Das Dekameron. Giovanni Boccaccio

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Das Dekameron - Giovanni  Boccaccio


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sehr hold war. Als ihm nun der Hofmeister den Vorfall mit dem Alten erzählte, gab er zur Antwort: „Lasst sie bei ihm in des Teufels Namen, sie sind das Ebenbild ihrer Mutter. Sie ist eines Bettlers Tochter, kein Wunder, dass die Kinder sich auch gern mit Bettlern abgeben.“

      Es verdross den Grafen zwar sehr, dass er diese Worte hören musste. Allein er zuckte die Achseln und ertrug diese Demütigung, wie er manche andere ertragen hatte.

      Der junge Edelmann, der hörte, wie die Kinder sich über den alten Mann freuten, war zwar auch nicht sehr damit zufrieden, weil er sie aber liebte und ihnen keine Tränen verursachen wollte, so gab er den Befehl, den Alten im Hause zu behalten, wenn er zu irgendeinem Dienst Lust hätte. Er antwortete, er wolle zwar gern bleiben, allein er hätte in seinem Leben nichts anderes gelernt als mit Pferden umzugehen. Man gab ihm also ein Pferd zu warten, und er nahm sich vor, es zum Vergnügen der Kinder abzurichten.

      Indes nun das Schicksal den Grafen von Antwerpen und seine Kinder so führte, wie ich erzählt habe, starb der König von Frankreich, nachdem er verschiedene Waffenstillstände mit den Deutschen geschlossen hatte, und sein Sohn, dessen Gemahlin die Verbannung des Grafen verursacht hatte, ward an seiner Stelle zum Könige gekrönt. Nachdem der letzte Waffenstillstand abgelaufen war, fing dieser den Krieg mit vieler Erbitterung wieder an, und der König von England, als sein neuer Verwandter, sandte ihm viel Kriegsvolk zu Hilfe, unter den Befehlen seines Feldmarschalls Pierrot von der Pikardie und Jacob Langreys, des Sohnes seines zweiten Marschalls, dem der Graf, unerkannt von jedermann, eine lange Zeit im Felde als Stallknecht aufwartete, und als ein tapferer Mann über die Erwartung, die man von ihm haben konnte, mit Rat und Tat manchen wichtigen Dienst leistete. Während dieses Feldzuges ward die Königin von Frankreich von einer schweren Krankheit befallen, und als sie fühlte, dass sie dem Tode nahe war, bekannte sie alle ihre Sünden mit vieler Bußfertigkeit dem Erzbischof von Reims, der für einen frommen und heiligen Mann gehalten ward, und gestand ihm unter anderem, dass dem Grafen von Antwerpen um ihretwillen großes Unrecht geschehen wäre, ja, sie begnügte sich nicht damit, ihm dieses zu beichten, sondern sie bekannte auch in Gegenwart vieler angesehenen Männer, wie alles zugegangen, und bat sie, den König zu vermögen, dass er den Grafen, wenn er noch lebt, oder eines von seinen Kindern wieder in seine Güter einsetzte. Nicht lange danach verschied sie und ward mit allen Ehrenbezeigungen zur Erde bestattet.

      Als man dem Könige ihr Bekenntnis hinterbrachte und er das üble Schicksal, das der würdige Graf ohne seine Schuld erlitten, mit einigen Seufzern bedauert hatte, ließ er im ganzen Heere und an vielen Orten ausrufen, dass der, der ihm den Aufenthalt des Grafen von Antwerpen oder irgendeines von seinen Kindern anzeigen könnte, eine beträchtliche Belohnung erhalten solle, weil er laut des Geständnisses der Königin ihn für unschuldig an allem erkenne, weswegen er verbannt worden; daher er jetzt willens wäre, ihn zu allen seinen vorigen und noch zu höheren Ehren zu erheben. Dies alles erfuhr der Graf, der noch immer als Stallknecht schien. Als er fand, dass alles wahr wäre, ging er geschwind zu Sir Jacob Langrey und bat ihn, sich mit ihm zu Pierrot zu begeben, weil er ihnen beiden diejenigen zeigen wolle, die der König suche.

      Als sie alle drei beisammen waren, sprach der Graf zu Pierrot, der schon im Begriff war, sich dem Könige zu erkennen zu geben: „Pierrot, dieser Sir Jacob hat deine Schwester zur Gemahlin und hat nie eine Aussteuer von ihr bekommen. Damit ihr nun diese nicht fehlen möge, so ist es mein Wille, dass er und niemand anders die großen Belohnungen empfange, die der König für deine Person, als für den Sohn des Grafen von Antwerpen, und für Violante, deine Schwester und Jacobs Gemahlin, und für mich, den Grafen von Antwerpen, deinen Vater, ausgeboten hat, und dass er uns alle dem Könige vorstelle.“

