Die Geschichte der Dampfmaschine bis James Watt. Geitel Max
Читать онлайн книгу.den ältesten Zeiten bis Dionysius Papin.
Den ersten Anfängen der Kenntnis der Spannkraft des Wasserdampfes begegnen wir bei Aristoteles, geb. 384, gest. 322 v. Chr. Er suchte die Erdbeben durch die plötzliche Umwandlung des Wassers in Dampf im Erdinnern zu erklären, eine Auffassung, die später durch Seneca (geb. 4 v. Chr., gest. 65 n. Chr.) eine weitere Ausbildung erfuhr. Aristoteles nahm vier Elemente an: Erde, Wasser, Luft, Feuer. Daß nur diese vier Elemente möglich seien, bewies er auf folgende Weise[2]:
„Es gibt vier Grundempfindungen: warm, kalt, feucht und trocken. Diese Empfindungen werden paarweise vereint wahrgenommen. Mathematisch betrachtet können sich sechs solcher Vereinigungen bilden. Doch sind zwei als sich widersprechend unmöglich, nämlich die Vereinigung warm und kalt und die Vereinigung von feucht und trocken. Es bleiben folglich vier Gegensätze bestehen, und dementsprechend sind nur vier Elemente möglich. Dem Gegensatz kalt und trocken entspricht die Erde, dem Gegensatz kalt und feucht das Wasser, warm und feucht die Luft, warm und trocken das Feuer. Durch die Mischung dieser vier Elemente entstehen sämtliche irdische Stoffe.“
Diese Auffassung hat sich viele Jahrhunderte hindurch aufrechterhalten, und zwar insbesondere auch bei den Bahnbrechern der Dampfmaschine, so z. B., wie wir später sehen werden, bei Salomon de Caus.
Von einer praktischen Verwendung der Spannkraft der Gase durch Aristoteles verlautet nichts. Dieser begegnen wir erst bei Archimedes, geb. 287, gest. 212 v. Chr., in Gestalt des „Architonitro“, einer Dampfkanone. Dieselbe ist in den Schriften des Archimedes nicht enthalten. Ihre nachstehend wiedergegebene Beschreibung stammt vielmehr von Leonardo da Vinci (geb. 1452, gest. 1519) und lautet[3]:
„Erfindung des Archimedes. Architonitro ist eine Maschine von dünnem Kupfer und wirft Kugeln von Eisen mit großem Geräusch und großer Gewalt. Man gebraucht sie in folgender Weise: Der dritte Teil des Instruments befindet sich oberhalb einer großen Menge Kohlenfeuer, und wenn er durch dieses gut erhitzt ist, schraube die Schraube nieder, die sich über dem Wassergefäß (a c), Abb. 1, befindet. Wenn man die Schraube darüber niederschraubt, öffnet es sich nach unten, und nachdem das Wasser herabgeflossen ist, fließt es in den erhitzten Teil des Instruments und verwandelt sich plötzlich in eine Menge Dampf (Fumo), so daß es ein Wunder zu sein scheint, und namentlich die Wut zu sehen und den Lärm zu hören. Dies warf eine Kugel, die ein Talent wog, sechs Stadien weit.“
Abbildung 1.
Der Architonitro (Dampfkanone) des Archimedes. Nach Leonardo da Vinci.
Die Erfindung der Ausnutzung der in der gepreßten Luft enthaltenen Kräfte wurde dem Ktesibios (um 150 n. Chr.) zugeschrieben. Ihm sollen auch die Windbüchse und die in Abb. 2 dargestellte Vorrichtung zum Schleudern von Steingeschossen, der Erzspanner, ihre Entstehung verdanken[4]. Letzterer hatte nach Philon von Byzanz, einem Schüler des Ktesibios, folgende Einrichtung: In den Zylindern abcd können sich die Kolben fghi luftdicht auf- und abwärts bewegen. Werden sie in die Zylinder hineinbewegt, so pressen sie die in diesen eingeschlossene Luft zusammen. An den Kolben sind mittels der Verbindungsstücke km Arme angelenkt, die um die Achsen n drehbar und an ihrem oberen Ende durch die Sehne verbunden sind, die zum Fortschleudern der Geschosse dient. Wurde diese Sehne angezogen, so schoben sich die Kolben in die Zylinder hinein. Wurde alsdann die Sehne losgelassen, so schnellten die Kolben unter dem Einfluß der gepreßten Luft nach oben und trieben die Sehne mit großer Gewalt gegen das Geschoß, so daß dieses in weitem Bogen dahinflog.
Abbildung 2.
Der Erzspanner des Ktesibios.
