Die wichtigsten Werke von Leo Tolstoi. Leo Tolstoi

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Die wichtigsten Werke von Leo Tolstoi - Leo Tolstoi


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sagte Peter. »Ich gehe auf den Hügel! Kann ich?«

      »Ja, gehen Sie nur dahin, von dort aus können Sie alles sehen, und es ist auch nicht so gefährlich dort. Ich werde Sie später abholen.«

      Peter ging zu der Batterie, während der Adjutant weiterritt. Sie sahen sich nicht wieder, und erst viel später erfuhr Peter, daß dem Adjutanten an diesem Tag ein Arm abgerissen worden war.

      Der Hügel, auf welchen Peter zuging, war jene berühmte Stelle, welche später bei den Russen als Hügelbatterie, oder Batterie Rajewsky berühmt wurde, und welche die Franzosen die große Redoute nannten und für den wichtigsten Punkt der Stellung ansahen.

      Die Redoute war auf drei Seiten von Gräben umgeben und enthielt zehn Kanonen. In derselben Linie mit der Batterie standen zu beiden Seiten Kanonen, welche gleichfalls beständig feuerten. Etwas hinter den Kanonen stand Infanterie. Als Peter sich dieser Batterie näherte, ahnte er nicht, daß dieselbe der wichtigste Punkt des Schlachtfeldes war, im Gegenteil, er war der Meinung, daß sie von ganz geringer Bedeutung wäre.

      Als er die Höhe des Hügels erreichte, setzte sich Peter am Ende des Grabens nieder, welcher die Batterie umgab, und mit einem freudig erregten Lächeln beobachtete er, was um ihn her vorging. Zuweilen stand er auf und ging in der Batterie umher. Er bemühte sich, den Soldaten nicht hinderlich zu sein, welche die Kanonen luden und nach vorn schoben oder mit Patronen und Kugeln beständig an ihm vorüberliefen. Die Kanonen dieser Batterie feuerten stets eine nach der anderen unter betäubendem Kanonendonner und hüllten die ganze Umgebung in Pulverdampf. Die Erscheinung der unkriegerischen Gestalt Peters mit dem weißen Hut schien anfangs unangenehmes Erstaunen zu erregen. Ein älterer Artillerieoffizier mit langen Beinen blickte ihn neugierig an. Ein kleines Offizierchen mit rundem Gesicht, fast noch ein Knabe, der eben erst aus dem Kadettenkorps gekommen sein mußte, redete Peter streng an.

      »Mein Herr, gehen Sie aus dem Wege! Hier können Sie nicht bleiben!«

      Auch die Soldaten blickten Peter anfangs mißfällig an, aber als sie sahen, daß dieser Mensch mit dem weißen Hut nichts Böses tat, sondern friedlich an einer Ecke des Walles saß oder mit schüchternem Lächeln jedem aus dem Wege ging und in der Batterie so ruhig umherspazierte wie auf der Promenade, ging ihre mißfällige Verwunderung in eine humoristische Freundlichkeit über, ähnlich derjenigen, welche die Soldaten für Hunde, Hähne, Ziegen und andere Tiere zeigen, die sich ihnen anschließen. Sie nahmen Peter in ihre Familie auf, gaben ihm den Zunamen »unser Barin«, unser Herr, und lachten über ihn. Zwei Schritte von Peter riß eine Kanonenkugel die Erde auf, er schüttelte die Erdschollen von sich und blickte sich lächelnd um.

      »Und Sie fürchten sich nicht, Herr?« fragte ein breitschulteriger Soldat mit rotem Gesicht, seine weißen Zähne zeigend.

      »Fürchtest du dich denn?« fragte Peter.

      »Nun, natürlich«, erwiderte der Soldat. »So ein Ding verschont nichts! Wenn es in den Leib fährt, wirft es die Eingeweide heraus. Wie sollte man sich nicht fürchten?« sagte er lachend.

      Einige Soldaten sahen ihn vergnügt an. Sie schienen nicht erwartet zu haben, daß er ebenso spreche wie alle, eine Entdeckung, über die sie erfreut waren.

      »Wir sind Soldaten, aber so ein Herr – das ist doch merkwürdig!«

      »An die Geschütze!« schrie der kleine Offizier den Soldaten zu, die sich um Peter sammelten. Er schien zum erstenmal zu kommandieren und beobachtete daher eine ganz besondere Pünktlichkeit.

      Das Geschütz-und Gewehrfeuer verstärkte sich auf dem ganzen Feld, besonders links hin bei den Verschanzungen Bagrations. Peter stand am Rande des Grabens und beobachtete das Treiben in der Batterie. Um zehn Uhr waren schon zwanzig Mann fortgetragen worden, zwei Geschütze waren außer Gefecht gesetzt und immer häufiger fielen Geschosse in die Batterie. Aber die Soldaten schienen es nicht zu bemerken und unterhielten sich mit heiteren Scherzreden.

      »Du da«, rief ein Soldat, »nicht hierher! Geh dort zur Infanterie!«

      »Ist es eine Bekannte?« fragte lachend ein anderer Soldat seinen Kameraden, der sich vor einer vorüberfliegenden Granate tief verneigt hatte.

