Sophienlust 144 – Familienroman. Aliza Korten

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Sophienlust 144 – Familienroman - Aliza  Korten


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Regine lächelnd. »Herr Luchs hat bestimmt richtig gehandelt.«

      »Es bleibt immerhin zu hoffen, dass die Eltern sich finden. Das kleine Mädchen wird jedoch nirgends vermisst. Auch erinnert sich in den flussaufwärts gelegenen Ortschaften niemand daran, das Kind gesehen zu haben. Eine höchst mysteriöse Geschichte.«

      »Ein armes kleines Ding.«

      »Ja, das ist auch meine Meinung. Zuerst hatte Gudrun einen Schock. Peggy hat dann nach und nach wenigstens ihren Vornamen aus ihr herausgefragt.«

      Schwester Regine lachte. »Peggy ist ein Tausendsassa. Wie alt ist Gudrun?«

      »Drei bis vier Jahre.«

      »Dann werde ich sie zu Heide Holsten ins Zimmer legen. Sicher ist es gut für die Kleine, wenn sie nicht allein schlafen muss.«

      »Das ist ein guter Vorschlag. Nun will ich Sie nicht aufhalten, denn Sie möchten zum See. Viel Spaß.«

      »Darf ich den Kindern schon etwas von Gudrun verraten?«

      »Natürlich. Das ist kein Geheimnis. Möglicherweise steht Herr Luchs mit Peggy und Gudrun schon in ein paar Stunden hier vor der Tür.«

      Denise kehrte ins Biedermeierzimmer zurück und konzentrierte sich auf die übrige Post, während Schwester Regine sich mit den Kindern auf den Weg zum See machte.

      *

      Nick hatte dem Bericht der Kinderschwester aufmerksam zugehört. Er fühlte sich für das Geschehen in Sophienlust schon durchaus verantwortlich.

      »Ich bin froh, dass Herr Luchs das Kind einfach mitbringt«, meinte er und streckte die langen Glieder in der warmen Sonne am Seeufer aus. »Wer weiß, wie die kleine Gudrun überhaupt in den Fluss gekommen ist? Bei uns ist das Kind jedenfalls sicher.«

      Schwester Regine warf ihm einen kurzen Blick zu.

      »Wie meinst du das?«

      »Na ja. Das Kind trieb hilflos im Wasser. Kein Mensch will es je gesehen haben. Da liegt doch der Gedanke an etwas Schlimmes ziemlich nahe.«

      »Deine Phantasie reicht weit, Nick«, rief die Kinderschwester aus. »Du denkst doch nicht etwa an ein Verbrechen?«

      Nick hob die Schultern. »Völlig ausschließen lässt es sich nicht, Schwester Regine.«

      »Was für ein Verbrechen, Nick?«, fragte Irmela atemlos. Sie war eben mit Pünktchen und ein paar anderen Kindern um die Wette geschwommen und schüttelte nun das lange nasse Blondhaar aus.

      »Sagen wir einmal, die Eltern hätten das Kind auf dem Brett ausgesetzt«, erklärte Nick zögernd.

      »Blödsinn. So etwas tut doch keiner. Es war bestimmt gefährlich im Katastrophengebiet. Du hast doch die Aufnahmen von der Überschwemmung im Fernsehen gesehen. Außerdem hat uns Herr Luchs sogar ein Telegramm geschickt, dass ihm und Peggy nichts passiert ist. Also muss es ziemlich arg gewesen sein. Da setzt doch kein normaler Mensch ein kleines Mädchen auf einem Brett ins Wasser.«

      »Stimmt – wenigstens theoretisch«, meinte Pünktchen, die meist dieselbe Ansicht vertrat wie Nick. »Aber praktisch bleibt die Tatsache bestehen, dass das Kind aus dem Wasser gefischt wurde und dass es niemand kennt. Das ist verdächtig.«

      »Können es nicht Touristen gewesen sein? Vielleicht sind die Eltern umgekommen bei dem Hochwasser«, schaltete Irmela sich ein.

      »Mir kommt die Geschichte nicht geheuer vor«, beharrte Nick auf seiner düsteren Behauptung. »Aber wir werden ja noch sehen, was herauskommt.«

      »Sie ist noch nicht einmal vier«, stellte Fabian etwas verächtlich fest. »Mit so einem kleinen Mädchen kann man nicht richtig spielen.«

      »Ich schon«, piepste Heidi Holsten. »Und sie wird auch in meinem Zimmer schlafen. Damit du es weißt, Fabian.«

      »Bin gar nicht neidisch«, erwiderte der Bub patzig.

