Heimatkinder Staffel 4 – Heimatroman. Kathrin Singer

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Heimatkinder Staffel 4 – Heimatroman - Kathrin Singer


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Das erste Mal, seitdem sie auf dem Hof war, setzte sich das Dirndl gegen ihn zur Wehr.

      Martin zuckte zusammen, als hätte er Prügel bezogen. Dieser Tonfall erinnerte ihn an eine Marianne, die er längst vergessen glaubte! Er hob die Hand – ließ sie aber gleich darauf müde sinken. Was war nur in ihn gefahren? Er murmelte etwas vor sich hin und trottete über den Hof.

      Josepha wußte nicht, ob sein Gemurmel eine Entschuldigung sein sollte, aber sie nahm es als eine solche an.

      Sie ging wieder zurück ins Haus und lief erschrocken auf das verängstigte Mädchen zu, das sich in den Schoß der Großmutter gekauert hatte.

      »Sepherl, ist der Vater fort? Müssen wir jetzt gehen?« schluchzte Rosemarie.

      »Ja, mein Kleines, der Vater ist fort. Wir gehen hinauf in dein Zimmer und spielen ein bisserl, gell?«

      Roserl konnte nur nicken, denn ein dicker Kloß saß in ihrem Hals. Tapfer nahm sie Josephas Hand und ging mit ihr hinauf.

      »Herrgottsakra noch amal!« donnerte der Bauer los, nachdem das Kind außer Hörweite war. »Dieser elendige…«

      »Laß nur, Franzl, versündige dich net an deinem eigenen Fleisch und Blut! Hast es net selbst grad vorher gsagt, daß der Herrgott eh alles richtet? Wart’s nur ab. ’s war seit langem ein kleines Lebenszeichen vom Martin, wer weiß, vielleicht kommt er wieder zu sich!«

      »Das nennst Lebenszeichen?« grollte Franzl. »Ich tät eher sagen, daß er deppert worden ist! Himmel, wenn ich denk, was er für ein gstandenes Mannsbild war!«

      »Weißt, Franzl«, sinnierte die Bäuerin, »wenn er nur dem Kind damit keinen Schaden zufügt. Ich hab große Angst, daß unser Roserl eines Tages Martins Gleichgültigkeit nimmer erträgt, wenn’s größer wird! Sie hängt jetzt schon so arg am Sepherl, aber ewig wird das Dirndl auch net dableiben wenn der Bub so weitermacht!«

      »’s langt wohl net, daß ihm das Gesinde davonläuft, nein, unser Herr Sohn muß die Menschen, die ihn am meisten liebgehabt haben, vor den Kopf stoßen! Ach, ich möcht ihn am liebsten durchrütteln, bis er wieder klar denken kann!« Franzl schlug mit der Faust auf die Tischplatte, daß die Tassen klirrten. »Ich wünscht, ich wär ein paar Jahr jünger und hätt noch Kraft genug, ihm das Leben sauer zu machen!«

      Besorgt betrachtete Anna ihren geliebten Mann, dessen Schmerz sich auch auf sie übertrug. Sie litten gemeinsam um ihren fast verlorenen Sohn.

      *

      Es schien, als ob Martin Achner allmählich wieder zu Verstand kam. Zumindest tobte er nicht mehr grundlos herum und verschreckte damit die Leute. Die Feriengäste bekamen ihn gar nicht zu Gesicht. Er verschwand in der Frühe, noch bevor der Hahn krähte und erschien erst wieder spät in der Nacht, wenn die meisten bereits schliefen.

      Niemand konnte ahnen, wohin es den jungen Bauern in seiner Verwirrung Nacht für Nacht trieb.

      Eines Nachts war Rosemarie aufgewacht und hatte angsterfüllt nach Josepha geschrien, weil sie einen Schatten an ihrem Bett gesehen hatte. Doch das Dirndl konnte sie wieder beruhigen und es blieb bei diesem einen Mal.

      Ein anderes Mal wollte ein angetrunkener Gast einen Schatten vor Josephas Zimmer auf dem Balkon gesehen und ihn vertrieben haben, aber niemand glaubte ihm so recht, denn er war als Trunkenbold bekannt.

      So ging das Jahr herum. Sie hatten eine reiche Ernte gehabt und der Erlös aus dem Holzschlag brachte der Familie ebenfalls ein hübsches Sümmchen ein.

      Der Sägewerksbesitzer Xandl Hochleitner hatte es tunlichst vermieden, auch nur einen einzigen Stamm vom Hirschbichl zu schlagen! Ihm steckte das Entsetzen über Mariannes Unglück noch lang in den Knochen. Auch er bekam zwar den jungen Achnerbauern nicht mehr zu Gesicht, aber Jahr für Jahr flatterte ihm eine Liste ins Haus, wie viele Bäume wo vom Achnerwald geschlagen werden durften. Daran hielt er sich eisern. Der Ehrgeiz, dem Martin ein Stück Wald abzuschwatzen, war dem eifrigen Bemühen gewichen, nur ja nichts falsch zu machen!

