Der eiserne Gustav. Hans Fallada

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Der eiserne Gustav - Hans  Fallada


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verkehren, stellt man keine Zuckerdose auf den Tisch, da zählt man die Zuckerstückchen zu – die Dosen werden zu schnell leer!

      Hackendahl hält seinem Schimmel den Zucker hin. Der Schimmel dreht das trübe blaue Auge im gelblichen Weiß nach seinem Herrn. Er schnuppert mit den Lippen an der Hand, am Zucker – und läßt den Kopf wieder sinken.

      »Willst du nicht?« sagt Hackendahl im plötzlichen Ärger. »Dann läßt du’s eben bleiben!«

      Aber er hat nun keine Lust mehr, den Zucker an die anderen Pferde zu verteilen. Ärgerlich geht er aus dem Stall. Er steigt die Treppe zur Wohnung hinauf. Während er das tut, überlegt er, wie er sonst eigentlich die Treppe hinaufgeht, nachts, ob laut oder leise oder mit seinem gewöhnlichen Schritt. Aber er kommt nicht darauf. Jedenfalls wird er nicht extra leise gehen: Er hat nicht mehr getrunken, als er vertragen kann!

      Oben steht er einen Augenblick überlegend still. Natürlich muß er seinen gewohnten Rundgang wie alle Abende machen; keiner soll ihm anmerken, daß er was getrunken hat.

      Als er die Tür zum Schlafzimmer der Jungen öffnet, ist er überrascht, wie dunkel es darin ist. Er kann nicht erkennen, ob sie in ihren Betten liegen und schlafen. Dann fällt ihm ein, daß er heute ja seinen Gang viel später als sonst macht, darum ist es schon so dunkel. Es ist ja schon Nacht, wieviel Uhr eigentlich? Na, jedenfalls schon Nacht, und sonst ist Abenddämmerung.

      Vorsichtig, auf den Zehenspitzen tastet er sich in den Raum. Er fährt mit der Hand über das Kopfende des Bettes, er fühlt noch einmal nach: Er hat richtig gefühlt, es stimmt, das Bett ist leer. Er steht nachdenklich da. Das war eben nicht richtig, es stimmt ja grade nicht! Das Bett sollte nicht leer sein, der Junge sollte darin liegen.

      Er überlegt, was er nun tun muß. Soll er mit dem Bengel schimpfen? Aber er kann nicht mit dem Bengel schimpfen, der Bengel ist ja nicht da! Soll er mit den anderen schimpfen? Natürlich soll er das! Die anderen können auch aufpassen, immer, wenn er nur einen Augenblick fort ist, passiert so etwas!

      Er ist schon im Begriff loszubrechen, als ihm einfällt, daß er erst nachsehen will, ob die anderen da sind. Er tastet nach dem zweiten Bett, er befühlt das Kopfende: Siehst du, auch das Bett ist leer.

      Ein Lächeln breitet sich über sein schweres Gesicht aus: Es ist doch gut, daß er noch nachgesehen hat. Nun hat er schon zwei erwischt. Wenn nun auch noch der dritte fort ist – denen wird er es aber zeigen, was Ordnung heißt in seinem Hause!

      Aber der dritte ist da. Heinz liegt ruhig im Bett und schläft. Der Vater tastet nach dem Gesicht, bekommt die Haare zu fassen und zieht. »Du! Bubi!«

      »Hmm!«

      »Bubi!!« – Schon sehr viel kräftiger.

      »Ich schlafe …«

      »Bubi – wo sind die anderen?«

      »Wer?«

      »Otto!«

      Bubi richtet sich auf, schlaftrunken starrt er auf den schattenhaften Vater. »Otto …?«

      »Ja, frag noch! Otto!«

      »Vater! Du hast doch Otto selbst zur Bahn gebracht!«

      »Ich …? Otto …?«

      »Ja, er ist doch bei den Soldaten!«

      Der Vater ist verwirrt, daß er das vergessen hat! Er versucht seine Verwirrung zu bemänteln. »Ich mein doch Erich!« sagt er.

