Butler Parker 137 – Kriminalroman. Günter Dönges

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Butler Parker 137 – Kriminalroman - Günter Dönges


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nur sie allein den Ton angegeben. Jetzt aber saßen sie in einer Falle, aus der es wohl kein Entrinnen gab.

      Jean hatte sich inzwischen vom Sturz erholt, der übrigens glimpflich abgelaufen war. Er nieste hin und wieder und sah hinauf zu den Mauerdurchbrüchen des Gewölbes, die leider unerreichbar blieben.

      Plötzlich glaubte Jean dort oben ein Gesicht zu sehen. Er richtete sich steil auf und hielt unwillkürlich den Atem an.

      »Was ist?« fragte Paul müde.

      »Da oben, ein Gesicht!«

      »Wo?« Pauls Müdigkeit war sofort verflogen. Er sah hoch zu den Mauerdurchbrüchen, konnte jedoch nichts entdecken.

      »Ich hab’s deutlich gesehen«, sagte Jean.

      »Schon gut, schon gut.« Paul winkte ab. Natürlich hatte sein Partner sich geirrt. Es war ja überhaupt nur eine Frage der Zeit, bis sie beide durchdrehten und verrückt spielten.

      »Es war ’n Gesicht!« Jeans Stimme nahm einen eigensinnigen Unterton an. »Glaubst du etwa, ich würde schon weiße Mäuse sehen?«

      »Das wäre wenigstens ’ne Abwechslung«, erwiderte Paul und starrte wieder trübselig auf die schmutzige Wasseroberfläche.

      »Da is’ es wieder!« Jean sprang auf, rutschte jedoch auf den glitschigen Stufen aus, griff haltsuchend in die Luft und landete in den aufklatschenden Fluten. Als er wieder auftauchte, hörte er das Lachen seines Partners.

      Dieses Lachen brach plötzlich ab, bevor Jean einen wütenden Fluch ausstoßen konnte. Er blieb im Wasser stehen und sah seinen Freund, der nun seinerseits angestrengt zu den Mauerdurchbrüchen sah.

      »Jetzt hab’ ich’s auch gesehen«, meinte Paul dann.

      »Hab’ ich doch gleich gesagt! Ob das dieser Butler gewesen ist?« Jean watete zurück zur Steintreppe. Als er hochstieg und sich das Wasser aus dem Gesicht wischte, sprang Paul plötzlich hoch und warf sich mit aller Kraft gegen ihn. Jean brüllte auf, doch er konnte sich natürlich nicht halten. Er landete zusammen mit seinem Partner erneut in dem Wasser.

      »Wahnsinnig?« Jean hustete, als er wieder auf den Beinen stand. Er sah Paul wütend an. »Was sollte das?«

      »Sieh mal zur Tür rüber!« Paul deutete mit ausgestrecktem Arm die Steintreppe hoch.

      »Was ist mit der Tür?«

      »Siehst du denn nichts?«

      »Das is’ doch ... das is’ doch ...«

      » .. .’n Pfeil«, vollendete Paul den Satz. »Das is’ ’n Blasrohrpfeil. Er zischte dicht an meinem Kopf vorbei. Ich hab’ den Luftzug gespürt.«

      »Man will uns umbringen.« Jeans Kehle schnürte sich zusammen. Er wartete den Kommentar seines Freundes nicht ab, sondern arbeitete sich durch das Wasser hinüber hinter einen der runden, stämmigen Stützpfeiler. Hier nahm er Deckung.

      Paul war ihm gefolgt. Dicht standen die beiden Profi-Mörder nebeneinander. Sie zitterten vor Nervosität, aber auch vor Kälte, die langsam in ihnen hochkroch. Sie schielten förmlich um den schützenden Pfeiler herum zu den Mauerdurchbrüchen hinauf, woher der Pfeil gekommen sein mußte.

      Sie rührten sich nicht von der Stelle.

      *

      Natürlich hatte Butler Parker das seltsame Geschoß abgefeuert, das jetzt in der Bohlentür zitterte.

      Sein Universal-Regenschirm war dazu durchaus in der Lage. Der Schirmstock war ein geschickt getarnter Lauf, der Blasrohrpfeile mittels Preßluft in jede gewünschte Richtung verschießen konnte. Parker hatte sich diese ein wenig ungewöhnliche Waffe in seiner »Bastelstube« hergerichtet, einer Art Labor in seinen Privaträumen des Stadthauses der Lady Simpson.

      Selbstverständlich hatte er keineswegs die Absicht gehabt, den Gangster zu treffen. Ihm war es einzig und allein darauf angekommen, die beiden Männer ins Wasser des Gewölbes zu scheuchen, um sie noch ein wenig einzuweichen.

