Historische Romane: Quo Vadis? + Die Kreuzritter + Mit Feuer und Schwert + Sintflut + Pan Wolodyjowski + Auf dem Felde der Ehre. Henryk Sienkiewicz
Читать онлайн книгу.mein, Du meine holde Blume, gedenke mein, Du Heißgeliebte!«
Danusia dagegen umschlang ihn mit ihren Armen wie eine jüngere Schwester den älteren Bruder umschlingt, drückte ihr Stumpfnäschen an seine Wange und erklärte immer wieder, während große Thränen über ihre Wangen rannen: »Ohne Zbyszko gehe ich nicht nach Ciechanow, ohne Zbyszko gehe ich nicht nach Ciechanow!«
Von all dem war Jurand Zeuge, allein er zeigte keinerlei Zorn darüber. Im Gegenteile, er verabschiedete sich sehr wohlwollend von dem Jüngling, ja, als er bereits zu Pferde saß, wandte er sich nochmals zu ihm und sagte: »Gott befohlen! Trage mir die Kränkung nicht nach!«
»Wie könnte ich Euch eine Kränkung nachtragen, da Ihr doch der Vater Danusias seid!« entgegnete Zbyszko herzlich.
Und als er sich tief vor Jurand neigte, drückte ihm dieser kräftig die Hand und ließ sich also vernehmen: »Der Herr verleihe Dir in allem Glück! Verstehst Du mich?«
Nach diesen Worten machte er sich auf den Weg. Der junge Ritter begriff sofort, was dieser gütige Ausspruch, was diese letzten Worte für ihn bedeuten sollten, er kehrte daher zu dem Wagen zurück, worin Macko lag und bemerkte: »Seht Ihr nun? Er würde einwilligen, wenn nicht irgend etwas ihn daran hinderte. Ihr seid doch in Spychow gewesen und habt einen scharfen Verstand, Ihr müßtet es daher herausbringen, was das ist.«
Macko erteilte indessen keine Antwort. Sein Zustand hatte sich zusehends verschlimmert, war doch das Fieber, welches ihn schon seit frühem Morgen quälte, in solch hohem Grade gestiegen, daß er Zbyszko, den er nicht erkannte, wie erstaunt anstarrte und dann fragte: »Hörst Du die Glocken läuten?«
Zbyszko erschrak sehr, denn ihm schoß es durch den Kopf, daß ein Kranker, der Glockengeläute zu hören glaube, dem Tode nahe sei. Er sagte sich, wenn der Alte sterbe ohne den Zuspruch eines Geistlichen, werde er, wenn auch nicht in die Hölle, so doch mindestens in das Fegefeuer kommen, daher beschloß er, ihn weiter bringen zu lassen, um so rasch wie möglich eine Pfarre zu erreichen, wo Macko die letzte Oelung erhalten konnte. So brachen sie denn auf und fuhren die ganze Nacht hindurch. Zbyszko setzte sich zu dem Kranken, der auf Heu gebettet im Wagen lag, und wachte bei ihm bis zum hellen Morgen. Von Zeit zu Zeit reichte er ihm von dem Weine, den ihnen der Kaufmann Amylej mit auf den Weg gegeben hatte, und der durstige Macko trank gierig, was ihm sichtlich Erleichterung verschaffte. Nach dem zweiten Quart kehrte sogar sein Bewußtsein wieder zurück und nach dem dritten schlief er so fest ein, daß Zbyszko sich zuweilen über ihn beugte, um sich zu überzeugen, ob er noch lebe.
Der Gedanke allein schon, daß es vielleicht bald zu Ende mit dem Ohm sein werde, bereitete Zbyszko tiefen Schmerz. Bis zur Zeit seiner Gefangenschaft in Krakau hatte er sich selbst niemals Rechenschaft darüber abgelegt, wie sehr er diesen Oheim liebte, der ihm Vater und Mutter ersetzte. Jetzt aber wußte er dies nur zu wohl, und zugleich sagte er sich, das; er nach dessen Tode vollständig vereinsamt sein werde; hatte er doch keine Blutsverwandten außer jenem Abte, dem Bogdaniec verpfändet war, keine Freunde, kurz keinen Menschen, auf dessen Hilfe er jemals rechnen durfte. Als der Morgen dämmerte, fuhr er aus diesen Gedanken empor. Ein heller, aber kalter Tag brach an. Macko befand sich offenbar besser, denn er atmete gleichmäßiger und ruhiger. Doch erst als die Sonne schon eine gewisse Wärme verbreitete, erwachte er, öffnete die Augen und sagte: »Mir ist leichter zu Mute. Wo sind wir?«
»Ganz nahe bei Olkusz … Ihr wißt doch, wo die Silberbergwerke sind, deren Ergebnisse der Schatzkammer zufließen.«
»Wenn man doch alles haben könnte, was die Erde birgt! Oh, da könnte Bogdaniec wieder aufgebaut werden.«
»Man sieht, daß es Euch besser geht,« antwortete Zbyszko lachend. »Wahrlich für eine Burg aus Stein würde das Geld reichen … Doch nun wollen wir bis zur Pfarre fahren, dort wird man uns gastlich aufnehmen, und Ihr könnt dann auch beichten. Alles steht in Gottes Hand, aber es ist doch gut, wenn man mit seinem Gewissen im Reinen ist.«
»Ich bin ein sündiger Mensch und bin froh, wenn ich in Frieden dahinfahren kann,« versetzte Macko. »Mir träumte heute nacht, daß mir der Teufel die Haut von den Sohlen gezogen hätte. Allein Gott ist mir gnädig, denn jetzt ist mir leichter geworden. Hast Du ein wenig geschlafen?«
»Wie hätte ich schlafen können! Ueber Euch mußte ich ja wachen!«
»So lege Dich jetzt einige Zeit nieder, sobald wir ankommen, wecke ich Dich.«
»Ich kann nicht schlafen!«
»Was hindert Dich daran?«
Mit großen Augen schaut Zbyszko auf den Oheim.