      Als Pierrot dies hörte und ihn aufmerksam betrachtete, erkannte er ihn im Augenblick und grüßte ihn als Vater, indem er mit tränenden Augen ihm die Füße umfasste. Sir Jacob, der erstlich die Worte des Grafen hörte und dann sah, wie Pierrot sich gegen ihn benahm, ward vor Verwunderung und Freude so bestürzt, dass er kaum wusste, was er anfangen solle; doch weil er den Worten des Grafen glaubte und mit Erröten bedachte, dass er ihn oft beleidigt hatte, indem er ihm wie einem Stallknechte begegnete, so fiel er ihm zu Füßen und bat ihn demütig für jede Beleidigung um Verzeihung, die ihm auch der Graf, welcher ihn wieder von der Erde erhob, sehr willig erteilte. Nachdem sie nun alle drei vieles zusammen über ihre Begebenheiten gesprochen, viel miteinander geweint und sich viel zusammen gefreut hatten, wollten Pierrot und Jacob den Grafen umkleiden lassen, allein er wollte es nicht eher zugeben, bis Sir Jacob der versprochenen Belohnung gewiss wäre; um ihn desto mehr zu beschämen, verlangte er, dass er ihn in der Kleidung eines gemeinen Knappen dem Könige vorstelle.

      Sir Jacob verfügte sich demnach zu dem Könige, indem der Graf und Pierrot ihm nachfolgten, und erbot sich, ihm den Grafen und seine Kinder vorzustellen, wenn er ihm die durch den öffentlichen Ausruf versprochene Belohnung reichen ließe.

      Der König ließ alsobald die beträchtlichen Belohnungen für alle drei herbringen und erlaubte ihm, sie davonzutragen, wenn er ihm wirklich den Grafen und seine Kinder, seinem Versprechen gemäß, zeige.

      Sir Jacob wandte sich hierauf um, ließ den Grafen, seinen Knappen, vortreten und sagte: „Sire, hier ist der Vater und hier der Sohn. Die Tochter, die meine Frau ist, befindet sich jetzt nicht hier, Ihr sollt sie aber mit Gottes Hilfe bald erblicken.“

      Als der König dies hörte, betrachtete er den Grafen genau, und wiewohl sich seine Gestalt gegen das, was sie vormals war, ungemein verändert hatte, so erkannte er ihn dennoch, und fast mit Tränen in den Augen erhob er ihn, indem er vor ihm niederkniete, küsste und umarmte ihn und empfing den Pierrot aufs Gnädigste, befahl auch augenblicklich, den Graf mit Kleidern, Bedienung, Pferden und Gerät zu versehen, wie seinem Stande angemessen, was auch sogleich geschah. Überdies erwies auch der König dem Sir Jacob große Ehre und ließ sich von seinen vergangenen Begebenheiten genaue Nachricht geben. Zu Sir Jacob, der die ansehnlichen Belohnungen für die Wiederbringung des Grafen und seiner Kinder davontrug, sprach der Graf: „Empfange dies von der freigebigen Hand meines Königs und vergiss nicht, deinem Vater zu sagen, dass deine Kinder, seine und meine Enkel, mütterlicherseits nicht von Landstreichern abstammen.“

      Sir Jacob empfing die Geschenke und ließ seine Gemahlin und seine Mutter nach Paris kommen, wohin sich auch Pierrots Gemahlin begab, und sie lebten alle in großer Freude bei dem Grafen, den der König in alle seine Güter wieder eingesetzt und ihn noch höher erhoben hatte, als er vorher gewesen war. Hernach beurlaubten sie sich bei ihm und gingen wieder nach Hause; er aber blieb in Paris und ward bis an sein Ende mehr als jemals geehrt.

       NEUNTE NOVELLE

      Bernabo aus Genua wird von Ambrogiuolo durch Hinterlist um sein Geld betrogen und befiehlt, seine unschuldige Frau umzubringen. Sie entrinnt, dient in Mannskleidern dem Sultan, trifft den Betrüger an, lässt ihren Mann nach Alessandria kommen, wo der Betrüger seinen Lohn empfängt, und kehrt wieder in Trauerkleidern mit ihrem Mann reich nach Genua zurück.

      Als Elisa durch ihre rührende Erzählung sich ihrer Pflicht entledigt hatte, bedachte sich die Königin Filomena, die schön und schlank an Gestalt und deren Gesicht sich vor den anderen durch Lieblichkeit und Anmut auszeichnete, ein wenig und sagte: „Wir müssen Dioneo unseren Vertrag halten, und da außer ihm und mir niemand mehr übrig ist, so will ich zuerst meine Geschichte erzählen, und er soll, wie er sich es zur Gunst erbeten hat, der Letzte sein.“ Sie begann folgendermaßen:

      Man hört im gemeinen Leben oft das Sprichwort: „Wer anderen eine Grube gräbt, fällt selbst hinein“, was man dem ersten Anschein nach durch keine Gründe würde beweisen können, wenn die Begebenheiten, die sich bisweilen zutragen, es nicht vor Augen führten. Deswegen ist es mir auch in den Sinn gekommen, liebe Mädchen, bei Gelegenheit unserer heutigen Aufgabe euch zu zeigen, dass es dennoch wahr sei, es nicht euch verdrieße, meine Geschichte zu hören. Ihr lernt dadurch, euch vor Betrügern zu hüten.

      Es befanden sich einst in einem Gasthofe zu Paris verschiedene angesehene italienische Kaufleute, der eine um dieses, der andere um jenes Geschäftes willen, wie es bei ihnen zu gehen pflegt. Als sie einmal recht vergnügt miteinander zu Nacht gegessen hatten, fingen sie an, von verschiedenen Dingen zu sprechen, und von einem Gegenstande


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