Das Wunder der Liebe. Barbara Cartland

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Das Wunder der Liebe - Barbara Cartland


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so aufgebracht gewesen und hatte so schlecht über Circe Langstone gesprochen, daß der Graf neugierig geworden war.

      Die herausfordernden Blicke, die sie ihm schon seit langer Zeit zugeworfen hatte, waren ihm natürlich nicht entgangen. Auch hatte er ihre Taktik durchschaut, auf die so viele Männer hereinfielen. Wenn sich Circe Langstone für jemanden interessierte, pflegte sie ihn in regelmäßigen Abständen zu übersehen - was dann prompt zum Erfolg führte.

      Bisher hatte der Graf sie lediglich mit halbgeschlossenen Augen beobachtet und ihre Bemühungen spöttisch belächelt. Doch jetzt ließ er sich endlich mit ihr ein. Allerdings - wie er sich selbst ermahnte - nur in Grenzen. Er wollte im Grunde nur wissen, ob sie tatsächlich so falsch war, wie sie auf ihn wirkte.

      Doch für Ophelia war der Graf ein weiteres Glied in der langen Kette von Liebhabern.

      Daß ihr Vater auf so brutale Weise betrogen wurde, tat Ophelia weh. Diese Frau, die im Bett ihrer Mutter schlief und deren Schmuck trug, besaß nicht einmal den Anstand, ihre Affären heimlich zu betreiben.

      Circe Langstone haßte ihre Stieftochter und das wußte Ophelia, deren Abscheu vor der Stiefmutter so tief war, daß Haß im Vergleich dazu ein mildes Gefühl gewesen wäre.

      Sie lehnte die zweite Frau ihres Vaters ab, fürchtete sie aber gleichzeitig.

      Und so konnte sie jetzt nur hoffen und zu Gott beten, daß Graf Rochester nichts von dem peinlichen Zusammentreffen im Salon erzählte.

      Wie hatte sie aber auch das Gespräch auf Jem Bullet bringen können? Doch der Wunsch, diesem armen Mann helfen zu wollen, war so groß, daß sie nicht überlegt hatte, sondern gleich mit der Tür ins Haus gefallen war.

      Seine Tochter, die bei den Langstones als Dienstmädchen beschäftigt war, hatte Ophelia erzählt, wie schlecht es Jem Bullet ging.

      „Man sollte doch meinen“, hatte Emily gesagt, „daß ein Gentleman wie Graf Rochester einen ehemaligen Angestellten nicht verhungern läßt.“

      „Aber hat ihm denn der Graf keine Rente ausgesetzt?“ hatte Ophelia gefragt.

      „Nicht einen roten Heller, Miss“, hatte Emily geantwortet.

      „Und warum hat Ihr Vater sich nicht an den Grafen gewandt und ihn darum gebeten?“

      „Nach dem Sturz“, hatte Emily erzählt, „konnte er erst einmal wochenlang nicht gehen. Und als er dann wieder auf Krücken herumhumpeln konnte, ist er nach Rochester Castle gefahren und hat mit dem Verwalter Seiner Lordschaft gesprochen.“

      „Und was hat der gesagt?“

      „Daß er tun würde, was in seiner Macht steht, daß aber der Graf nicht gern für Leute aufkommt, die ihm nichts mehr einbringen.“

      „Was für eine Einstellung!“ hatte Ophelia entsetzt gerufen. „Ich kann mir nicht vorstellen, daß mein Vater einen ehemaligen Angestellten einfach fallenläßt.“

      Emilys Vater hatte Ophelia so leidgetan, daß sie darauf gedrungen hatte, ihn zu besuchen.

      Sie und Emily waren mit einer Mietkutsche nach Lambeth gefahren. Ophelia hatte ihre Stiefmutter gebeten gehabt, ihre Kutsche benützen zu dürfen, die Bitte war ihr aber abgeschlagen worden.

      Die Elendsviertel am Rande von Lambeth hatten Ophelia erschüttert. Daß sie jedoch bei Jem Bullet noch menschenunwürdigere Verhältnisse vorfinden würde, damit hatte sie nicht gerechnet.

      Der alte Jockey war dazu verdammt, in einer Hütte zu leben, in der ein anständiger Farmer nicht einmal seine Schweine untergebracht hätte. Der Fußboden war sauber - dafür hatte Jem Bullet gesorgt -, aber die Wände waren feucht und modrig, die Türangeln waren verrostet und in den Fenstern nicht eine Scheibe mehr.

      Ophelia besaß kein eigenes Geld, und das Taschengeld, das sie monatlich bekam, reichte knapp für die wenigen persönlichen Dinge, die sie brauchte.

