Auch Zwerge werfen lange Schatten. Karl Kraus

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Auch Zwerge werfen lange Schatten - Karl  Kraus


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      Auch geistige und sittliche Qualitäten des Weibes vermögen die wertlose Geschlechtlichkeit des Mannes anzuregen. Es kann kompromittierend sein, sich mit einer anständigen Frau auf der Straße zu zeigen; aber es grenzt geradezu an Exhibitionismus, mit einem jungen Mädchen ein Gespräch über Literatur zu führen.

      Wenn ein Weib einen Mann warten lässt, und er nimmt mit einer andern vorlieb, so ist er ein Tier. Wenn ein Mann ein Weib warten lässt, und sie nimmt mit keinem andern vorlieb, so ist sie eine Hysterikerin. Phallus ex machina – der Erlöser.

      Hundert Männer werden ihrer Armut inne vor einem Weib, das reich wird durch Verschwendung.

      Die Sexualität der Frau besiegt alle Hemmungen der Sinne, überwindet jedes Ekelgefühl. Manche Gattin würde sich mit der Trennung vom Tisch begnügen.

      Wie wenig Verlass ist auf eine Frau, die sich auf einer Treue ertappen lässt! Sie ist heute dir, morgen einem andern treu.

      Ich vertraue nur jener, die den Genuss nicht allemal mit seelischer Empfängnis büßt und die jedes Erlebnis in der Wanne des Vergessens abspült.

      Sie sagte sich: Mit ihm schlafen, ja – aber nur keine Intimität!

      An allen Geschäften des Lebens ist das Weib mit seinem Geschlecht beteiligt. Zuweilen selbst an der Liebe.

      Ein Weib, dessen Sinnlichkeit nie aussetzt, und ein Mann, dem ununterbrochen Gedanken kommen: zwei Ideale der Menschlichkeit, die der Menschheit krankhaft erscheinen.

      Die Frau ist da, damit der Mann durch sie klug werde. Er wird es nicht, wenn er aus ihr nicht klug werden kann. Oder wenn sie zu klug ist.

      Ein Liebesverhältnis, das nicht ohne Folgen blieb. Er schenkte der Welt ein Werk.

      Welche Wollust, sich mit einer Frau in das Prokrustesbett seiner Weltanschauung zu legen!

      Ich stehe immer unter dem starken Eindruck dessen, was ich von einer Frau denke.

      Wenn ich eine Frau so auslegen kann, wie ich will, ist es das Verdienst der Frau.

      Der Ästhetiker: Sie wäre ein Ideal, aber – diese Hand! Der Erotiker: Sie ist mein Ideal; also müssen alle Frauen diese Hand besitzen!

      Zur Vollkommenheit fehlte ihr nur ein Mangel.

      Schönheitsfehler sind die Hindernisse, an denen sich die Bravour des Eros bewährt. Bloß Weiber und Ästheten machen eine kritische Miene.

      Eine Frau, die nicht hässlich sein kann, ist nicht schön.

      Es gibt Frauen, die nicht schön sind, sondern nur so aussehen.

      Einförmige Schönheit versagt gerade in dem Augenblick, auf den es hauptsächlich ankommt.

      Kosmetik ist die Lehre vom Kosmos des Weibes.

      Wenn Frauen, die sich schminken, minderwertig sind, dann sind Männer, die Fantasie haben, wertlos.

      Nacktheit ist kein Erotikum, sondern Sache des Anschauungsunterrichtes. Je weniger eine anhat, um so weniger kann sie der besseren Sinnlichkeit anhaben.

      Es kommt gewiss nicht bloß auf das Äußere einer Frau an. Auch die Dessous sind wichtig.

       Sexus und Eros

      Dem Sexus kommt es darauf an:

      „Weib ist Weib“ und „Mann ist Mann“.

      Eros aber deckt den Leib:

      Weib ist Mann und Mann ist Weib.

      Sucht das Tier den Unterschied,

      Paart der Geist sich, wo es flieht.

      Dem Erotiker wird das Hauptmerkmal des Geschlechts nie Anziehung, stets Hemmung. Auch das weibliche Merkmal. Darum kann er zum Knaben wie zum Weibe tendieren. Den gebornen Homosexuellen zieht das Merkmal des Mannes an, gerade so wie den „Normalen“ das Merkmal des Weibes als solches anzieht. Jack the Ripper ist „normaler“ als Sokrates.

      Perversität ist entweder eine Schuld der Zeugung oder ein Recht der Überzeugung.

      Wer da gebietet, dass Xanthippe begehrenswerter sei als Alkibiades, ist ein Schwein, das immer nur an den Geschlechtsunterschied denkt.

      Man glaubt mit einem Mann zu sprechen, und plötzlich fühlt man, dass sein Urteil aus dem Uterus kommt. Das beobachtet man häufig, und man sollte so gerecht sein, die Menschen nicht nach den physiologischen Merkmalen, die zufällig da sind, zu unterscheiden, sondern nach jenen, die fehlen.

      In der Sprachkunst nennt man es eine Metapher, wenn etwas „nicht im eigentlichen Sinne gebraucht wird“. Also sind Metaphern die Perversitäten der Sprache und Perversitäten die Metaphern der Liebe.


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