      Schwester Regine griff ein. »Zankt euch nicht, Kinder. Wir freuen uns, dass ein kleines Mädchen zu uns kommt und werden alle sehr nett zu ihm sein.«

      »Klar, sind wir nett«, brummelte Fabian. »Bloß spielen kann ich halt nicht mit ihr.«

      Schwester Regine sah auf ihre Uhr. »Es ist schon spät. Wer noch einmal ins Wasser will, muss es jetzt tun. Magda wartet nicht gern mit dem Essen.«

      Eine letzte fröhliche Wasserschlacht entwickelte sich. Henrik ließ sich auf dem Wasser treiben und spielte »Gudrun im reißenden Fluss«. Fabian »rettete« ihn unter lautem Geschrei. Die größeren Kinder beobachteten dieses Treiben ein wenig herablassend. Doch auch sie beschäftigten sich in Gedanken mit dem Schicksal des kleinen Mädchens, das aus den gefährlichen Fluten gerettet worden war.

      *

      »Es ist so schön wie ein richtiges Schloss. Der Papagei Habakuk wohnt in einem goldenen Käfig im Wintergarten, und alles gehört Nick.«

      »Dem Nikolaus?«

      Peggy lachte schallend. »Nick ist ein Junge, Gudrun. Er ist schon ziemlich groß. Aber er geht noch zur Schule.«

      »Wenn er noch ein Junge ist, kann ihm das Schloss nicht gehören.«

      »Du wirst schon sehen, es gehört ihm wirklich.«

      »Ist er ein Prinz?«

      »Nein, ein ganz richtiger Junge und sehr nett. Er macht sich nichts daraus, dass ihm Sophienlust gehört. Erst wenn er erwachsen sein wird, übernimmt er es richtig. Jetzt ist dafür Tante Isi da.«

      Eugen Luchs stupste Peggy an. »Du redest und redest, Peggy. Es ist für Gudrun völlig unmöglich, sich aus deinen krausen Erklärungen einen Vers zu machen.«

      »Es stimmt also nicht, Onkel Luchs?«, fragte Gudrun scheu. »Hat Peggy bloß ein Märchen erzählt? Gibt es gar keinen Vogel, der sprechen kann?«

      »Doch, Kleines. Den Vogel werden wir dir zeigen. Wir sind nämlich gleich da. Und das Haus, das ein bisschen so ausschaut wie ein Schloss, gibt es ebenfalls. Lass dich überraschen.«

      Die dunkle gütige Stimme hatte der kleinen Gudrun schon so oft Mut gegeben. Sie vertraute dem freundlichen Mann mit dem dichten Vollbart, obwohl es ihm bisher nicht gelungen war, ihre Mutti zu finden.

      »Da ist das Haus«, schrie Peggy jetzt begeistert, sodass Balthasar erschrocken zusammenzuckte. Er war etwas geräuschempfindlich. Doch Peggy nahm darauf keine Rücksicht. Dazu war sie viel zu temperamentvoll.

      Eben tauchte das Dach des Herrenhauses von Sophienlust zwischen den dicht belaubten Bäumen auf.

      »Na, wie findest du es?«, wandte sich Peggy triumphierend an Gudrun.

      »Wie ein Schloss«, bestätigte die Kleine. »Das stimmt.«

      Wenige Minuten später hielt der große Wohnwagen vor dem Portal. Es blieb ein Rätsel, wie es möglich war, dass sofort sämtliche Sophienluster Kinder vor dem Haus erschienen, um die Heimkehrer und das neue Kind willkommen zu heißen.

      Die kleine schwarze Peggy sprang als erste aus dem Wagen, gefolgt von Balthasar, der heilfroh war, dass er nicht länger fahren musste.

      »Wir sind wieder da«, verkündete Peggy.

      »Was du nicht sagst«, spottete Henrik, der den Collie zärtlich tätschelte.

      Blitzschnell steckte Peggy dem Jungen die Zunge heraus. Henrik war zwar ihr bester Freund, doch kabbelten sich die beiden ständig.

      Eugen Luchs hob Gudrun aus dem Wagen und stellte sie mitten zwischen die Kinder.

      »So viele?«, fragte die Kleine verwundert.

      »Wohnt ihr alle im Schloss?«

      »Ein Schloss ist es nicht. Aber wir wohnen drin«, antwortete Pünktchen. »Du kannst es dir anschauen.«

      »Ich … ich möchte den Vogel sehen, der sprechen kann«, verlangte Gudrun.

      »Kannst


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