      »Erich …?« fragt Bubi dagegen, um Zeit zu gewinnen. »Ja, Erich! Wo ist denn Erich?«

      »Erich …?«

      »Ja, frag noch Erich! Erich, wo Erich ist, will ich wissen!«

      »Erich!« Bubi hat jetzt des Vaters Zustand klar erkannt. Sofort macht er sich daran, Erichs Abwesenheit zu vertuschen. »Erich – Erich hat doch Mutter geholfen, die Droschken kassieren. Du warst doch nicht da! Wo warst du denn, Vater?«

      »Ich war auf der Bank …«, sagt der Vater mürrisch. »Aber Erich …«

      »Die Banken machen doch um fünf zu, Vater. Wo warste denn noch, erzähl doch! Warste beim Schloß?«

      »Ich hab nach Pferden rumgefragt. Wir müssen doch neue Pferde haben. Aber Erich …«

      »Kriegen wir neue Pferde? Au fein, Vater!«

      »Jetzt gibt’s doch keine Pferde in Berlin! Aber es kommen frische. Da kriegen wir welche!«

      »Pyramidal! Du, Vater …«

      »Ja? Was ist denn?«

      »Wülste dich hier nich ein bißchen aufs Bett legen? Da störste Mutter nich, Mutter schläft schon lange.«

      »Das stört Mutter nicht, wenn ich komme. Das hört Mutter gar nicht. Ich werde mich doch nicht auf Erichs Bett legen. Wo ist Erich überhaupt?«

      »Erst hat er Muttern geholfen, die Droschken kassieren. Warte, Vater, ich helf dir die Schuhe ausziehen. Dann können wir hier noch ein bißchen quatschen. Im Bett quatscht sich das fein!«

      »Ich leg mich doch nicht auf Erichs Bett!«

      »Ottos Bett ist ja auch frei, Vater, und Ottos Bett ist bequemer als Erichs Bett. – Wart, Vater, ich hänge deine Jacke hier hin – wir brauchen gar kein Licht zu machen. Das soll keiner merken …«

      »Was soll keiner merken?«

      »Der Hoffmann sagt, morgen wollen se aber nich offene Taxe fahren, morgen wollen se mit Gepäckdroschke los. Da liegt ein großes Geschäft, meint Hoffmann.«

      »So ein Stuß!« brummelt der alte Hackendahl. »Gepäckdroschke! Wer soll denn jetzt verreisen?«

      »Aber sie kommen doch alle zurück, Vater, aus der Sommerfrische! Die reißen dort jetzt alle aus und wollen schnell nach Haus, weil keiner an den Krieg geglaubt hat. Zu Hunderten sind sie an den Bahnhöfen mit ihren Koffern – und kein Fuhrwerk zu kriegen! Hoffmann sagt …«

      »Ach, Hoffmann …!« Hackendahl zieht die Decke über sich. »Das muß ich mir erst überlegen, Gepäckdroschke, und dann die abgetriebenen Gäule!«

      »Du, Vater!«

      »Was denn noch?«

      »Das war wohl schwer mit den ollen Pferdehändlern?«

      »Wieso schwer? Alles Geschäft ist schwer. Aber sie hatten gar keine Pferde.«

      »Nee, ich meine auch bloß – so mit dem Trinken. Du hältst dich großartig, Vater, aber gut ist doch, daß Mutter nichts merkt.«

      »Nicht was merkt?«

      »Na, ein bißchen hast du doch geladen, Vater!«

      »Ich! Nee! Gar nichts. Das kommt dir bloß im Dunkeln so vor. Ich war eben noch im Stall.«

      »Und in welchem Bett liegst du jetzt, Vater?« kichert Heinz.

      »In welchem Bett? Dämlicher Bengel! Als wenn ich das nicht wüßte!«

      »Sag doch! In Ottos oder in Erichs Bett?«

      »Bubi! Otto ist doch im Kriege, das hast du doch eben selber gesagt!«

      »Na – und?«

      »Dann liege ich also in Erichs Bett!«

      Bubi schüttelt sich vor Lachen, er kriecht ganz in seine Kissen hinein. Aber des Vaters Stimme erreicht ihn doch: »Bubi!«

      »Was denn, Vater?«

      »Ich hab bei den Mädels noch nicht nachgesehen. Hilf mir mal raus aus dem Bett. Ich muß erst bei den Mädels nachsehen, ob sie zu Hause sind.«

      »Die Mädels, Vater?«

      Gereizt, ungeduldig: »Ja, hilf mir aus dem Bett. Mir ist ein bißchen schwindlig.«

      »Aber die Sophie wohnt doch im Krankenhaus, Vater. Doch schon lange!«

      »Ja, ist das eine Sache? Im Krankenhaus, ich will das aber nicht haben! Fünf Kinder hat man – und keines ist da!«

      »Ich bin doch da, Vater!«

      »Und wo ist Eva?«

      »Eva


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