Heimatkinder Staffel 4 – Heimatroman. Kathrin Singer

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Heimatkinder Staffel 4 – Heimatroman - Kathrin Singer


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sich fahrig durchs Haar.

      »Ich komm. Wart ein Momenterl.« Hastig schloß er die Tür, schob Josephas Tasche unter sein Bett, atmete tief durch und kam dann heraus.

      »Weißt, Xaver, ich hab mir das alles durch den Kopf gehen lassen, was du mir gestern gsagt hast. Bist ja net grad fein mit mir umgangen.«

      Die Männer gingen langsam über den Hof auf die von Reif bedeckten Wiesen zu.

      »’s ist bitterkalt geworden, gell?« Scheinbar zufällig warf Xaver einen kurzen Blick zum Stadl hinüber. Ob Josepha sie wohl bemerkt hatte? Er war fast sicher.

      »Mutter hat mir die Bedingung gestellt, daß ich Sepherl bis zum Weihnachtsfest herbeischaffen sollt, sonst würd sie dem Roserl die Wahrheit sagen! Obwohl ich es net ganz glaub, hat sie doch an meinem Verstand gerüttelt. Weißt es eh, daß Roserl kaum noch lacht, viel zu ernst und traurig dreinschaut. Es tut mir weh. Und wenn ich ganz ehrlich bin, auch mir fehlt das Dirndl!«

      »Martl!« Xaver blieben die Worte im Hals stecken. Niemals zuvor hatte Martin es über sich gebracht, in dieser Weise von Josepha zu reden!

      »Ich weiß selbst, was du sagen willst. Bin ja auch erst vorher draufgekommen. Deswegen wollt ich ja mit dir reden.«

      Plötzlich blieb der Bursch stehen und musterte den alten Mann von Kopf bis Fuß. »Sag, wo warst denn eigentlich so fein ausstaffiert?« Das feine Tuch war deutlich im Mondschein zu erkennen.

      Obwohl er sich wunderte, erwartete Martin gar keine Antwort. Er war viel zu sehr mit seinem eigenen Problem beschäftigt.

      »Ähem. Wie bist eigentlich draufkommen, daß dir das Sepherl fehlt?« Der Knecht stopfte die Hände in die Hosentaschen, denn es war tatsächlich sakrisch kalt geworden.

      »Wie? Ach so. Ich hab Roserl zu Bett gebracht. Sie geht nicht mehr ohne ihren Bertl schlafen. Als ich den Teddy in ihrem Arm sah, kam es mir zuerst recht bitter hoch. Aber dann begriff ich plötzlich, daß es dem Dirndl zu verdanken ist, wenn aus dem Roserl so ein liebes Madl geworden ist. Marianne hat sich nie die Zeit für das Kind genommen und ieh war draußen auf dem Feld oder hatte anderes zu tun. Die Eltern sind alt.« Der junge Bauer machte eine nachdenkliche Pause. »Aber all das ist es net allein. Sie hatte in jener Zeit – du weißt schon, damals – viel Verantwortung und Arbeit übernommen. Das hat sie später mit keinem Wort erwähnt, war bescheiden, sanft und stets freundlich. Ich hab mich in den letzten Stunden gefragt, wie sie die Kraft dazu aufgebracht haben mag – dazu noch ihre ganze Liebe für Roserl!«

      »’s wurd ja auch Zeit!« brummte Xaver vor sich hin.

      »Hast was gsagt?«

      »Ich hab gsagt, daß du ziemlich viel nachgedacht hast in der kurzen Zeit!«

      »Jessas, Xaver, du zitterst ja! Komm, laß uns zurückgehn!« Und nach einer kleinen Pause fragte er kleinlaut: »Meinst, daß das Sepherl mir verzeihen könnt? Ich mein, sie hat doch zu dir immer Vertrauen ghabt, du kennst sie doch besser als ich.«

      Xaver hustete verlegen. Nachdem er sich beruhigt hatte, brachte er heiser heraus: »Weiß ich net. Kann dir da auch net weiterhelfen. Wo willst sie denn überhaupt finden – falls du nach ihr suchst?«

      Hilflos zuckte Martin mit den Schultern. »Irgendwie kann man’s gewiß herausbringen.«

      »Gewiß, Martl, gewiß! Aber ich tät an deiner Stelle nix überhudeln. Hast es selbst gsagt, bist grad erst draufkommen!«

      Die Männer trennten sich vor dem Gesindehaus. »Bis morgen, Xaver, und dank schön, daß du mir zugehört hast!« Unzufrieden ging Martin zum Haus hinüber.

      Obwohl Xaver in dieser Nacht kaum Schlaf fand, war es für ihn die schönste seit langem! Er genoß die Spannung, die ihm in seinen alten Tagen noch Nervenkitzel bereitete. Der Bursch sollte ruhig noch ein bißchen zappeln!

