Südwärts. Ernest Henry Shackleton

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Südwärts - Ernest Henry Shackleton


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das Packeis von der Küste zu lösen begann. Noch vor Mitternacht öffnete sich das Eis, das uns den Weg versperrte, und gab eine Fahrrinne am Rand der Barriere frei. Ich entschied mich, bis zum Morgen zu warten, da ich nicht riskieren wollte, zwischen Barriere und Packeis eingeschlossen zu werden, falls der Wind sich drehte. Eine Messung ergab eine Tiefe von 1357 Faden und einen Grund aus Gletscherschlamm. Die Mittagsposition war 74° 09' S und 27° 16' W. Am 15. Januar um 6 Uhr lösten wir bei diesigem Wetter und nordöstlicher Brise die Leinen und fuhren in offenem Wasser die Barriere entlang. Der Kurs führte sechzehn Meilen nach Südost und drehte dann auf Südsüdost. In Luv hatten wir jetzt dichtes Packeis, und um 15 Uhr passierten wir eine Bucht, die sich etwa zehn Meilen tief nach Nordost erstreckte. Um 18 Uhr kamen wir an einer ähnlichen Bucht vorbei. Diese tiefen Einschnitte verstärkten die Vermutung, die wir schon seit Tagen hegten, dass wir eine riesige Eismasse von mindestens fünfzig Meilen Durchmesser umschifft hatten, die sich von der Küste gelöst hatte und möglicherweise bald aufs offene Meer treiben würde. Die Messungen – etwa 200 Faden an der Landseite und 1300 Faden an der Seeseite – legten nahe, dass dieser enorme Eiskörper schwamm. Es gab dort massenhaft Robben. Wir sahen sie in großer Zahl auf dem Packeis und einige auf den tiefer liegenden Teilen der Barriere, wo die Hänge weniger steil waren. Das Schiff fuhr durch große Rudel von Robben, die von der Barriere zum vor der Küste liegenden Packeis schwammen. Die Tiere planschten und bliesen um die Endurance herum, und Hurley filmte diesen ungewöhnlichen Anblick mit seiner Kamera.

      Die Barriere verlief jetzt wieder in Richtung Südwest. Bei einer frischen Brise aus Ost setzten wir die Segel, die wir um 19 Uhr jedoch wieder einholen mussten, weil die Endurance eine Stunde lang von Packeis aufgehalten wurde. Wir nutzten die Pause zum Loten und stellten 268 Faden Tiefe fest, der Grund bestand aus Gletscherschlamm und Kieseln. Dann öffnete sich vor uns eine schmale Rinne. Wir rauschten mit Volldampf hindurch, und um 20:30 Uhr fuhr die Endurance auf einer weiten Wasserfläche unter Segel Richtung Süden. Ich hielt Ausschau nach möglichen Landungsplätzen, auch wenn ich nicht die Absicht hatte, ohne Not nördlich der Vahselbucht an der Luitpoldküste an Land zu gehen. Jede weitere in Richtung Süden zurückgelegte Meile bedeutete eine Meile weniger im Schlitten, wenn es an die Kontinentalquerung ging.

      Kurz vor Mitternacht des 15. Januars kamen wir an die Nordflanke eines riesigen Gletschers oder Eisflusses aus dem Inlandeis, der über die Barriere ins Meer hinausragte. Er war vier- oder fünfhundert Fuß hoch, und an seinen Rändern drängten sich Massen von Buchteneis. Die Bucht, die von der Nordflanke dieses Gletschers gebildet wurde, wäre ein hervorragender Landungsplatz gewesen. Ein flacher Eisvorsprung etwa drei Fuß über Meereshöhe sah wie eine natürliche Kaimauer aus. Von dort stieg ein Abhang zum Gipfel der Barriere an. Die Bucht war vor dem Wind aus Südost geschützt und bot nur den Nordwinden Zugang, was in diesen Breiten höchst selten vorkommt. Eine Lotung ergab achtzig Faden Tiefe, was zeigte, dass der Gletscher bis zum Grund reichte. Ich gab dem Ort den Namen Glacier Bay und hatte später Grund, mich mit Wehmut an ihn zu erinnern.