      Nun hatte der Butler Zeit und Gelegenheit, sich das verfallene Schloß des Baron de Ponelle näher anzusehen. Eine schnelle Besichtigung des Kutscherhauses hatte er bereits hinter sich.

      Gemessen und würdevoll schritt Josuah Parker die Räume im Erdgeschoß ab und prüfte die vielen Treppen, die in die oberen Stockwerke führten. Sie waren durchweg staubbedeckt und zeigten keine Spuren. Nach menschlichem Ermessen waren diese Räume oben in jüngster Zeit von niemandem betreten worden. Eine Besichtigung konnte er sich also ersparen.

      Seine Wanderung durch das Erdgeschoß brachte keine Erkenntnisse. Die Räume waren leer, viele Fenster zerbrochen. Verfall, Trostlosigkeit und ein Hauch des Todes gingen von den Sälen, Gängen und Korridoren aus. Baron de Ponelle schien das eigentliche Schloß zu meiden. Überall gab es Staub, Spinnweben und Deckenputz, der auf dem geborstenen Parkett lag.

      Parker hätte nicht sagen können, wonach er suchte. Er wollte die Atmosphäre des Schlosses auf sich wirken lassen, das eine glanzvolle Vergangenheit hinter sich hatte. Die Seitenlinie der Agatha Simpson hatte in Frankreich mal eine wichtige Rolle gespielt. Zur Zeit des Sonnenkönigs war ein de Ponelle Träger wichtiger Staatsämter gewesen. Und genau diese Seitenlinie der de Ponelles war es, die jetzt innerhalb von zwei Wochen drei Todesfälle zu beklagen hatte.

      Agatha Simpson hatte sich der Teilnahme an diesen Begräbnissen nicht entziehen können. Es waren recht bemerkenswerte Trauerfeiern gewesen, über die die Presse berichtet hatte. Victor de Ponelle allerdings, der Besitzer von Chapelle-sur-Loire, war auf keiner dieser Trauerfeiern gewesen. Entweder hatte man ihn nicht eingeladen, oder aber er hatte einfach nicht die Mittel gehabt, um nach Paris zu kommen.

      Wegen der drei Todesfälle war Lady Simpson nicht nach Frankreich gefahren. Ihr Aufenthalt in Paris bis vor einem Tag hing mit dem Fall Ricardo Mentone zusammen. Dieser Mann – ein Gangster brutalster Sorte – hatte es vorgezogen, die Insel zu verlassen, als das Gespann Simpson-Parker ihm zu gefährlich geworden war. Mit seiner Beute, die aus einigen bösen Erpressungen stammte, hatte Ricardo Mentone sich in Paris niedergelassen und sich für genau eine Woche sicher gefühlt.

      Das war schlagartig anders geworden, als Lady Agatha und Butler Parker in der französischen Metropole eingetroffen waren, um diesen Gangster zu stellen und der Polizei in die Hände zu spielen. Ricardo Mentone wehrte sich verzweifelt und mit allen Mitteln. Im Augenblick hatte er wohl auf zwei gedungene Mörder gesetzt, die nun allerdings ein kühles und übelriechendes Bad nahmen.

      Parker hatte den Nordflügel des Schlosses erreicht und spürte plötzlich, daß er verfolgt wurde.

      Natürlich ließ er sich nichts anmerken, doch er traf gewisse Vorkehrungen. Sollte Mentone vielleicht drei Mordschützen engagiert haben? Parker blieb in einem der langen Verbindungskorridore stehen und nahm seine schwarze Melone ab, die zu seiner Berufskleidung als Butler gehörte. Der Verfolger mußte annehmen, daß der Butler sich den Schweiß von der Stirn tupfte, in Wirklichkeit aber warf Josuah Parker einen prüfenden Blick in den kleinen Spiegel in der Wölbung seiner Kopfbedeckung.

      Dieser Blick lohnte sich.

      Butler Parker bekam noch einen Schatten mit, der blitzschnell in einer Fensternische verschwand. Er hatte sich also nicht getäuscht. Seine innere Alarmanlage funktionierte noch ausgezeichnet.

      Parker tauchte ebenfalls unter. Dann wartete er mit stoischer Ruhe ab. Er wußte im vorhinein, daß seine Nerven besser waren als die des Verfolgers.

      *

      »Natürlich wurde ich zu den Begräbnissen eingeladen, teuerste Cousine«, sagte Baron de Ponelle, wobei er allerdings geringschätzig das Gesicht verzog. »Ich habe mir aber diese Freude versagt.«

      »Freude, Victor?« Agatha, Simpson lächelte grimmig. Sie war schon immer eine Liebhaberin des schwarzen Humors gewesen.

      »Freude!« Er nickte bestätigend. »Ich habe nichts dagegen, daß meine Familie ausstirbt. Von mir aus kann es nicht schnell genug geschehen.«

      »Schließen Sie sich mit ein, lieber Victor?«


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