      Einige Soldaten blickten über den Wall hinüber.

      »Die Kette ist zurückgezogen, siehst du!« sagte der eine.

      »Kümmert euch um euch!« rief ihm ein alter Unteroffizier zu. »Wenn sie zurückgegangen sind, so haben sie wahrscheinlich hinten etwas zu tun.«

      »Ach, unserem Barin hätte es beinahe den Hut abgerissen!« sagte lachend ein Spaßvogel.

      »Ach, wie ungeschickt!« rief ein anderer vorwurfsvoll einer Kanonenkugel zu, welche ein Rad zerschlagen und einem Kanonier ein Bein abgerissen hatte. »Nun, ihr Füchse«, rief ein anderer den Landsturmleuten zu, welche den Verwundeten abzuholen kamen, »das ist wohl nicht nach eurem Geschmack?« – Um zehn Uhr zog sich die Infanterie zurück, welche vor der Batterie im Gebüsch und an dem Flüßchen Kamenka gelegen hatte. Von der Batterie aus konnte man sehen, wie sie nach rückwärts vorüberliefen und auf den Gewehren die Verwundeten trugen. Ein General kam mit seiner Suite in die Batterie, sprach mit dem Obersten und blickte Peter zornig an. Dann ging er wieder den Hügel hinab, nachdem er der Bedeckung befohlen hatte, sich niederzulegen, um sich den Schüssen weniger auszusetzen. Dann hörte man Trommelschläge und Kommandorufe bei der Infanterie, rechts von der Batterie, und man sah, wie die Infanterie sich wieder vorwärts bewegte. Peter blickte über den Wall. Die Reihen der Infanterie verschwanden im Rauch. Man hörte ihr gedehntes Geschrei und hastiges Schießen. Nach einigen Minuten kamen Verwundete vorüber und andere wurden auf Tragbahren getragen. Noch häufiger fielen Geschosse in die Batterie, wo einige Tote lagen. Die Soldaten arbeiteten noch lebhafter an den Geschützen. Niemand achtete mehr auf Peter. Zweimal wurde er heftig angeschrien, weil er jemand im Wege war. Der alte Offizier ging mit finsterem Gesicht und großen Schritten von einem Geschütz zum anderen.

      Eine drohende Wolke näherte sich. Peter stand neben dem älteren Offizier, und das junge Offizierchen kam mit der Hand am Tschako auf seinen Vorgesetzten zugelaufen.

      »Habe die Ehre, zu melden, Herr Oberst, daß wir nur noch acht Schüsse haben. Befehlen Sie, das Feuer fortzusetzen?« fragte er.

      »Kartätschen!« rief der Oberst, ohne zu antworten, nachdem er über den Wall geblickt hatte. Plötzlich ging etwas vor. Der kleine Offizier stöhnte und ließ sich zur Erde nieder, wie ein Vogel, der im Fluge getroffen wurde. In den Augen Peters wurde alles sonderbar unklar. Eine Kugel nach der anderen fuhr pfeifend in die Brustwehr unter die Soldaten und Kanonen, seitwärts von der Batterie liefen Soldaten mit Hurrageschrei nicht vorwärts, sondern rückwärts, wie es Peter schien. Eine Kanonenkugel schlug neben Peter ein und überschüttete ihn mit Erde. Ein schwarzer Ball flog an seinen Augen vorüber und schlug gleich darauf in etwas ein. Die Landsturmleute, welche in der Batterie waren, liefen davon. »Kartätschen!« schrie der Oberst wieder. Der Unteroffizier kam auf den Oberst zugelaufen und sagte mit ängstlichem Flüstern, wie ein Haushofmeister, der dem Herrn meldet, es sei kein Wein mehr da – es seien keine Geschosse mehr da.

      »Halunken! Was habt ihr gemacht?« schrie der Offizier. »Laufe zu den Reserven! Bringe einen Pulverwagen her!« rief er zornig.

      »Ich werde gehen«, sagte Peter.

      Der Offizier gab keine Antwort und ging mit großen Schritten nach der anderen Seite. »Nicht schießen! Wartet noch!« rief er.

      Der Soldat, der den Befehl erhalten hatte, nach Munition zu gehen, stieß mit Peter zusammen.

      »Ach, Barin, hier ist kein Platz für dich«, sagte er und lief den Berg hinab. Peter eilte ihm nach. Eine, zwei, drei Kanonenkugeln flogen über ihn weg.

      »Wohin gehe ich?« fragte er sich plötzlich, als er schon bei den grünen Pulverwagen ankam. Unschlüssig blieb er stehen. Plötzlich warf ihn ein schrecklicher Stoß zur Erde. In demselben Augenblick erfolgte ein heftiger Schlag mit Krachen und Pfeifen, und ein großes Feuer flammte auf. Als Peter wieder zu sich kam, saß er auf der Erde. Der Pulverwagen, bei dem er gestanden hatte, war verschwunden, nur einige grüne, angesengte Trümmer lagen auf dem verbrannten Gras. Ein


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