Friedrich Schiller: Literatur- und theatertheoretische Essays. Фридрих Шиллер

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Friedrich Schiller: Literatur- und theatertheoretische Essays - Фридрих Шиллер


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dir mit entscheidender Gewißheit zu sagen, du stehest vor einem Unsterblichen. Die reizendste Jünglingsfigur, die sich eben jezt in den Mann verliert, Leichtigkeit, Freiheit, Rundung, und die reinste Harmonie aller Theile zu einem unnachahmlichen Ganzen, erklären ihn zu dem ersten der Sterblichen, Kopf und Hals verrathen den Gott. Diese himmlische Mischung von Freundlichkeit und Strenge, von Liebenswürdigkeit und Ernst, Majestät und Milde, kann keinen Sohn der Erde bezeichnen. Die hochgewölbte Brust ist nach dem übereinstimmenden Gefühl aller Künstler die vollkommenste, die je ein Maisel geschaffen hat; Schenkel und Füße ein Muster der edelsten Schönheit. Den geübtesten Zeichner wird es ermüden, die herrlichen Formen, die durch kontrastierende Schlangenlinien ineinander schmelzen, nur für das Aug nachzuahmen; denn der griechische Meister hat eben so delikat für das Gefühl gearbeitet; das Auge erkennt die Schönheit, das Gefühl die Wahrheit. Die leztere ist der ersteren untergeordnet, und obgleich kein Muskel vergessen ist, so hat doch der Künstler die feinere Nüancen dem Gesicht entzogen, und der Berührung vorbehalten. Die Statue schwebt – alle Muskeln wirken aufwärts, und scheinen sie sichtbar empor zu tragen. Der Künstler ergriff den Augenblick, wo der zürnende Gott auf den Drachen Python einen Pfeil abgeschossen hatte. Der rechte Arm fliegt eben vom Bogen zurück, der linke behält noch einige Härte und Spannung. – Im Auge ist hoher Unwille und feste Zielung, in der hervortretenden Unterlippe Verachtung des Ungeheuers, in dem schlank gestreckten Halse Triumph und göttliche Ehre.

      Das ist Foebos, welchen die Götter im Hause Cronions

       fürchten, dem sie sich alle von ihren Sizen erheben,

       wenn er sich naht, und wenn er spannt den stralenden Bogen.

      Homers Hymnen.

      In Absicht des Stils kann dieser Apollo dem Torso und Laokoon nachgesezt werden, aber der gefühlvolle Kenner vergißt diese Vernachläßigung im Genusse höherer Schönheit.

      Eine der vorzüglichsten Statuen, ist ein sterbender Sohn der Niobe, den Apollo erschossen hat. Der Kopf gleicht ganz in die Niobische Familie – edel und rührend ist der Ausdruck des Sterbens in seinem Gesichte; die Brust besonders ist in großen und schönen Maßen emporgetrieben, der untere Leib sinkt mit sehr vieler Wahrheit unter den lezten Krämpfen des Todes. Der Stil ist markigt, und hat mit dem äußerst delikaten Stil des Kastor und Pollux sehr viel ähnliches.

      Unter die besten Stücke in diesem Saal zähle ich noch den Antinous; Schade, daß durch einen fehlerhaften Abguß die Figur nach den Hüften und Schenkeln zu ein wenig krumm geworden; den borghesischen Fechter, eine Figur, woran ich vorzüglich die Wahrheit des Muskelspiels bewundre, die Zwillinge Kastor und Pollux, Kaunus und Biblis, den Faun, den Schleifer, besonders wegen dem forschenden Ausdruck des Gesichts, und der Formen seiner beiden Arme, den Hermaphrodit, die medizäische Venus, den sterbenden Fechter, den Römer Germanikus, und noch einige andre, von denen ich dir in meinem nächsten Brief mehr sagen werde.

