Mami Staffel 3 – Familienroman. Gisela Reutling

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Mami Staffel 3 – Familienroman - Gisela Reutling


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nickte ihr grüßend zu, ohne seine Verwirrung verbergen zu können. Was war denn mit Klaudia Waller los? Sie sah völlig verändert aus.

      Ihr Haar war kürzer, der Rock dafür viel länger, so daß sie ausgesprochen damenhaft aussah. Das schlichte dunkelblaue Ensemble verlieh ihr eine Würde, die sie fremd wirken ließ. Na ja, vielleicht war das der letzte Schrei. Woher sollte er das wissen?

      Ralf eilte hinter den anderen Kollegen her. Noch einmal sah er sich nach Kai um und stutzte. Standen sich die beiden Liebenden nicht bewegungslos wie Fremde gegenüber? Ralf grinste. Wahrscheinlich hatte Kai etwas vorschnell sein Befremden über ihre neue Frisur ausgedrückt. Und Klaudia Waller gehörte nun mal nicht zu den Frauen, die so etwas auf die leichte Schulter nahmen.

      *

      »Du willst wirklich nicht, daß ich diese Nacht bei dir verbringe?« Kai fand die Sprache erst wieder, als er in Klaudias Wagen neben ihr Platz genommen hatte. »Was ist nur los?« Weil Klaudia schwieg, fuhr er verwirrt fort. »Ehrlich gesagt, habe ich mich darauf gefreut und eingestellt. Und in meinem kleinen Appartement, das wochenlang unbewohnt war, fühle ich mich nach so langer Zeit ziemlich verlassen.« Er lächelte unsicher.

      »Ich habe meiner Putzfrau aufgetragen, bei dir für eine gewisse Gemütlichkeit zu sorgen. Der Eisschrank ist gefüllt. Sie hat dir sogar Gulasch vorgekocht. Das magst du doch?«

      »Dein Lachs und Champagner wär mir lieber. Aber… du hast wohl heute noch etwas Wichtigeres vor?«

      Klaudia mußte an einer Kreuzung halten und betrachtete die rote Ampel ausgiebig. Dann räusperte sie sich. »Ich will und kann dich nicht belügen, Kai. Es geht nicht nur um diese Nacht.« Nach bedrückendem Schweigen schaltete sie mechanisch den ersten Gang ein. »Ich habe viel über uns nachgedacht. Für uns gibt es keine Zukunft. Das ist mir in den letzten beiden Monaten klargeworden. Du warst lange fort und weißt nur zu gut, wie viel Zeit du mit diesen Noteinsätzen verplemperst. Wie oft haben wir darüber gestritten, ohne zu einer Lösung zu kommen.«

      »Gestritten? Nein, wir haben diskutiert.« Weil er den Ernst der Lage nicht erkannte, schmunzelte er. »Und du hast mich sogar überzeugt. Heute abend sollst du endlich erfahren, wozu ich mich entschieden habe, mein Engel«, meinte er leichthin und sah sie erleichtert an.

      Nichts in ihrem Gesicht rührte sich. Es fiel ihm nicht auf. Eigentlich war ihre neue Frisur gar nicht so übel. Er würde sich schon daran gewöhnen.

      Plötzlich lenkte Klaudia den Wagen an den Straßenrand und hielt an.

      »Ich habe Reinhard von Redwitz im Mai auf einer Hochzeit kennengelernt«, sagte sie leise. »Ist er dir bekannt?«

      »Redwitz? Dieser Wirtschaftsfachmann? Ja, natürlich. Wer kennt den nicht?«

      »Er ist seit zwei Jahren Witwer.«

      »So. Tut mir leid. Aber so einer findet bald Trost. Oder? Er muß fast fünfzig sein.«

      »Er ist achtundvierzig, sieht aber viel jünger aus.«

      Das ließ Kai aufhorchen. Ein Gefühl des Unbehagens ergriff ihn, das sich plötzlich in eine furchtbare Ahnung verwandelte. »Was willst du damit sagen, Klaudia?«

      »Wir sind uns in den letzten Monaten sehr nah gekommen. Ich habe es nicht fassen können, aber er hat sich in mich verliebt. Erst schreckte ich vor seinem Interesse zurück. Aber seit Wochen weiß ich, wie ernst er es meint. Ich zweifelte lange Zeit, ob wir zueinander passen, aber seit einigen Tagen habe ich Gewißheit.«

      »Gewißheit – ?«

      »Ja. Reinhard möchte mich heiraten.«

      »Heiraten? Und das sagst du so einfach? Liebst du ihn denn?«

      »Er ist einer der interessantesten Männer weit und breit, eine Persönlichkeit ganz nach meinem Geschmack. Und ich bin fest entschlossen, ihn glücklich zu machen.«

      »Das ist doch nicht wahr!« stammelte Kai.

