Historische Romane: Quo Vadis? + Die Kreuzritter + Mit Feuer und Schwert + Sintflut + Pan Wolodyjowski + Auf dem Felde der Ehre. Henryk Sienkiewicz
Читать онлайн книгу.sie sich wieder entfernt hatten, fragte er abermals: »Was habt Ihr mit Jurands Tochter vor? Ihr führt sie wohl von hier nach Insburk?«
»Ich führe sie nach Insburk, und was geschehen muß, soll mit ihr geschehen! Du aber wirst Dich an den Hof des Fürsten von Masovien begeben und gegen Jurand Klage führen.«
»Wollt Ihr mich dem sicheren Verderben weihen?«
»Wenn Dein Verderben dem Orden zum Ruhme gereicht, muß es so sein. Aber nein! Deiner harrt nicht das Verderben. Als Gast bleibst Du unbehelligt, es sei denn, daß Dich jemand fordere, wie jener junge Ritter, der uns alle gefordert hat … Er oder ein anderer … aber wäre dies denn so furchtbar?«
»Gott gebe, daß es so komme! Doch können sie mich auch ergreifen und in ein unterirdisches Gefängnis werfen.«
»Dies werden sie nicht thun. Vergiß nicht, daß Jurand jenen Brief an den Fürsten schrieb und daß Du außerdem kommst, um Jurand anzuklagen. Erzähle getreu, was er hier in Szczytno gethan hat, und sie müssen Dir Glauben schenken … Also dem Gebieter von Spychow ward mitgeteilt, daß sich eine Jungfrau in unsern Händen befinde, dann ward er aufgefordert zu kommen und sie zu sehen; er kam, verfiel aber in Wahnsinn, tötete den Komtur und richtete unsere Leute zu Grunde. So wirst Du sprechen, und was können sie darauf erwidern? Danvelds Tod wird bald in ganz Masovien ruchbar werden. In Anbetracht dieser Thatsache werden sich unsere Feinde hüten, eine Klage zu erheben. Die Tochter Jurands werden sie natürlich suchen, aber da Jurand selbst schrieb, sie befinde sich nicht bei uns, wird auch auf uns kein Verdacht fallen. Man muß recht dreist auftreten und ihnen das Maul schließen, dann denken sie, wenn wir schuldig wären, würde keiner von uns es wagen, zu ihnen zu kommen.«
»Ihr habt recht. Nach Danvelds Begräbnis werde ich sogleich aufbrechen.«
»Möge die Klugheit mit Dir sein, mein Sohn! Wenn wir alles thun, was sich gebührt, dann können sie Dich nicht zurückhalten, ja, sie müssen sich sogar von Jurand lossagen, damit wir nicht verkünden können: Also verfahren sie mit uns!«
»Wohl, doch wenn dieser Teufel aus Spychow am Leben bleibt und die Freiheit wieder erlangt?«
Zygfryd schaute düster vor sich nieder, dann aber antwortete er langsam und nachdrücklich: »Wenn er auch die Freiheit wieder erlangt, wird er doch niemals ein Wort der Klage gegen den Orden äußern.«
Hierauf belehrte er Rotgier noch darüber, was er am masovischen Hof zu sagen und was er dort zu verlangen habe.
Drittes Kapitel.
Die Kunde von den Vorgängen in Szczytno war indessen schon vor dem Bruder Rotgier nach Ciechanow gelangt und erweckte dort große Verwunderung und Unruhe. Weder der Fürst noch sonst jemand am Hofe konnte den Sachverhalt begreifen. In jüngster Zeit erst, gerade als Mikolaj aus Dlugolas sich nach Marienburg mit einem Briefe des Fürsten begeben sollte, worin dieser sich bitter über die Entführung Danusias durch die aufrührerischen, an der Grenze wohnenden Komture beklagte und fast drohend die unverzügliche Rückgabe des Mädchens verlangte, war ein Schreiben des Grundherrn von Spychow eingetroffen, mit der Nachricht, daß seine Tochter sich nicht bei den Kreuzrittern, sondern in den Händen gewöhnlicher, fremdländischer Räuber befinde und daß sie binnen kurzem gegen ein Lösegeld freigelassen werde.
Infolgedessen war der Gesandte nicht abgereist, denn niemand war es auch nur in den Sinn gekommen, daß die Kreuzritter Jurand zu einem solchen Briefe gezwungen hatten, indem sie ihm mit dem Tode seiner Tochter drohten. Aber auch so erschien das Vorgegangene unbegreiflich, weil die streitsüchtigen Grenzbewohner, welche einesteils dem Fürsten, andernteils dem Orden untergeben waren, wohl zur Sommerzeit Raubzüge zu unternehmen pflegten, nicht aber im Winter, wo der Schnee ihre Spuren verraten hätte. Gewöhnlich überfielen sie Kaufleute, auch erlaubten sie sich Plünderungen, in den Dörfern nahmen sie die Leute fest und trieben das Vieh fort; daß sie es jedoch wagten, sogar mit dem Fürsten anzubinden und dessen Pflegetochter, das einzige Kind eines mächtigen, allgemein gefürchteten Ritters zu entführen, dies schien geradezu alles Maß zu überschreiten. Jurands Brief, der mit dessen eigenem Siegel versehen war und diesmal durch einen Boten überbracht ward, von dem man wußte, daß er thatsächlich aus Spychow kam, hatte indessen alle Zweifel beschwichtigt. So war denn jeder Argwohn hinfällig geworden, der Fürst aber geriet in einen heftigen, ganz ungewöhnlichen Wutanfall und ordnete eine Verfolgung der Räuber längs der Grenze seines Fürstentums an, indem er zugleich den Fürsten von Plock aufforderte, das Gleiche zu thun und die Frevler nicht zu schonen.
