Der Pilger Kamanita: Ein Legendenroman. Karl Gjellerup

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Der Pilger Kamanita: Ein Legendenroman - Karl Gjellerup


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haben wirst.

      Dann aber machte sie etwas, was ich nie gesehen und wovon ich auch nie gehört habe. Sie nahm nämlich zwei goldene Bälle, und während ihre Füße zum Klange ihrer Schmuckjuwelen sich tanzend bewegten, ließ sie diese Bälle so schnell in blitzartigen Linien springen, daß man gleichsam nur die Goldstäbchen eines Käfigs sah, in dem ein Wundervogel niedlich umherhüpfte. Dabei geschah es, daß unsere Blicke sich plötzlich begegneten; und noch heute, o Fremder, verstehe ich nicht, wie es zuging, daß ich nicht augenblicklich tot niedersank, um in einem Wonnehimmel wiedergeboren zu werden. Aber es mag wohl sein, daß meine Werke eines vorhergehenden Lebens, deren Früchte ich in diesem genießen muß, noch nicht erschöpft waren; denn dieser Rest meines Wandels von einst hat mich ja in der Tat durch mehrere tödliche Gefahren bis auf den heutigen Tag gebracht und wird wohl noch lange vorhalten.

      Gerade jetzt aber entfloh ihr einer der Bälle, die ihr bisher so gehorsam gewesen waren, und sprang in einem mächtigen Satze von der Bühne herunter. Viele junge Leute eilten ihm nach; ich und ein junger, reich gekleideter Mann erreichten ihn gleichzeitig und wir gerieten aneinander, weil keiner ihn dem anderen gönnte. Durch mein genaues Vertrautsein mit den Kniffen der Ringerkunst gelang es mir, ihm ein Bein zu stellen; er aber ergriff, um mich zurückzuhalten, meine kristallene Halskette, an der ich ein Amulett trug. Die Kette zerriß, er stürzte zu Boden und ich erhaschte den Ball. Wütend sprang er auf und schleuderte mir die Kette vor die Füße. Das Amulett war ein Tigerauge, kein gerade sehr kostbarer Stein, aber dieser war ein unfehlbares Mittel gegen den bösen Blick--und jetzt, als der seine mich traf, mußte ich ihn gerade vermissen. Aber was kümmerte mich das? Hielt ich doch den Ball, den ihre Lotushand soeben berührt hatte, in Händen, und als sehr geschicktem Ballspieler gelang es mir, einen so genau berechneten Wurf zu tun, daß der Ball gerade vor der einen Ecke der Bühne aufschlug, um dann mit einem mäßigen Sprung gleichsam bezähmt in den Bereich der schönen Spielerin zu gelangen, die keinen Augenblick aufgehört hatte, den anderen Ball in Bewegung zu erhalten, und sich nun wieder in ihren Goldkäfig einspann--unter großem Jubel der zahlreichen Zuschauer.

      Damit war denn nun die Ballspielverehrung der Lakshmi zu Ende, die Mädchen verschwanden von der Bühne, und wir begaben uns auf den Heimweg.

      Unterwegs meinte mein Freund, es sei gut, daß ich nichts dort am Hofe erreichen wollte, denn der junge Mann, dem ich den Ball abgejagt hätte, sei kein geringerer als der Sohn des Ministers, und man habe es ihm angesehen, daß er mir unversöhnlichen Haß geschworen habe. Das ließ mich nun völlig kalt; wie viel lieber hätte ich erfahren, wer meine Göttin war. Ich scheute mich aber, danach zu fragen, ja, als Somadatta mich mit der Schönen necken wollte, tat ich sehr gleichgültig, lobte in Kennerausdrücken ihre Fertigkeit im Spielen, fügte jedoch hinzu, daß wir in meiner Heimatstadt wenigstens ebenso geschickte Spielerinnen hätten--während ich in meinem Herzen der Unvergleichlichen diese Lüge abbat.

      Ich brauche wohl kaum zu sagen, daß diese Nacht kein Schlaf in meine Augen kam, die ich nur schloß, um immer wieder von der reizenden Erscheinung umschwebt zu werden. Den nächsten Tag brachte ich in einer von allem Tageslärm entfernten Ecke des Hausgartens zu, wo der Sandboden unter einem Mangobaum meinem von Liebesglut gepeinigten Körper Kühlung bot, die siebensaitige Vina als einzige Gefährtin, der ich meine Sehnsucht anvertraute. Sobald aber die abnehmende Tageshitze einen Ausflug erlaubte, überredete ich Somadatta, mit mir nach dem Lustgarten zu fahren, obschon er es vorgezogen hätte, einem Wachtelkampf beizuwohnen. Aber umsonst durchirrte ich den ganzen Park--viele Mädchen waren da, überall ihr Spiel treibend, als wollten sie mich mit falscher Hoffnung von einem Ort zum anderen locken; aber jene einzige, Lakshmis Ebenbild, war nicht darunter.

      Nun tat ich, als ob ich eine unwiderstehliche Sehnsucht hätte, das eigentümliche Leben an der Ganga wieder zu genießen. Wir besuchten alle Ghâts und bestiegen schließlich eine Barke, um uns in die fröhliche Flottille zu mischen, die jeden Abend auf den Wogen des heiligen Stromes schaukelte, bis das Farbenspiel und der Goldglanz erloschen und Lichter von Fackeln und Lampions auf dem Strome tanzten und wirbelten.