      Während des Frühstücks in dem großen Gemeinschaftsraum ließ der Knecht hier eine Semmel, da ein Stück Wurst heimlich unter seinem Wams verschwinden.

      Gutgelaunt pfiff er vor sich hin, als er zum Heustadl schlenderte. Gelangweilt schaute er sich um. Niemand war zu sehen. Hastig verschwand er im Stadl und stieg erstaunlich behende die Leiter zum Boden hinauf.

      »Sepherl,« wisperte er, »Sepherl, schau, was ich dir mitgebracht hab!«

      Josepha war erst in den frühen Morgenstunden eingeschlafen und rieb sich jetzt erschrocken die Augen. »Oh, Xaver! Es ist ja schon hellerlichter Tag!«

      Lieb sah sie aus, mit ein paar abgebrochenen Stohhalmen im Haar, das ihr völlig zerzaust ins rosige Gesichterl hing! »Hier, daß du was Gscheites zum Frühstück hast.« Stolz hielt der Knecht die beiden Semmeln und das dicke Stück Wurst in der knorrigen Hand.

      Das Dirndl biß herzhaft hinein, denn es verspürte plötzlich einen Heißhunger.

      Xaver setzte sich in die hinterste Ecke und sah ihr genüßlich zu. »Hast uns gestern gsehen, gell, Sepherl?«

      Das Mädchen nickte.

      »Ha, ich hab schon recht ghabt mit meinem Plan! Wart’s nur ab, schon heut abend wirst wieder in deine Stuben einziehen!« prophezeite er grinsend.

      »Glaubst? Du bist dir aber mächtig sicher!« kommentierte Josepha zweifelnd. So ganz geheuer war ihr noch immer nicht zumute.

      Xaver kroch zum Ausguck und lugte vorsichtig hinaus. »Schau, gschwind, da kommt Roserl! Sie geht zur Hanna. Scheint so, als hätt sie inzwischen Frieden mit der Kuh geschlossen, seitdem das Kalb da ist.«

      »Hanna hat gekalbt? Ich hab ganz vergessen, daß sie getragen hat.« Josepha stopfte den letzten Bissen in den Mund und kroch zu Xaver. »Mei, mir wird ganz warm ums Herz!«

      »Hast Mut, Dirndl?« fragte der alte Mann spitzbübisch.

      Verständnislos schaute ihn das Mädchen an. »Du meinst…«

      Xaver nickte heftig. »Komm. Wir müssen es ausnutzen, daß grad niemand auf dem Hof ist.« Ächzend rutschte er die Leiter hinab. »Nun komm schon!«

      Das Mädchen raffte seinen Rock zusammen und stieg schnell die wenigen Sprossen hinab. »Du meinst wirklich?«

      »Himmelherrgottsakra, sei doch net so feig! Auf geht’s!«

      Xaver fackelte nicht lang herum, packte Josepha bei der Hand und zog sie im Laufschritt hinter sich her.

      »Sepherl!« Roserl flog dem Mädchen an den Hals. »Oh, Sepherl! Du hast mich net vergessen!«

      Xaver griff nach dem Kehrwisch und stellte sich vor die halbgeöffnete Stalltür.

      »Mein Liebes!« Josepha traten die Tränen in die Augen. »Bist du wieder ganz gsund?«

      »Schon lang. Bleibst du jetzt bei mir, Sepherl? Du hast mir so gefehlt!« Das Kind schmiegte sich eng an ihren Leib.

      Josepha kam nicht mehr dazu, zu antworten. Als sie aufschaute, blickte sie geradewegs in die glühenden Augen des stattlichen Burschen, der ihr Herz fast stillstehen ließ.

      Wortlos kam Martin auf das Mädchen zu, legte eine Hand auf Roserls Kopf, die andere auf Josephas schmale Schulter. Er sah einen Augenblick lang die Furcht in ihren hellen Augen, lächelte sie warm an und sagte ihr ohne Worte, daß sie willkommen war!

      »Wie – wo ist Xaver?« fragte Sepherl verwirrt.

      »Ich hab ihn fortgeschickt!« zwinkerte Martin.

      »Du hast ihn fortgeschickt!« plapperte das Mädchen wie hypnotisiert nach.

      »Vater, Sepherl ist wieder da! Sie hat versprochen, daß sie bei mir bleibt!« Roserl zerrte ungeduldig am Arm des Vaters.

      Martin nahm sein Töchterl frohen Herzens auf den Arm, ehe er Josepha aufforderte: »Laß uns ins Haus gehn, Sepherl, Mutter und Vater werden sich freuen!«

      Josepha kannte sich mit ihren verwirrten Gefühlen nicht mehr aus. Sie war auf ein Donnerwetter gefaßt gewesen, auf Vorwürfe, auf alles mögliche, nur nicht darauf.


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