Gesammelte Werke. Джек Лондон
Читать онлайн книгу.erfahren sie auch immer im Kampfe waren, nie hatten sie einen Gegner gefunden, der so flink in der Bewegung war. Außerdem hielt ein gewöhnlicher Hund sich mit Knurren, Brummen und Zähnefletschen auf, während Wolfsblut sogleich zum Angriff überging. Also pflegte man ihn erst loszulassen, wenn der andere mit seinen Plänkeleien fertig war und sich zum Angriff anschickte. Aber Wolfsbluts größter Vorteil war seine unendlich große Erfahrung. Er wußte mehr von den Kunstgriffen und Methoden des Kampfes als irgend ein anderer Hund und hatte selber eine Methode, wie sie nicht vortrefflicher sein konnte.
Mit der Zeit wurden diese Preisgefechte immer seltener. Die Leute gaben es auf, ihre Hunde aufzuopfern, und Schmitt mußte sich Wölfe besorgen, die er von den Indianern einfangen ließ. Ein Kampf zwischen Wolfsblut und einem solchen zog stets eine große Zuschauermenge herbei. Einmal wurde ihm eine Luchsin gegenübergestellt und Wolfsblut kämpfte mit ihr auf Leben und Tod, denn ihre Schnelligkeit und Wildheit kam der seinen gleich, allein sie kämpfte außer mit den Zähnen auch noch mit den Krallen. Nach diesem Kampfe hatte Wolfsblut Ruhe. Es gab kein Tier mehr, das sich mit ihm messen konnte; also blieb er bis auf weiteres zur Schau gestellt. Im Frühling kam ein gewisser Tim Keenan, der Besitzer einer Spielbank, ins Land. Er brachte die erste Bulldogge, die man je in Klondike gesehen hatte, mit, und es schien unvermeidlich, daß dieser Hund sich mit Wolfsblut messen sollte. Eine Woche lang war darum der Kampf zwischen den beiden das Hauptthema der Gespräche in gewissen Kreisen der Stadt.
4. Kapitel. Im Rachen des Todes
Schmitt löste die Kette von Wolfbluts Nacken und trat einige Schritte zurück, aber Wolfsblut zögerte mit dem Angriff. Er stand still, mit gespitzten Ohren, und besah sich neugierig das seltsame Tier, das da vor ihm stand. Noch nie hatte er einen solchen Hund gesehen. Tim Keenan schob die Bulldogge vorwärts, indem er murmelte: »Nimm ihn!« und klein, breit und unschön watschelte sie bis in die Mitte des Kreises. Hier blieb auch sie stehen und blickte zwinkernd nach Wolfsblut hinüber. Aus der Menge ertönten laute Rufe: »Nimm ihn, Cherokee! Drauf, Cherokee! Nimm ihn!«
Aber Cherokee war auf den Kampf nicht begierig. Er drehte den Kopf herum, zwinkerte die schreienden Männer an und wedelte dabei gutmütig mit dem Schwanzstumpf. Er hatte keine Furcht, er war nur träge, auch schien es ihm nicht, daß man beabsichtige, er solle mit dem Hunde da kämpfen. Mit einem solchen hatte er noch nie gekämpft, und er wartete, man solle ihm den richtigen bringen.
Tim Keenan trat heran, beugte sich zu Cherokee hinab und strich ihm mit beiden Händen die Schultern entlang gegen das Haar, indem er ihn mit kurzen Bewegungen vorwärts schob. Cherokee begann zu grollen, leise und ganz tief unten in der Kehle. Es war zwischen dem Grollen und der ruckweisen Bewegung der Hände des Mannes ein gewisser Zusammenhang; das Grollen wurde lauter, wenn der Ruck zu Ende ging, erstarb dann und begann bei der nächsten Bewegung.
Dies blieb nicht ohne Wirkung auf Wolfsblut; sein Haar fing an, am Nacken und an den Schultern sich zu sträuben. Endlich gab Tim Keenan den letzten Ruck und trat zurück, und Cherokee rannte krummbeinig und geschwind aus eigenem Willen vorwärts. Nun schnappte Wolfsblut zu. Ein Schrei der Überraschung wurde laut, denn Wolfsblut war mehr wie eine Katze vorwärts gesprungen, hatte gebissen und war mit derselben katzenartigen Geschwindigkeit weggesprungen.
Cherokee blutete an einem Ohr und hatte einen Schlitz an dem dicken Halse, aber er achtete das nicht und knurrte nicht einmal, sondern machte kehrt und verfolgte den Gegner. Die Kampfesweise der beiden, die Raschheit des einen, die Beharrlichkeit des andern, erregte den Parteigeist der Menge, und die Wetten stiegen bedeutend. Immer wieder sprang Wolfsblut zu, biß und sprang unverletzt zurück, und unablässig folgte ihm der seltsame Feind, ohne sich zu beeilen, doch auch nicht langsam, immer aber entschlossen und in geschäftsmäßiger Weise. Es lag in seiner Methode ein Ziel, auf das er erpicht war, und von dem man ihn nicht abbringen konnte. Wolfsblut war verwundert. Nie hatte er einen Hund gesehen, der kein Haar hatte, das ihn schützte, keinen dichten Pelz, in den die Zähne nicht eindringen konnten, sondern überall weiches Fleisch, das leicht blutete. Jedesmal wenn er zuschnappte, sanken die Zähne tief hinein, was ihn aber noch weiter wunderte, war, daß der andere nie aufschrie, wie er es doch bei andern Hunden gewohnt gewesen war. Außer einem Grollen oder Grunzen nahm dieser jeden Angriff schweigend hin, doch nie erlahmte er in der Verfolgung.