»Die Liebe! Was denn sonst? Von dem ewigen Schmachten und Seufzen habe ich geradezu Stiche in der Seite bekommen. Doch wenn ich mich auch nur eine kurze Zeit aufs Pferd setze, wird mir besser werden.«
Er sprang vom Wagen herab und bestieg sein Roß, das ihm von einem Türken vorgeführt ward. Unterdessen preßte Macko vor Schmerz die Hände an seine Wunde, augenscheinlich dachte er aber dabei gar nicht an sein eigenes Leiden, denn er schüttelte heftig den Kopf, schnalzte mit der Zunge und sagte schließlich: »Das wundert mich in der That, ich kann mich nicht genug wundern, wieso Du so sehr nach Liebe dürstest, denn weder Dein Vater noch ich war so.«
Statt aller Antwort richtete sich Zbyszko im Sattel hoch auf, stemmte die Arme in die Seiten, warf den Kopf empor und hub mit voller Brust zu singen an.
»Meine Thränen, ach sie rinnen bei Tag und bei Nacht,
Wohin ist sie entschwunden, die Maid, der ich stets gedacht?
Umsonst ist mein Klagen, umsonst ist mein Leid,
Ich sehe sie nimmer, die wonnige Maid.
Hei!«
Und das »Hei« drang tief in den Wald hinein und rief einen Widerhall, ein Echo hervor, das allmählich im Dickicht wieder ausklang.
Macko aber, dem seine Wunde fortwährend Schmerzen verursachte, sagte seufzend: »Früher sind die Leute klüger gewesen, verstehst Du mich? – Nichtsdestoweniger hat es auch früher Thoren gegeben,« fügte er indessen nach kurzem Sinnen hinzu.
Mittlerweile hatten sie den Wald verlassen, vor ihnen lagen die Hütten der Bergleute, in der Ferne aber erblickten sie das von König Kasimir gegründete Olkusz mit seinen zackigen Mauern und mit seinem Pfarrturme, den Wladislaw Lokietek erbaut hatte.
Viertes Kapitel.
Der Domherr der Pfarrgemeinde nahm Macko die Beichte ab und bot ihm und Zbyszko so dringend Nachtherberge bei sich an, daß die beiden erst in der Frühe des folgenden Tages wieder aufbrachen.
Bei Olkusz wandten sie sich der Richtung nach Schlesien zu, an dessen Grenzen sie sich bis nach Großpolen halten mußten.
Auf beiden Seiten des Weges zog sich größtenteils dichter Wald hin, aus dem nach einbrechender Dämmerung häufig das donnerähnliche Gebrüll der Auerochsen und Büffeln erscholl. Des Nachts aber blitzten die Augen von Wölfen aus dem Dickicht hervor.
Eine weit größere Gefahr jedoch, als von den wilden Tieren, drohte dem Wanderer und dem Kaufmann auf dieser Straße von seiten der Räuber, sowie von seiten der Ritter aus Schlesien, deren Burgen sich da und dort an der Grenze erhoben. Wohl waren viele dieser Burgen durch polnische Hände zerstört worden, immerhin mußte man jedoch auf seiner Hut sein und durfte es nie unterlassen, nach Sonnenuntergang Waffen zu tragen.
So unbehelligt fuhren aber jetzt die Reisenden dahin, daß Zbyszko dieser Ruhe überdrüssig wurde, und erst als sie nur noch eine Tagreise von Bogdaniec entfernt waren, vernahmen sie plötzlich in der Nacht Schnauben und Pferdegetrappel hinter sich.
»Was für Leute mögen uns wohl nahe sein?« rief Zbyszko.
Macko, der gerade nicht schlief, schaute zu den Sternen empor und antwortete als erfahrener Mann: »Die Morgendämmerung bricht an, die Nacht geht zur Neige. Räuber werden es daher wohl schwerlich