      Die Endurance dampfte etwa siebzehn Meilen an diesem Eisfluss entlang. Der Gletscher wies viele Spalten und durch hohen Druck entstandene Kämme auf und schien im Landesinneren bis zu eisbedeckten Hängen oder Hügeln von 1000 bis 2000 Fuß zurückzureichen. Einige seiner Buchten waren mit glattem Eis überzogen, auf dem sich Robben und Pinguine tummelten. Am 16. Januar erreichten wir um 4 Uhr den Rand einer weiteren riesigen Gletscherzunge, die sich ins Meer hineinschob. Das Eis schien über niedrige Hügel zu gleiten und war sehr brüchig. Die Gletscherfront war 250 bis 300 Fuß hoch, das Eis zwei Meilen weiter im Land etwa 2000 Fuß. Die im Meer liegende Front wies eine Gezeitenmarke von etwa sechs Fuß auf, was bewies, dass der Gletscher nicht schwamm. Wir dampften vierzig Meilen an diesem gewaltigen Gletscher entlang und wurden dann um 8:30 Uhr von festem Packeis aufgehalten, das sich anscheinend zwischen gestrandeten Eisbergen verkeilt hatte. Die Tiefe betrug zwei Kabellängen vor den Klippen der Barriere 134 Faden. An diesem Tag gab es kein Weiterkommen mehr, doch die mittags ermittelte Position von 76° 27' S und 28° 51' W ergab, dass wir in den letzten vierundzwanzig Stunden 124 Meilen nach Südwesten vorangekommen waren. An diesem Nachmittag gab es noch ein Vorkommnis. Die Eisberge in der Umgebung waren sehr groß, einige davon über zweihundert Fuß hoch. Manche saßen fest auf Grund und trugen Gezeitenmarken. Ein Eisberg in der Barriere schien über fünfundzwanzig Meilen lang zu sein. Wir trieben das Schiff gegen einen kleineren, gestreiften Eisberg, von dem Wordie einige größere Brocken Biotit-Granit als Probe nahm. Während die Endurance langsam gegen den Eisberg drückte, ertönte ein lautes Krachen, und der Geologe musste sofort zurück an Bord klettern. Die Streifen dieses Eisbergs waren besonders ausgeprägt, sie rührten von den Moränen des Muttergletschers her. Später am Tag frischte der Ostwind zu einem Sturm auf. Kleine Eisschollen trieben mit einer Geschwindigkeit von zwei Knoten vorbei, und das Packeis in Lee begann schnell aufzubrechen. Ein niedriger Eisberg mit geringem Tiefgang trieb in das mahlende Packeis, rammte zwei größere gestrandete Eisberge und stieß sie vom Ufer fort. Alle drei trieben ineinander verkeilt weiter, während wir in Lee eines großen gestrandeten Eisbergs Schutz suchten.

      Bis zum 18. Januar um 7 Uhr lag die Endurance in Lee des gestrandeten Eisbergs. Der Sturm war zu diesem Zeitpunkt abgeflaut, sodass wir unter Segel südwestlich durch eine Wasserrinne fahren konnten, die sich vor der Gletscherfront aufgetan hatte. Wir umfuhren den Gletscher bis 9:30 Uhr, als er in zwei Buchten endete, die sich nach Nordwesten öffneten, aber von zwei gestrandeten Eisbergen nach Westen hin abgeschirmt waren. Die Küste dahinter verlief leicht ansteigend in Richtung Südsüdwest.

      »Das Packeis zwingt uns jetzt vierzehn Meilen westlich zu fahren, bis wir einen breiten Gürtel aus großen Eisbrocken und Growlern durchbrechen. Wir segeln nur unter vorderem Toppsegel, die Maschinen haben wir zum Schutz der Schiffsschraube gestoppt. So gelangen wir in offenes Wasser, wo wir vierundzwanzig Meilen Richtung S 50° W fahren. Dann stoßen wir erneut auf Packeis, das uns zehn Meilen nach Nordwest abdrängt, bis wir von dicken Schneeklumpen, Trümmereis und großen losen Eisschollen aufgehalten werden. Die Struktur des Packeises verändert sich. Die Eisschollen sind sehr dick und mit tiefem Schnee bedeckt. Das zertrümmerte Eis zwischen den Schollen ist so dick und massiv, dass wir nur mit großem Kraftaufwand hindurchkommen, und dann auch nur für eine kurze Strecke. Daher drehen wir für eine Weile bei, um abzuwarten, ob sich das Eis überhaupt noch öffnet, wenn dieser Wind aus Nordost


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