Dabei war Cherokee nicht unbeholfen. Er wendete und drehte sich schnell genug im Kreise herum, aber Wolfsblut war nie da. Auch Cherokee hatte nie mit einem solchen Hunde gekämpft, dem man nicht nahe kommen konnte, und auch er wunderte sich. So sprang Wolfsblut unverletzt hin und her, jedoch ohne jenem unten an die weiche Stelle der Kehle kommen zu können. Dazu war die Dogge zu niedrig, auch waren ihr die mächtigen Kinnladen ein Schutz. Allein Cherokee blutete aus vielen Wunden, denn Kopf und Hals waren ihm an beiden Seiten zerschlitzt und zerrissen, doch zeigte er keine Spur von Mutlosigkeit. Im Gegenteil setzte er beharrlich seine Verfolgung fort und blieb nur einmal einen Augenblick wie verblüfft stehen, indem er zwinkernd die Zuschauer anblickte und zu gleicher Zeit mit dem Schwanz wedelte zum Zeichen, daß er weiterkämpfen wolle. Doch in diesem Augenblick schoß Wolfsblut auf ihn los und riß ihm das eine Ohr in Fetzen. Mit einer leichten Bewegung des Ärgers nahm Cherokee die Verfolgung wieder auf, rannte auf der inneren Seite des Kreises, den Wolfsblut machte, und versuchte diesen am Halse zu packen. Doch um die Breite eines Strohhalmes verfehlte er den Angriff, und Rufe der Bewunderung wurden laut, als Wolfsblut der Gefahr durch einen Sprung in entgegengesetzter Richtung entging.
Die Zeit verstrich. Wolfsblut sprang immer noch die Kreuz und die Quer und teilte Wunden aus, und mit immer gleicher, grimmiger Beharrlichkeit rannte der andere hinter ihm her. Früher oder später mußte dieser seinen Zweck doch erreichen und Wolfsblut so packen, daß er die Schlacht gewann. Mittlerweile nahm er alle Angriffe unbewegt hin. Seine kurzen Ohren hingen in Fetzen, sein Hals und seine Schultern waren voller Wunden, selbst seine Lippen bluteten von den schnell ausgeteilten Bissen, die er nicht vorhersehen und darum nicht vermeiden konnte. Von Zeit zu Zeit versuchte Wolfsblut, Cherokee umzuwerfen, was ihm nicht gelang, da sie zu ungleich in der Höhe waren. Einmal jedoch trieb er das Spiel zu oft. Als Cherokee sich umdrehte, um Wolfsblut bei seinen flinken Kreuz- und Quersprüngen zu folgen, hatte er die Schulter entblößt, und Wolfsblut stieß dagegen. Da aber Wolfsbluts Schulter die des andern weit überragte, und der Stoß sehr kräftig gewesen war, verlor Wolfsblut das Gleichgewicht und purzelte über die Dogge hin. Zum erstenmal, so lange er gekämpft hatte, sahen die Zuschauer, wie er den Boden unter den Füßen verlor. Er überschlug sich in der Luft, und er würde auf den Rücken gefallen sein, hätte er sich nicht wie eine Katze in der Luft umgedreht, um mit den Beinen zuerst auf die Erde zu gelangen. Trotzdem fiel er schwer auf die Seite. Im nächsten Augenblick stand er jedoch auf den Füßen, doch diesen Augenblick hatte Cherokee benutzt und ihn an der Kehle gepackt.
Allein der Griff war zu niedrig gewesen, zu tief an der Brust, doch hielt Cherokee fest. Wolfsblut sprang auf und rannte wie wild im Kreise umher, indem er versuchte, die Dogge abzuschütteln. Das Gewicht am Halse machte ihn rasend, es hinderte seine Bewegungen, es beschränkte seine Freiheit. Es war wie eine Falle, und alles in ihm empörte sich dagegen. Ein paar Minuten lang war er wie wahnwitzig; der Wille zum Leben hatte völlig von ihm Besitz genommen. Vernunft und Verstand hatten ihn verlassen, und nur der Trieb des Fleisches regte sich machtvoll in ihm, der blinde Drang zu leben und sich zu bewegen, da Bewegung der Ausdruck des Lebens war.
So rannte er immer im Kreise herum, wandte sich hin und her und versuchte stets die Last, die ihm am Halse hing, abzuschütteln. Allein Cherokee hielt fest. Selten nur kam er mit den Füßen auf den Boden und suchte sich dann gegen Wolfsblut zu stemmen, aber einen Moment später hatte er wieder den Halt verloren und wurde im Kreise herumgeschleppt. Allein er wußte, daß er recht täte, wenn er festhielte, und fühlte selbst ein gewisses Frohlocken darüber. Dann schloß er einen Augenblick die Augen und ließ sich hin und her schlenkern, unbekümmert, welcher Schaden ihm auch dadurch erwachsen könne.
Endlich hielt Wolfsblut inne; er war müde. Er konnte nichts tun und das verstand er nicht. Bei all seinen Kämpfen war ihm nie so etwas passiert; nie hatte ein Hund so gekämpft. Er legte sich nieder und rang keuchend nach Atem. Cherokee, immer festhaltend, suchte