Gesammelte Erzählungen von Rudyard Kipling (116 Titel in einem Band). Rudyard 1865-1936 Kipling

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Gesammelte Erzählungen von Rudyard Kipling (116 Titel in einem Band) - Rudyard 1865-1936 Kipling


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      Der Tag brach an, und der Sambar röhrt

       Einmal – zweimal und wieder.

       Eine Hindin sprang auf – eine Hindin sprang auf

       Im tiefen Grunde am Wasserlauf –

       Dies hab’ ich auf einsamer Pirsch gehört

       Einmal – zweimal und wieder.

      Der Tag brach an, und der Sambar röhrt

       Einmal – zweimal und wieder.

       Und ein Wolf schlich zurück – und ein Wolf schlich zurück,

       Dem Rudel zu künden von Beute und Glück.

       Und wir bellten und suchten und fanden die Spur

       Einmal – zweimal und wieder.

      Der Tag brach an, und das Rudel heult auf

       Einmal – zweimal und wieder.

       Füße in der Dschungel, spurlos und leis’

       Aug’, das im Dunkel zu sehen weiß!

       Bleckender Fang und rasender Lauf!

       Einmal – zweimal und wieder.

      Kaas Jagdtanz

       Inhaltsverzeichnis

      Es prunkt in hell schillernden Farben

       der scheckige Leopard,

       Stolz ist der mächtige Büffel

       auf Hörner gewaltiger Art,

       … Doch willst du als Jäger bestehen,

       halt glänzend den eigenen Pelz,

       Denn Jugendstärke verkündet

       des prächtigen Felles Schmelz.

       … Und schleudert der kämpfende Büffel

       den Feind zur Wolke hinauf,

       Und spießt der schnaubende Sambar

       den Gegner in rasendem Lauf:

       Das brauchst du uns nicht mehr zu melden,

       wir wissen’s aus uralter Zeit.

       Verschone das fremde Junge

       und füge ihm zu kein Leid.

       Nein, grüß es als Schwester und Bruder,

       auch wenn es noch wehrlos und klein,

       Es könnte die starke Bärin

       des Kleinen Mutter sein.

       »Ich bin in der Dschungel der Stärkste!«

       ruft prahlend ein junges Blut

       Nach dem ersten errungenen Siege

       in törichtem Übermut!

       Doch groß ist die herrliche Dschungel,

       und klein ist das prahlende Kind,

       Bald wird es wachsen und wissen,

       wer hier die Mächtigen sind.

       Bis dahin laß es schwatzen,

       wie es nun immer will, …

       Bald fühlt es Zähne und Tatzen,

       dann wird’s von selber still.

       Balus Lehrsätze

      Was hier erzählt wird, geschah in der Zeit, bevor Mogli aus dem Sioni-Wolfspack ausgestoßen wurde und ehe er an Schir Khan, dem Tiger, Rache nahm.

      Es war in den Tagen, als Balu das Menschenjunge das Gesetz der Dschungel lehrte. Der große, würdige alte Bär freute sich, einen so gelehrigen Schüler zu haben; denn junge Wölfe wollen nur so viel von dem Dschungelgesetz lernen, als unbedingt nötig ist für das eigene Rudel, und laufen von dannen, sobald sie den Jagdspruch hersagen können: »Füße, die geräuschlos traben, Augen, die im Dunkeln sehen, Ohren, die den Wind hören, Zähne, die wie Messer schneiden – das sind die Zeichen unserer Brüder; ausgeschlossen nur sind die Hyäne und Tabaqui, der Schakal, die verhaßten.«