Gerade um diese Zeit traf nun die Kunde von dem ein, was sich in Szczytno begeben hatte, und von Mund zu Mund gehend vergrößerte sie sich um das Zehnfache. Man erzählte sich, Jurand sei mit fünf andern vor der Burg angekommen, durch das offene Thor eingedrungen und habe ein solches Blutbad angerichtet, daß nur wenige von der Besatzung übrig geblieben seien. Ferner wurde berichtet, daß man in den benachbarten Burgen Hilfe suchen und die tüchtigsten Ritter sowie Scharen bewaffneten Fußvolks herbeiholen mußte, welche erst nach zweitägiger Belagerung im stande waren, sich den Eintritt in die Burg zu erzwingen und dort Jurand samt seinen Gefährten zu besiegen. Man sprach auch davon, daß nun wahrscheinlich von denselben Scharen die Grenze überschritten werde und daß unfehlbar ein großer Krieg beginne. Der Fürst, welcher wußte, wie viel dem Großmeister daran lag, daß im Kriegsfall mit dem polnischen König die beiden masovischen Fürstentümer neutral blieben, schenkte diesen Gerüchten wenig Glauben, denn ihm war es nicht verborgen, daß die Polen sich von keiner menschlichen Macht zurückhalten ließen, wenn die Kreuzritter mit ihm oder mit dem Fürsten Ziemowit von Plock Krieg anfangen würden. Deshalb fürchtete sich der Meister vor einem Kriege. Ein Krieg mußte kommen, das wußte er wohl, doch wünschte er ihn hinauszuschieben, zuvörderst darum, weil er friedliebender Natur war, zweitens darum, weil er, um sich mit der Streitmacht Jagiellos zu messen, ein Heer in Bereitschaft halten mußte, wie der Orden noch nie eines aufgestellt hatte, und weil er überdies gezwungen war, sich der Hilfe der Fürsten und der Ritterschaft nicht nur in Deutschland, sondern auch im ganzen Westen zu versichern.
Der Fürst fürchtete daher den Krieg nicht, doch wollte er sich Klarheit über das verschaffen, was vorgegangen war und was er thatsächlich von den Ereignissen in Szczytno, von dem Verschwinden Danusias, sowie von den Gerüchten über die Verhältnisse au der Grenze denken solle. Wenn schon er nun den Ordensleuten nicht gewogen war, vernahm er es doch mit Genugthuung, als eines Abends der Hauptmann der Bogenschützen ihm verkündigte, daß ein Kreuzritter eingetroffen sei und um Gehör bitte.
Er empfing ihn auf hochmütige Weise, und wiewohl er sofort sah, daß er einen der Brüder vor sich hatte, die in dem Jagdhofe gewesen waren, that er doch, als ob er sich seiner nicht erinnere, und fragte ihn, wer er sei, woher er komme und was ihn nach Ciechanow führe.
»Ich bin der Bruder Rotgier,« erwiderte der Kreuzritter, »und erst vor kurzer Zeit hatte ich die Ehre, mich vor dem allergnädigsten Fürsten zu beugen.«
»Wenn Du ein Bruder bist, weshalb trägst Du die Ordenszeichen nicht?«
Der Ritter erklärte nun, er habe den weißen Mantel nicht angelegt, weil er sonst unfehlbar durch die masovischen Ritter gefangen genommen oder erschlagen worden wäre. »Allüberall, auf der ganzen Welt,« sagte er, »in allen Königreichen und Fürstentümern ebnet uns das Zeichen des Kreuzes auf dem Mantel den Weg, ihm danken wir das Wohlwollen und die Gastfreundschaft vieler Menschen, in Masovien allein bringt das Kreuz dem, der es trägt, sicheres Verderben.«
Doch der Fürst fiel ihm zornig ins Wort: »Nicht das Kreuz bringt Euch Verderben,« sagte er, »denn auch wir verehren das Kreuz, sondern nur Eure eigene Lasterhaftigkeit … Und wenn Euch die Leute anderwärts besser aufnehmen, so kommt dies daher, daß sie Euch nicht so gut kennen.« Als er jedoch wahrnahm, daß der Ritter über diese Worte heftig erschrak, fragte er: »Bist Du in Szczytno gewesen, oder weißt Du, was sich dort zugetragen hat?«
»Ich bin in Szczytno gewesen und weiß, was sich dort zugetragen hat,« antwortete Rotgier, »nicht als Gesandter bin ich hierher gekommen,