Um die Kolben in den Zylindern gehörig abzudichten, benutzte Ktesibios Tischlerleim, der etwas verflüssigt war. Um die Dichtigkeit zu prüfen, benetzte er die Zylinder mit derartigem Leim und trieb mittels Keil und Hammer die Kolben mit größter Gewalt in die Zylinder hinein. Man konnte hierbei beobachten, daß der Kolben nur wenig nachgab, wenn aber einmal die eingeschlossene Luft sich verdichtet hatte, auch beim stärksten auf den Keil ausgeübten Schlag nicht weiter hineinging. Wenn man Gewalt anwandte, so wurde nicht nur der Keil hinausgetrieben, sondern auch der Kolben sprang mit großer Gewalt aus dem Gefäße heraus; oft fuhr auch Feuer heraus, das durch die Schnelligkeit der Bewegung und durch die Reibung erzeugt wurde. Ktesibios hat hier also bereits dasjenige Phänomen beobachtet, das sich bei den sogenannten Luftdruckfeuerzeugen zeigt.
Ktesibios hat auch schon ein Druckwerk verfertigt, das aus zwei metallenen Stiefeln bestand, die am Boden mit Ventilen ausgestattet waren. Saugpumpen und Handspritzen waren zu Philons Zeiten bereits bekannt und standen schon zu Aristoteles' Zeiten in Gebrauch.
Neben den Schriften Philons von Byzanz sind diejenigen Herons von Alexandrien von besonderer Bedeutung, wenn es sich darum handelt, das Maß derjenigen Kenntnisse festzustellen, über die das Altertum bezüglich des Wesens der Gase und Dämpfe verfügte.
Philon und Heron waren Schüler des Ktesibios. Letzterer gilt infolge seiner umfangreichen auf uns gekommenen Schriften als Erfinder zahlreicher praktischer Anwendungen des Druckes von Gasen, so z. B. als Erfinder des Heronsballs. Dieser findet sich aber bereits in den Schriften des Philon, müßte also füglich nicht Herons-, sondern Philonsball heißen, falls nicht der Ruhm der Erfindung einem unbekannten Vorgänger zuzuschreiben ist.
Daß Heron zahlreiche Vorgänger auf dem Gebiete der Erforschung der Eigenschaften der Luft und der gespannten Dämpfe besaß, gibt er übrigens selbst zu, indem er in der Vorrede zu seiner „Pneumatik“ ausführt: „Die Beschäftigung mit Luft- und Wasserkünsten ist von den alten Philosophen und Mathematikern hoch geschätzt worden. Es ist daher notwendig, das seit alters darüber Bekannte in gehörige Ordnung zu bringen“.
Bevor wir uns den Schriften Herons zuwenden, müssen wir noch von Philon von Byzanz berichten, daß er der Erfinder des Thermoskops ist, das auf der durch die Wärme bewirkten Ausdehnung der Luft beruht.
Die auf uns überkommenen Werke Herons von Alexandrien sind verhältnismäßig außerordentlich zahlreich und vielseitig. Sie behandeln reine und angewandte Mathematik, Feldmeßkunst, Physik und deren praktische Anwendung in der Technik. Letztere Schriften sind für den Techniker von Interesse. Es sind dies: die Druckwerke (Pneumatik), die Automatentheater, der Geschützbau, die Handschleuder, die Spiegellehre, die Hebewinde, die Mechanik und ein Fragment über Wasseruhren. Von diesen Werken kommen für die Geschichte der Dampfmaschine die Druckwerke und die Automatentheater in Betracht.
Hier finden wir Abhandlungen über das Vakuum, und zwar in Anlehnung an den im dritten Jahrhundert vor Christo lebenden Physiker Straton von Lampsakos. Außerordentlich vielseitig sind die verschiedenen Beschreibungen der Verwendung des Hebers. Des weiteren beschreibt Heron eine große Anzahl von Vorrichtungen, bei denen der Druck des Wassers, der Druck der Luft, die Warmluft und der Wasserdampf praktisch benutzt wird. Aus der reichen Fülle der von Heron beschriebenen Vorrichtungen lassen wir nachstehend diejenigen folgen, die für uns an erster Stelle von Bedeutung sind. Die beigefügten Abbildungen entnahmen wir der im Jahre 1592 erschienenen italienischen Übersetzung der „Druckwerke“: Spiritali di Herone Alessandrino, ridotti in lingua volgare da Alessandro Giorgi da Urbino. Urbino 1592. Den Text entnahmen wir der in der Teubnerschen Sammlung griechischer und römischer Schriftsteller erschienenen Übersetzung von Wilhelm Schmidt.
Abbildung 3.
Das Klappenventil.
(Nach Heron von Alexandrien.)
„Das