      Dann mußte ich endlich meine ebenso stumme wie stürmische Hoffnung aufgeben und den Bootsführer anweisen, nach dem nächsten Ghât zu steuern.

      Nach einer schlaflosen Nacht blieb ich in meinem Zimmer, und um meinen Geist, der doch nur von ihrem Bild erfüllt war, zu beschäftigen und zu zerstreuen, bis ich wieder in den Lustgarten eilen konnte, versuchte ich mittelst Pinsel und Farben ihre holde Erscheinung, wie sie tanzenden Schrittes den Ball schlug, auf die Tafel zu bannen. Keinen Bissen vermochte ich zu mir zu nehmen; denn wie der lieblich singende Çakora nur von Mondstrahlen lebt, also lebte ich nur von den Strahlen jener Mondgesichtigen, obgleich sie mich nur durch den Nebel der Erinnerung erreichten; doch hoffte ich zuversichtlich, daß sie an diesem Abend im Lustgarten mit ihrem vollen Glanz mich letzen und beleben würden. Aber auch diesmal wurde ich enttäuscht. Nun wollte Somadatta mich in ein Spielhaus mitnehmen, denn er war so versessen auf das Würfelspiel wie Nala, nachdem der Dämon Kali in ihn gefahren war. Ich schützte indessen Müdigkeit vor. Aber anstatt nach Hause zu gehen, begab ich mich wieder nach den Ghâts und auf den Fluß hinaus--leider nicht mit besserem Erfolg als am vorhergehenden Abend.

       Inhaltsverzeichnis

      

a ich wußte, daß für mich doch nicht an Schlaf zu denken war, legte ich mich an diesem Abend gar nicht zu Bett, sondern setzte mich auf das zur Andacht bestimmte Graslager am Kopfende des Bettes, und brachte dort unter inbrünstigen Liebesbetrachtungen und im Gebet an die lotustragende Lakshmi, ihr himmlisches Urbild, in frommer und geziemender Weise die Nacht zu; aber die frühe Morgensonne fand mich wieder mit Pinsel und Farben an der Arbeit.

      Mehrere Stunden waren mir dabei im Fluge vergangen, als Somadatta hereintrat. Ich hatte gerade noch Zeit, die Tafel und die Malwerkzeuge unters Bett zu schieben, als ich ihn kommen hörte. Dies tat ich ganz unwillkürlich.

      Somadatta nahm einen niedrigen Stuhl, setzte sich neben mich und betrachtete mich lächelnd.

      "Ich merke wohl," sagte er, "daß unserem Hause die Ehre widerfahren soll, die Ausgangsstätte eines Heiligen zu sein. Du fastest ja, wie es nur die strengsten Asketen tun, und enthältst dich der üppigen Gewohnheit des Lagers. Denn weder auf den Kopf- und Fußkissen noch auf der Matratze ist der geringste Eindruck deines Körpers zu sehen, und die weiße Decke ist faltenlos. Obwohl du durch das Fasten schon recht schmächtig geworden bist, ist dein Körper doch wohl noch nicht ganz ohne Gewicht, was sich übrigens auch hier am Grassitze zeigt, wo du offenbar die Nacht in Gebet und Selbstvertiefung zugebracht hast. Aber ich finde doch, daß für einen so heiligen Bewohner dies Zimmer etwas zu weltlich aussieht. Hier auf dem Nachttisch die freilich unberührte Salbenbüchse und der Napf mit Sandelstaub, das Gefäß mit wohlriechendem Wasser und die Dose mit Zitronenbaumrinde und Betel. Dort an der Wand die gelben Amaranthkränze, die Laute--aber wo ist denn das Malbrett, das doch sonst an jenem Haken hängt?"

      Während ich in meiner Verlegenheit auf diese Frage keine Antwort zu finden vermochte, entdeckte er nun das vermißte Brett und zog es unter dem Bett hervor.

      "Ei, was ist denn das für ein böser, abgefeimter Zauberer," rief er, "der hier auf dem Brett, das ich doch selber ganz leer an jenen Haken gehängt habe, das reizende Bild eines ballspielenden Mädchens durch magische Kraft hat entstehen lassen--offenbar in der bösen Absicht, den angehenden Asketen gleich im Anfange mit Versuchungen anzufallen und ihm Sinne und Gedanken zu verwirren! Oder am Ende ist es ein Gott, denn wir wissen ja, daß die Götter sich vor der Allmacht der großen Asketen fürchten; und bei solch einem Beginnen wie dem deinigen könnte schon das Vindhyagebirge vor der Inbrunst deiner Buße zu rauchen anfangen, ja durch die Aufhäufung deines Verdienstes müßte das Reich der himmlischen Götter ins Wanken kommen. Und jetzt weiß ich auch, welcher Gott es ist: gewiß ist es der, den sie den unsichtbaren nennen, der Gott mit den Blumenpfeilen, der einen Fisch im Banner trägt--Kama, der Liebesgott, von dem du ja auch deinen Namen hast. Und--Himmel, was seh' ich! das ist ja Vasitthi, die Tochter des reichen Goldschmiedes."


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