      Aber Mogli, das Menschenjunge, hatte ein ganz Teil mehr zu lernen. Manchmal kam Baghira, der schwarze Panther, durch das Dickicht geglitten, um zu sehen, was sein Liebling für Fortschritte mache, dann schnurrte er und rieb seinen Kopf an Moglis Knie, während der Knabe seine Aufgabe hersagte. Mogli war bald im Schwimmen, Klettern und Laufen Meister, der es in den Bäumen beinahe den Affen gleichtat und im Teiche mit den Fischen um die Wette schwamm. Darum lehrte ihn der weise Balu die Wasser-und Waldgesetze; er zeigte ihm, wie er dürre Äste von gesundem Holz unterscheiden konnte, wie er mit den wilden Bienen höflich sprechen müsse, wenn er ihrem Schwarm unversehens fünfzig Fuß über der Erde begegne, wie er sich zu entschuldigen habe, wenn er Mang, die Fledermaus, beim Mittagsschlaf störe, und wie er die Wasserschlangen benachrichtigen müsse, bevor er in die Sümpfe und Teiche hineinplatsche. Die Dschungelvölker haben es nicht gerne, daß man sie aus ihrer Ruhe aufschreckt, und stürzen sich leicht blindlings auf den Störenfried. Auch lernte Mogli den Jagdruf des Fremdlings, den man, falls man in fremden Gründen jagen will, so lange wiederholen muß, bis Antwort erschallt. Der Ruf lautet: »Laßt mich hier jagen, denn leer ist mein Magen.« Und die Antwort ist: »Jag, um den Hunger zu stillen – nicht um des Vergnügens willen!«

      Ja, unendlich viel hatte Mogli zu lernen, und oftmals ermüdete es ihn, hundertmal den gleichen Spruch zu wiederholen. Das half ihm jedoch nichts, denn, wie Balu eines Tages zu Baghira sagte, als Mogli nach einer Züchtigung bockig davongerannt war: »Menschenjunges ist Menschenjunges, und alle Gesetze der Dschungel muß er lernen.«

      »Aber bedenke doch, wie klein er ist!« meinte der schwarze Panther, der – wäre es nur nach ihm gegangen – Mogli ganz und gar verzogen hätte. »Wie kann denn in seinem kleinen Kopfe für all dein langes Gerede Raum sein!«

      »Klein? Ist in der Dschungel irgend etwas zu klein, um getötet zu werden, wie? Darum lehre ich ihn alles das beizeiten, darum schlage ich ihn bisweilen – nur ein wenig und ganz sanft –, wenn er vergißt.«

      »Sanft! Was verstehst du denn von Sanftheit, alter Eisenfuß!« grollte Baghira. »Ganz braun und blau war sein Gesicht heute morgen – von deinem Sanftsein. Uff!«

      »Besser, er hat jetzt ein paar blaue Flecke, als daß er später durch Unwissenheit zu Schaden kommt!« antwortete Balu sehr ernst, »denn ich habe ihn lieb. Jetzt lehre ich ihn gerade die Meisterworte, Urworte der Völker der Dschungel, die ihm Schutz gewähren bei Vögeln und Schlangenvolk und bei allem, was vierfüßig auf dem Erdboden jagt. Wenn er die Worte behält, dann kann er bei allen Völkern der Dschungel Schutz und Hilfe heischen. Ist das nicht ein paar Schläge wert?«

      »Na, paß nur auf, daß du das Menschenjunge nicht totschlägst. Er ist kein Baumstamm, an dem du deine stumpfen Krallen schärfen kannst. Übrigens, wie heißen denn deine prächtigen Meisterworte? Zwar bin ich gewöhnt, eher Hilfe zu gewähren, anstatt sie zu suchen«, Baghira reckte und streckte die Pranke und blickte voll Stolz auf die stahlblauen, eisenstarken Krallen – »doch möchte ich die Worte ganz gern kennen.«

      »Ich werde Mogli rufen, er soll sie sprechen – das heißt, falls er will. Komm her, kleiner Bruder!«

      »Mein Kopf brummt mir wie ein Bienenstock«, tönte eine mürrische Stimme über ihnen; gleich darauf raschelte es im Blattwerk, und Mogli glitt den Baumstamm herab. Er machte ein ärgerliches Gesicht und sagte trotzig: »Nur Baghira zuliebe komme ich und nicht deinetwegen, alter fetter Balu!«

      »Das macht mir nichts«, sagte Balu, obgleich er sich gekränkt fühlte. »Sage also deinem Baghira die Meisterworte der Dschungel, die du heute gelernt hast!«

      »Meisterworte welches Volkes?« fragte Mogli, im Grunde froh, sein Wissen zeigen zu können. »Viele Sprachen hat die Dschungel. Ich weiß sie alle.«

      »Ein paar weißt du, aber längst


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