeschnitten von ihrer Flotte und angesichts der feindlichen Übermacht, hatten die Portugiesen keine andere Wahl, als den muslimischen Heerführern gegen die Zusicherung freien Abzugs zu den Schiffen die Übergabe Ceutas anzubieten. Am 17. Oktober gingen die Muslime endlich auf diesen Vorschlag ein, allerdings musste sich der Infant Fernando als Unterpfand für Ceuta in die Hand von Salah ben Salah, dem Verteidiger von Tanger, begeben.

      Nach Rückkehr der Kriegsflotte entbrannte innerhalb der portugiesischen Führung ein schwerer Konflikt darüber, ob man den mit den Muslimen ausgehandelten Vertrag einhalten und also Ceuta im Austausch gegen Fernando aufgeben sollte.39 Prinz Pedro, der schon immer der Ansicht gewesen war, dass Besitzungen in Afrika für Portugal eher eine Belastung als ein Aktivposten seien, drängte auf die Aufgabe Ceutas, ebenso Prinz Johann. Gegen die Auslieferung der Stadt an die Mauren votierten Prinz Heinrich, der darauf baute, Fernando durch einen neuerlichen Feldzug aus der Geiselhaft befreien zu können, und der Erzbischof von Braga, der aus kirchlichen Gründen an Ceuta festhalten wollte. Der Papst äußerte sich in der gleichen Richtung; und auch das Bürgertum von Lissabon und Oporto beharrte kommerzieller Interessen wegen darauf, dass Ceuta unter keinen Umständen aufgegeben werden dürfe. König Duarte befand sich in einem großen Zwiespalt. Wäre es allein nach seinem Herzen gegangen, dann hätte er, um seinen geliebten jüngeren Bruder Fernando freizubekommen, Ceuta sicherlich fallen gelassen. Andererseits vermochte er sich nicht den Argumenten Heinrichs zu entziehen, der entschieden für ein Festhalten an diesem portugiesischen Brückenkopf plädierte. Als König Duarte am 9. April 1438 starb, war das Schicksal Fernandos weiterhin ungewiss. Auch unter Prinz Pedro und Duartes Witwe, die beide als Regenten eingesetzt worden waren, kam es trotz aller Bemühungen in dieser Frage zu keinem Ergebnis, sodass Prinz Fernando, der in der Gefangenschaft viele Misshandlungen und Demütigungen über sich hatte ergehen lassen müssen, schließlich am 5. Juni 1443 in Fes an der Ruhr starb, ohne sein Vaterland jemals wiedergesehen zu haben.

      Der portugiesische Historiker David Lopes nennt Fernandos Tod »ein kaltblütig von der Nation verübtes Verbrechen«, für das in erster Linie Prinz Heinrich wegen seines unbedingten Festhaltens an Ceuta verantwortlich sei.40

      Heinrichs Biograf John Ure schreibt zu dieser Frage über den Infanten: »Er hatte wirklich viel zu verantworten. Er war es gewesen, der auf dem tollkühnen Unternehmen bestanden hatte, er war es gewesen, der seinen Instruktionen und dem gesunden Menschenverstand zum Trotz gehandelt und Verderben und Erniedrigung auf die portugiesische Armee herabbeschworen hatte; und er hatte sich zur Übergabe seines Bruders Fernando bereitgefunden und später das Herz seines Bruders Duarte so zu verhärten verstanden, dass dieser nicht in Unterhandlungen um die Freilassung Fernandos eintrat. Duarte und Fernando waren nun beide tot. Aber Katastrophen und Tragödien hatten Prinz Heinrichs Charakter nicht weicher werden lassen; er sollte auch weiterhin solche Ziele mit Hartnäckigkeit verfolgen, die seine beträchtliche Einbildungskraft reizten. Und diese Ziele sollten, seiner besonderen Natur entsprechend, zwischen mittelalterlichem Rittertum und aufgeklärter Renaissance die Mitte halten.«41