      Merkwürdig waren mir auch die Büsten der großen Griechen und Römer, der Kopf eines sterbenden Alexanders, der Niobe, einer Tochter der Niobe, der Kleopatra, des Nero und Kaligula, der Faustina und einige mehr. Der Zufall hatte den blinden Homeruskopf und den Kopf des Herrn von Voltaire nebeneinander gestellt. – Ich weiß keine beißendere Satire auf unser Zeitalter. Voltaire – ich glaube, daß man das jezt in Deutschland laut sagen darf – Voltaire war ein wahrhaftig großer Geist, aber warum war mir sein Kopf in dieser Gesellschaft so lächerlich?

      Ich werfe noch einen Blick auf diese Statuen.

      Warum zielen alle redende und zeichnende Künste des Alterthums so sehr nach Veredlung?

      Der Mensch brachte hier etwas zu Stande, das mehr ist, als er selbst war, das an etwas größeres erinnert, als seine Gattung – beweißt das vielleicht, daß er weniger ist, als er seyn wird? – So könnte uns ja dieser allgemeine Hang nach Verschönerung jede Spekulation über die Fortdauer der Seele ersparen. – Wenn der Mensch nur Mensch bleiben sollte – bleiben könnte, wie hätte es jemals Götter, und Schöpfer dieser Götter gegeben?

      Die Griechen philosophierten trostlos, glaubten noch trostloser, und handelten – gewiß nicht minder edel als wir. Man denke ihren Kunstwerken nach, und das Problem wird sich lösen. Die Griechen mahlten ihre Götter nur als edlere Menschen, und näherten ihre Menschen den Göttern. Es waren Kinder einer Familie.

      Ich kann diesen Saal nicht verlassen, ohne mich noch einmal an dem Triumph zu ergözen, den die schöne Kunst Griechenlands über das Schicksal einer ganzen Erdkugel feiert. Hier stehe ich vor dem berühmten Rumpfe, den man aus den Trümmern des alten Roms einst hervorgrub. In dieser zerschmetterten Steinmasse ligt unergründliche Betrachtung – Freund! Dieser Torso erzählt mir, daß vor zwei Jahrtausenden ein großer Mensch da gewesen, der so etwas schaffen konnte – daß ein Volk da gewesen, das einem Künstler, der so etwas schuf, Ideale gab – daß dieses Volk an Wahrheit und Schönheit glaubte, weil einer aus seiner Mitte Wahrheit und Schönheit fühlte – daß dieses Volk edel gewesen, weil Tugend und Schönheit nur Schwestern der nemlichen Mutter sind. – Siehe Freund, so habe ich Griechenland in dem Torso geahndet.

      Unterdessen wanderte die Welt durch tausend Verwandlungen und Formen. Trone stiegen – stürzten ein. Festes Land trat aus den Wassern – Länder wurden Meer. Barbaren schmolzen zu Menschen. Menschen verwilderten zu Barbaren. Der milde Himmelstrich des Peloponnes entartete mit seinen Bewohnern – wo einst die Grazien hüpften, die Anakreon scherzten, und Sokrates für seine Weißheit starb, waiden jezt Ottomannen – und doch, Freund, lebt jene goldene Zeit noch in diesem Apoll, dieser Niobe, diesem Antinous, und dieser Rumpf ligt da – unerreicht – unvertilgbar – eine unwidersprechliche ewige Urkunde des göttlichen Griechenlands, eine Ausfoderung dieses Volks an alle Völker der Erde.

      Etwas geschaffen zu haben, das nicht untergeht, fortzudauren, wenn alles sich aufreibt, rings herum – O Freund, ich kann mich der Nachwelt durch keine Obelisken, keine eroberte Länder, keine entdeckte Welten aufdringen – ich kann sie durch kein Meisterstück an mich mahnen – ich kann keinen Kopf zu diesem Torso erschaffen, aber vielleicht eine schöne That ohne Zeugen thun!

      Dom Karlos

       Infant von Spanien

       Inhaltsverzeichnis

       Personen des ersten Akts

       Erste Verwandlung

       Erster Auftritt

       Zweiter Auftritt

       Zwote Verwandlung

       Dritter Auftritt

       Vierter Auftritt

       Fünfter Auftritt

       Sechster Auftritt

       Siebenter Auftritt

       Achter Auftritt

       Neunter Auftritt


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