      *

      Nun war ein neuer Sommer ins Land gezogen und einem fiel das sonderbare Gebaren des Bauern immer öfter auf: Dem Forstmeister Hubert Grasegger. Er war noch nicht lange im Forst am Hirschbichl, hatte zuvor die Region am Fuße des Watzmanns betreut. Doch seitdem der alte Förster verstorben war, hatte man ihm diesen Forst zugeteilt und so kam es, daß er die neue, ihm unbekannte Gegend erst einmal erforschen mußte.

      Der junge Forstmeister Grasegger kam schnell dahinter, daß er von der Hütte aus den besten Ausblick über sein neues Reich hatte. Nachdem er sich vergewissert hatte, daß die Hütte nicht mehr zum Achnerforst gehörte, quartierte er sich droben ein und beobachtete bis spät in die Nacht durch das Fernglas den Wald. Manchmal geschah es nämlich, daß ein Fuchs ein Rehkitz riß, dann mußte er auf der Hut sein. Vor allem aber um diese Jahreszeit, wenn im Juni die Kälbchen der Rothirsche geworfen wurden!

      Hubert Grasegger hatte bereits einiges über den Achnerhof erfahren, denn im Dorf war es wie überall: Der Klatsch blühte. Als er seine Aufwartung gemacht hatte, konnte er die Altbauern und das nette Dirndl Josepha begrüßen, doch der Martin war ihm nicht über den Weg gelaufen.

      In dieser lauen Nacht suchte der Bursch wieder einmal den Wald ab und bemerkte zum drittenmal jenen schlanken Schatten, der über die Lichtung in Richtung Plateau durch die Bäume huschte. Es war sternenklarer Himmel und der zunehmende Mond machte es dem Förster leicht, sein Objekt zu beobachten. Zu seinem Leidwesen konnte er das Gesicht trotz des guten Glases nicht erkennen.

      Hubert Grasegger war fast sicher, daß es der junge Achnerbauer war, der an jenem Plateau seine Frau verloren hatte. Nur konnte er nicht verstehen, daß es den Burschen immer wieder dort hinzuziehen schien. Vielleicht hatte er sie doch mehr geliebt, als die Leut ihm erzählt hatten?

      Erstaunt bemerkte er, daß der Schatten sich bereits nach wenigen Augenblicken wieder auf den Rückweg machte.

      Mit Martin Achners Seele war eine Verwandlung vor sich gegangen. Als er vor dem Plateau stand, gerade einen Schritt darauf zu machen wollte, war es, als würde er aufwachen. »Was… warum bin ich hier?« fragte er laut und fuhr sich über die Stirn, als hätte ihn ein Trugbild eingefangen. Aber als er die Augen wieder öffnete, schienen ihm die leise im Wind wiegenden Fichten zuzuraunen: »Geh nach Haus zu deinem Kind, Martin! Es braucht dich!«

      Wie von Sinnen stolperte der Bursch zurück, lief, stolperte erneut, bis er sich endlich bei vollem Bewußtsein auf den rechten Weg besann. Was hatte ihn mitten in der Nacht in den Wald getrieben?

      Martin wußte nicht, daß es ihn schon seit vielen Nächten in den Wald getrieben hatte – bei jedem Wetter!

      Er hatte den Waldrand erreicht. Im Schutz einer mächtigen Kiefer ließ er sich auf den Boden gleiten und starrte zum Haus hinüber.

      Plötzlich fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. Freilich, sie hatten Marianne, seine Frau, begraben! Jessas, wie kam er nur in den Wald? Was war mit Roserl? Und wo war Josepha, das Kindermädchen? Fragen über Fragen, die den Verwirrten überwältigten.

      Er sprang auf, lief ins Haus, öffnete sämtliche Türen und machte einen solchen Lärm, daß Josepha und die Eltern zutiefst erschrocken aus ihren Zimmern liefen, um zu verhindern, daß das Kind geweckt wurde.

      »Sepherl, hast es gehört? Was geht da vor?« rief die Bäuerin aufgebracht.

      »Jessas, er wird doch net tobsüchtig worden sein!« Der Bauer eilte zuerst die Treppe hinunter, stand entgeistert vor seinem grinsenden Sohn. »Martin, was ist nur in dich gefahren? Du weckst ja das Kind auf!«

      »Roserl? Sie ist also hier? Mei, Vaterl, wie bin ich froh!« Der Bursch schlug seinem Vater auf die Schulter, ging anschließend auf seine sprachlose Mutter zu. »Was schaust denn so, Mutterl? Ist was mit mir?«

      Josepha begriff instinktiv, daß etwas mit Martin geschehen war. »Guten Abend, Bauer. Magst was essen?«

      Sie tat, als wäre er gerade vom Feld heimgekommen.

      »Dirndl, das ist eine gute Idee! Ich hab einen Mordshunger!«

      »Aber


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