      Die Erforschung der westafrikanischen

      Küste in den Jahren 1440–1448

      Nach dem Fehlschlag von Tanger und dem Märtyrertod Fernandos zog sich Heinrich nach Sagres, der Halbinsel an der äußersten Südwestspitze Portugals, zurück. An diesem Ort der Provinz Algarve, über die er seit 1419 als Gouverneur regierte, wurden unter seiner Leitung in den folgenden Jahren intensive Studien auf den Gebieten der Mathematik, der Navigation und Kartografie, also Grundlagenforschung für die weiteren portugiesischen Entdeckungsreisen entlang der westafrikanischen Küste, betrieben. Ob man in diesem Zusammenhang von einer besonderen »Schule von Sagres« sprechen kann, wie dies im 19. Jahrhundert üblich war, ist nach neuesten Forschungen nicht mehr so einfach zu beantworten.42 Auch findet sich in zeitgenössischen Dokumenten keine Bestätigung für die Behauptung, Heinrich selbst sei auf den genannten Forschungsgebieten ein herausragender Wissenschaftler gewesen.43 Fest steht John Ure zufolge aber, dass in Sagres »gründliche und erfolgreiche Studien im Schiffsbau, in der Navigation und Kartografie durchgeführt worden sind und dass Prinz Heinrich bei ihrer Leitung jene Eigenschaften klar und deutlich unter Beweis stellte, die wir gewöhnlich einem empirisch vorgehenden Renaissance-Denker zuschreiben«.44 Heinrichs größter Beitrag zur theoretischen Seite der Entdeckungsreisen war, dass er entsprechend seiner Neigung zum Wissenschaftlichen verschiedene renommierte Gelehrte nach Sagres holte und diese dort in ihren Studien förderte. Einer von ihnen war der Jude Jaime Cresques, der aus der berühmten Kartografischen Schule von Mallorca stammte und in Sagres zu einem der führenden Kartografen seiner Zeit wurde.45 Bei der Wahl seiner Mitarbeiter verhielt sich Heinrich geradezu kosmopolitisch: Rassen- oder Glaubenszugehörigkeit spielten keine Rolle, sodass Heinrichs Hof ein buntes Bild verschiedener Nationalitäten bot. Die weltoffene Toleranz, die hierin zum Ausdruck kam, unterschied sich sehr deutlich von jenem »starren Kreuzfahrergeist«46, den Heinrich bei den Feldzügen gegen Ceuta und Tanger an den Tag gelegt hatte. Sein »forschender Intellekt« manifestiert sich auch in dem Titel »Beschützer der Universität von Lissabon«, den er seit 1431 in Anerkennung seiner Verdienste um diese Universität führte.47

      Nach seiner Niederlassung in Sagres ging Prinz Heinrich tatkräftig daran, die vier Jahre lang unterbrochene Entdeckertätigkeit entlang der westafrikanischen Küste wieder aufzunehmen. Dass sich in seiner Person all die Kräfte konzentrierten, die auf Expansion drängten, verdeutlicht der Chronist Zurara, wenn im 7. Kapitel seiner Crónica da Guiné »fünf Gründe« angeführt werden, die den »Herrn Infanten bewogen, die Lande von Guinea suchen zu lassen«.

      1441 gelangte ein Schiff unter Kapitän Antão Gonçalves zum Rio d’Ouro, im selben Jahr stieß Nuno Tristão bis zum Kap Blanco vor, zum bislang südlichsten Punkt portugiesischer Entdeckungsfahrt (20°46’ N). Tristão hatte ausdrücklichen Befehl, bei dieser Fahrt möglichst viele Eingeborene einzufangen und als Sklaven nach Portugal zu bringen. Diffie ist der Ansicht, dass der psychologische Effekt der Gefangennahme und anschließenden Verschleppung von schwarzen Sklaven – mit Tristãos Schiff kamen die ersten Farbigen nach Portugal – für die weitere Entwicklung der portugiesischen Seefahrt größer gewesen sei als die Erstumrundung von Kap Bojador.48 Viele Abenteurer und eher zwielichtige Figuren wurden nämlich nun von der Aussicht auf den Plan gerufen, beim Handel mit Sklaven profitable Geschäfte machen zu können. Um sich solche Konkurrenz vom Leibe zu halten, ließ sich Prinz Heinrich im Oktober 1443 von seinem Bruder Pedro, der für den noch minderjährigen König Afonso die Regentschaft ausübte, das exklusive Recht einräumen, dass nur in seinem Auftrag die afrikanische Küste befahren werden durfte. Auch Handelsgeschäfte aller Art durften von nun an nur noch getätigt werden, wenn Heinrich hierzu eine Lizenz erteilt hatte. Dieses Recht, das ihm vom Papst ausdrücklich bestätigt wurde, verschaffte dem Infanten eine Art Monopolstellung im Westafrikahandel, die zur finanziellen Grundlage für die künftigen, von Heinrich ausgerüsteten Entdeckungsfahrten wurde.49

      Die zahlreichen Schiffsexpeditionen, die nun in den Jahren 1443–1446


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