      Ihr Gesicht wurde vom hereinfallenden Licht der Straßenlampen modelliert und erschien ihm klar und so schön wie nie. Nur vor ihren Augen, die so blitzen konnten, lag jetzt ein Schleier. Es mußte das Wissen über den furchtbaren Schmerz sein, den sie ihm bereitete.

      »Doch, es ist so, Kai. Dir das zu sagen, fällt mir sehr schwer. Das alles tut mir schrecklich leid. Aber ich muß diese Chance wahrnehmen, um meinem Leben eine andere Richtung zu geben. Wer weiß, wie viele Jahre noch vergehen, bis du soweit bist und in meinem Haus eine Privatpraxis eröffnen kannst? Und ob du überhaupt jemals dazu bereit bist, dieses Abenteuerleben als Arzt aufzugeben? Du hast dich doch immer gegen meine Vorstellungen von unserer Zukunft gewehrt.«

      Sollte er noch einmal versuchen, sie vom Gegenteil zu überzeugen? Aber Klaudia sprach schon weiter.

      »Reinhard hat einen kleinen Jungen. Sandro ist vier und lebt seit dem Tod seiner Mutter bei seiner Tante. Er soll wieder ein normales Familienleben genießen. Ich bringe für Reinhards Nöte großes Verständnis auf und habe…«

      »… den kleinen Jungen liebgewonnen?« fragte er.

      »Ich habe ihn erst gestern kennengelernt. Aber irgendwie werde ich schon mit ihm fertig. Ich muß es doch Reinhard zuliebe versuchen, nicht wahr? Obwohl ich noch keine Ahnung habe, was dieses Kind von mir erwartet.«

      Er spürte, wie alles in ihm versteinerte, obwohl sich doch unzählige Sätze aus Vorwürfen, Wut und Zorn in seinem Kopf bildeten.

      »Du wärst mit mir ganz sicher nicht glücklich geworden, Kai. Du hättest viel für mich getan, aber ohne Überzeugung. Darum gebe ich dich frei und bitte dich, mich ebenfalls ohne Groll aus unserer Beziehung zu entlassen.«

      Warum konnte er nicht aussprechen, was er noch vor einer Stunde Ralf Nolte anvertraut hatte? Warum war er nicht imstande, um Klaudia zu kämpfen? War es die Erschöpfung der letzten Wochen, die ihn daran hinderte? Oder begriff er, daß jeder Versuch zwecklos war und er sich mit jeder Frage nur tiefer in eine unverdiente Demütigung begab?

      »Du kannst mich jederzeit anrufen, wenn du es dir anders überlegt hast, Klaudia«, brachte er mit brüchiger Stimme hervor. Es war nur ein winziger Funken Hoffnung, der ihm die Kraft dazu gab. »Ich liebe dich. Nicht einmal dieser Schock, den du mir jetzt versetzt, kann etwas an meinen Gefühlen für dich ändern. Vergiß es nicht.«

      »Danke für dein Verständnis«, flüsterte sie und ließ den Motor schon wieder an, um den Abschied nicht endlos hinauszuschieben. »Ich werde dich auch nie vergessen. Glaub’s mir bitte.«

      Kai antwortete nicht. Wieder lastete das Schweigen zwischen ihnen und signalisierte das endgültig Ende eines Traums. »Du kannst mich an der Ecke absetzen. Die letzten Meter geh ich zu Fuß.«

      An der Ecke stieg er aus, schulterte seine beiden Taschen und ging mit langen Schritten durch die feuchkalte Abendluft bis zu dem Haus, in dem er seit Jahren ein kleines Appartement bewohnte. Als er die Tür aufschloß, kam ihm der Duft vom Gulasch entgegen. Kai schüttelte sich. Er hatte keinen Appetit.

      Er trat ans Fenster und öffnete es. Dann erst schaltete er das Licht an. Auf dem kleinen Glastisch vor der Couch stand ein Strauß dunkelroter Rosen. Er wußte sofort, daß sie aus Klaudias Garten stammten. In den vergangenen Jahren hatte der Anblick dieser letzten herbstlichen Rosen zu seinem Glück gehört. Nun wiesen sie ihn unbarmherzig daraufhin, daß Klaudia nur noch Dankbarkeit für ihn empfand. Ja, sie dankte ihm, weil er ohne großes Lamento aus ihrem Leben verschwand!

      *

      Rena Liebold arbeitete seit zwei Monaten als Praktikantin in der Moderedaktion der Zeitschrift »Mega« und war sehr bemüht, Fleiß und Eifer zu beweisen. Darum war sie heute länger geblieben und hatte die von ihrer Chefin Klaudia von Redwitz ausgewählten Modefotos fein säuberlich in dafür bestimmte Hüllen gelegt. Es war schon lange Feierabend, aber sie ließ sich Zeit. Mit Klaudia von Redwitz, die die Redaktion seit zwei Jahren leitete, war eben nicht zu spaßen. Das hatte Rena ziemlich schnell von den Kollegen gehört. Die Chefin konnte unberechenbar und gemein werden, wenn ihr was nicht paßte.

      Rena legte den ersten Stapel der Fotos


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