Geschichte des Zeitalters der Entdeckungen. Sophus Ruge

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Geschichte des Zeitalters der Entdeckungen - Sophus Ruge


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      Um dieselbe Zeit machten auch mehrere Mitglieder des königlichen Hauses von Armenien bedeutende Reisen nach dem innern Hochlande von Asien. Das damals noch selbständige Königreich von Klein-Armenien war, von den Seldschucken in Kleinasien und den ägyptischen Ehubiden eingeengt, auf den östlichen Theil der Südküste Kleinasiens beschränkt. Der König Hayton oder Hethum I. beschloß, um sich mit der immer näher drohenden mongolischen Macht friedlich abzufinden, seinen Bruder Sempad oder Sinibald abzusenden, um den Großchan Kuyuk bei seiner Thronbesteigung ebenfalls zu begrüßen. Prinz Sempad war vier Jahre unterwegs. Ein Brief von ihm, wahrscheinlich von Samarkand aus an den König von Cypern gerichtet, ist uns erhalten. Darin wird erzählt, daß die mongolische Macht sich schon über fast ganz Asien ausgedehnt habe, und daß verschiedene Chane in Indien und China (Chata), in Kaschgar und Tauchat (Tangut) herrschen. Dieses letztere Land hielt Sempad für dasjenige, aus dem die drei Könige des Morgenlandes nach Bethlehem gekommen seien, um das Christkind anzubeten.

      Acht Jahre später, 1254, machte sich König Hayton selbst auf den Weg, und brachte dem Nachfolger Kuyuks, Mangkukaan zu seiner Thronbesteigung seine Glückwünsche dar, um sich auch ferner ein gutes Einvernehmen mit den Mongolen zu sichern. Hayton schlug den Weg durch Kleinasien und Armenien ein, besuchte erst den mongolischen Heerführer Batschu (Batschu Noian) in Kars, wandte sich dann zum kaspischen Meere, umging den Kaukasus durch den Paß von Derbend und traf mit Batu und seinem Sohne Sartasch an der Wolga zusammen. Von hier nahm der König einen etwas nördlicheren Weg als Piano di Carpine und der Sendling Ludwig des Heiligen, Rubruck, der mit ihm in demselben Jahre die weite Steppenreise nach Karakorum vollendete. In der mongolischen Residenz, wohin er am 13. September gelangte, ward ihm eine ehrenvolle Aufnahme zu Theil; nach einem Aufenthalte von 6 Wochen nahm er am 1. Nov. Abschied und kehrte auf dem südlichen Wege durch die Dsungarei, über Otrar, Samarkand und Bochara und weiter durch Nordpersien und Armenien in seine Heimat zurück. Hayton weiß manches Interessante über die Völker Ostasiens zu berichten, natürlich stehen die Chinesen (Chataier) in erster Reihe. Von ihrem Cultus weiß er, daß sie ein Götzenbild, namens Schakemonia (Sakya-Muni), d. h. also Buddha anbeten.

      Endlich haben wir hier noch eines dritten Mitgliedes der königlichen Familie zu gedenken, des Prinzen Hayton von Gorigos, der auch durch politische und kriegerische Verhältnisse weit nach Osten geführt wurde, später nach einem bewegten Leben sich in ein Kloster auf Cypern zurückzog und von hier aus als Mönch dem Pabste Clemens V. in Avignon einen Besuch abstattete. Der Pabst verlieh ihm die Prämonstratenser Abtei in Poitiers. Dort dictirte er dem Nicolaus Salconi eine Geographie von Asien und eine Geschichte der Mongolenfürsten in französischer Sprache, worauf Salconi dieselbe 1307 ins Lateinische übersetzte. Es ist die erste systematische Geographie von Asien, die wir aus dem Mittelalter besitzen; und da dieselbe im Abendlande niedergeschrieben war, fand sie bald weitere Verbreitung, namentlich in den Klöstern, wo man sich für die Thaten der Ordensbrüder lebhaft interessirte. Der prinzliche Mönch beginnt mit China. Dieses erste Capitel darf als das wichtigste bezeichnet werden, wenn auch die Züge der Darstellung allgemein gehalten sind. Cathai ist danach das größte Reich der Welt, voll Volks und voll Reichthums und liegt am Gestade des Oceans, welcher mit unzähligen Inseln besäet ist. Die Chinesen sind überaus geschickt und verachten alle andern Nationen, welche an Kunstfertigkeit ihnen nachstehen. Darum behaupten sie auch, sie allein hätten zwei Augen, die Lateiner, das heißt die Völker des Abendlandes, besäßen nur ein Auge und alle andern Nationen seien blind. Ihre Geschicklichkeit ist ganz erstaunlich und die Erzeugnisse ihres Gewerbfleißes sind bewunderungswürdig. Die Cathaier haben kleine Augen und von Natur keinen Bart. Ihre Schrift hat Hayton nicht verstanden, denn er meint, die chinesischen Buchstaben kämen an Schönheit der lateinischen Schrift gleich. Besser ist sein Urtheil über das religiöse Leben; treffend bemerkt er, die Chinesen hätten kein Verständniß für geistliche Dinge. Auch ihre Tapferkeit kann er nicht rühmen. Merkwürdig ist das Papiergeld, das mit dem rothen kaiserlichen Stempel versehen, überall im Lande cursirt und wenn es abgenutzt ist, in der Staatsbank gegen neues Papier eingewechselt wird.