      Selbst das wirklich knapp bemessene Taschengeld wurde ihr von der Stiefmutter mißgönnt. Sie sei zu anspruchsvoll und zu verwöhnt, hieß es immer wieder. Andere Mädchen müßten sich schließlich auch einschränken und Eitelkeit sei ohnehin ein Laster.

      Dabei war Ophelias Vater ein reicher Mann, und von Einschränken müssen konnte nicht die Rede sein. Als seine erste Frau noch am Leben gewesen war, hatte er sie mit Geschenken überschüttet, und sie hatte für sich und Ophelia einkaufen können, was das Herz begehrte.

      Ophelia hatte Jem Bullet alles Geld gegeben, das sie bei sich gehabt hatte. Der alte Mann hatte es zwar nicht annehmen wollen, aber Ophelia hatte sich auf keinerlei Diskussionen eingelassen.

      Seitdem gab sie Emily monatlich die Hälfte ihres Taschengeldes, und diese schickte es an ihren Vater.

      Ophelia hatte erst überlegt, ob sie ihren Vater um Geld für den alten Mann bitten sollte, doch dann hatte sie es nicht getan. Kurz nachdem sie aus dem Internat zurückgekommen war, hatte sie um etwas Kleidergeld gebeten, und ihre Stiefmutter hatte daraufhin ein solches Geschrei unternommen, daß sie sich geschworen hatte, nie wieder um Geld zu bitten.

      Seit Ophelia den alten Jem Bullet in Lambeth besucht hatte, hatte sie Graf Rochester gehaßt.

      Er war ihr natürlich ein Begriff.

      Selbst im Internat waren Geschichten über ihn erzählt worden. Die Mädchen waren nach den Wochenenden immer mit den letzten Neuigkeiten angekommen, die sie in ihren Elternhäusern bei Tisch oder im Salon gehört hatten.

      „Mama sagt, daß er der Teufel in Menschengestalt ist“, hieß es dann zum Beispiel. „Aber er soll ja so blendend aussehen, daß ich ihn gern einmal sehen würde.“

      „Aber sprechen darf man keinesfalls mit ihm“, hatte einmal ein Mädchen gesagt. „Wenn man als junges Mädchen bloß ein einziges Wort mit ihm redet, wird man von der Gesellschaft ausgestoßen, ehe man in sie eingeführt ist, und alle Leute schneiden einen.“

      Der Ruf des Grafen war miserabel, das wußte Ophelia, aber trotzdem war es ihr unvorstellbar, daß ein Mann, der so viel Geld für Pferde ausgab, einen Mann, der ihm treu gedient hatte und nicht aus eigenem Verschulden zum Invaliden geworden war, einfach fallenließ.

      Jem Bullet hatte ihr erzählt, wie es passiert war.

      „Er hätte die Hürde ohne Schwierigkeit genommen, Miß“, hatte der alte Jockey gesagt. „Aber genau in dem Moment, wo er zum Sprung ansetzt, genau in dem Moment fliegt ein Vogel aus der Hecke. Der Hengst scheut, macht einen falschen Schritt, knickt in den Vorderläufen ein, wirft mich ab und rollt über mich hinweg.“

      „Mein Gott, wie entsetzlich!“ hatte Ophelia gerufen.

      „Ein tolles Pferd war dieser Hengst. Ich bin wirklich gern auf ihm geritten. Das hat er nicht mit Absicht gemacht. Es war eben Pech.“

      Ophelia hatte es bewundernswert gefunden, daß Jem Bullet dem Pferd keine Schuld hatte geben wollen, aber das Verhalten des Grafen hatte sie alles andere als bewundernswert gefunden.

      Ophelia hatte nie damit gerechnet, Graf Rochester je zu Gesicht zu bekommen.

      Ihre Stiefmutter empfing außer ihm auch noch eine Reihe anderer Männer, aber sie waren es offensichtlich nicht wert, daß Extrablumen gekauft wurden.

      Als Ophelia an diesem Morgen plötzlich in das Schlafzimmer ihrer Stiefmutter bestellt worden war, hatte sie es mit der Angst zu tun bekommen.

      Was hatte sie jetzt wohl schon wieder angestellt?

      Zu ihrer Verwunderung war Circe erstaunlich gut aufgelegt gewesen.

      Sie im Bett ihrer Mutter sitzen zu sehen, tat Ophelia jedes Mal von neuem weh, doch mußte sie zugeben, daß diese Frau enorm attraktiv aussah.

      Die langen roten Haare, die ihr fast bis zur Taille gingen, umschmeichelten ihre Schultern. Die vielen kosmetischen Hilfsmittel, die in Töpfchen und Fläschchen auf dem Toilettentisch standen, waren noch nicht in Anwendung gebracht. Trotzdem war ihre Haut weiß und makellos, und ihre grünen Augen waren groß und strahlend.


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