      Westlich von China liegt das Reich Tarse. Da dasselbe als von Uiguren bewohnt bezeichnet wird, so läßt sich die Localität mit ziemlicher Gewißheit angeben, wenn der Name auch noch nicht befriedigend erklärt ist. Tarse liegt zwischen China und Turkestan, demnach im Gebiet des Tarim. Hayton kennt die eigenthümliche uigurische Schrift, welche bei den Chinesen bereits seit dem 6. Jahrhundert Erwähnung gefunden, bewundert die großen Tempel im Lande und rühmt die Städte und die Fülle des Getreides. Weiter westwärts folgt das Hirtenland Turkestan und die von Wüsten umgebene Oase Chorasmien (Chiwa); sodann wird das kaspische Meer für den größten Landsee der Welt erklärt und ausdrücklich hervorgehoben, daß dasselbe keine Verbindung mit dem Ocean habe. Das Hauptland im südlichen Asien ist Indien; die dazu gehörigen Inseln sind reich an Edelgestein, Gold, Perlen und Specereien, besonders reich ist die Insel Selan (Ceylon).

      Die Halbinselgestalt des Landes wird richtig angedeutet, auch ist dem Armenier bekannt, daß im südlichen Indien schwarze Menschen (Dravida) leben. Combaech (Cambaya) gilt als bedeutender Handelsplatz.

      Auf die westlichen Länder Asiens richten wir den Blick nicht weiter; es genügt, zu zeigen, daß sich der Osten der alten Welt wenigstens in allgemeinen Zügen wieder zu entschleiern begann.

      Bedeutender als alle bisher geschilderten Missionen war die Entsendung des Franziskaners Wilhelm Rubruck nach Karakorum. Zwar wurden die bereits betretenen Gebiete wiederum durchstreift und somit räumlich keine namhafte Erweiterung der Erdkunde erzielt; allein der Werth liegt hier in dem vortrefflichen Reiseberichte, der an Schärfe der Beobachtung, Sicherheit des Urtheils und Treue der Darstellung, unbeirrt durch falsche Vorstellungen oder Vorurtheile, als die vollendetste Leistung mittelalterlicher Reiseberichte zu bezeichnen ist.

      Die Veranlassung zu dieser erneuten Botschaft an den Hof der Mongolenfürsten gab der Kreuzzug Ludwig des Heiligen 1248–1254. Nach dem verhängnißvollen Feldzuge gegen Aegypten hatte sich der französische König nach Palästina gewendet. Hier beschloß er zwei Gesandtschaften zum Großchan abzuordnen, die auf verschiedenen Wegen durch Armenien, Persien und Turan einerseits und durch Südrußland und die Kirgisensteppe andererseits demselben Ziele zusteuerten. Die erste Sendung führte der Ordensbruder Andreas, von dessen Reise sich leider kein Bericht erhalten hat, die zweite ging unter Rubruck und Bartholomäus von Cremona ab.

      Wilhelm von Rubruck (Ruysbruck, Rubruquis), gebürtig aus dem Dorfe Rubruck im Departement du Nord in Nordfrankreich, erhielt die Leitung und empfing die königlichen Briefe zu St. Jean d’Acre. Zunächst sollte er den tatarischen Fürsten Sartasch, der mit seiner Horde diesseits der Wolga lagerte, aufsuchen. In Palästina ging damals die Rede, Sartasch sei Christ. Ludwig der Heilige sprach in seinem Briefe den Wunsch aus, die Lehre Christi weiter in Asien verbreitet zu sehen. Rubruck schiffte sich im Frühling 1253 in St. Jean d’Acre ein nach Konstantinopel, segelte über das schwarze Meer und landete im Hafen Soldaia (jetzt Sudak) an der Südküste der Krim, südwestlich von Kaffa. Das war der gewöhnliche Ausgangspunkt abendländischer Kaufleute, welche mit den unter mongolischer Herrschaft stehenden Ländern verkehrten. Hier bot sich darum die beste Gelegenheit, die geeigneten Vorbereitungen zu einer längeren Steppenreise zu treffen. Auf Anrathen der Kaufleute kaufte sich Rubruck hier vier von Ochsen gezogene, gedeckte Reisewagen für sein Gepäck, für Vorräthe und Geschenke. Auf diese Weise, hieß es, sei er der Mühe überhoben, die Lastthiere alle Morgen beladen und alle Abend entlasten zu müssen. Allerdings erforderte auf diese Art die Reise die doppelte Zeit, um nach Sartasch zu kommen, nämlich zwei Monate statt eines.

      Am 1. Juni brach die Karawane auf, die Reisenden selbst mit ihren Dienern zu Pferde, unter den letzteren ein Turkomane als Dolmetscher.

      Eine Wahrnehmung, welche Rubruck noch an der Südküste der Krim machte, hat ethnologisches Interesse. Damals lebten an jenem malerischen Strande noch Gothen, welche auch ihre Sprache noch beibehalten hatten. Rubruck selbst, von der Grenze germanischer Zunge stammend, hat sicher ganz recht gehört, wenn er die Sprache jener Gothen teutonisch nennt. Der germanische Laut scheint erst im 18. Jahrhundert dort gänzlich verstummt zu sein. Ueber das wald- und wasserreiche Gebirge und eine weite Steppe kamen die Sendboten des heiligen Ludwig in 5 Tagen zur Landenge von Perekop. In der Steppe erschienen die ersten Tataren. Ihre Lebensweise,


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