Hans Fallada – Gesammelte Werke. Hans Fallada

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Hans Fallada – Gesammelte Werke - Hans  Fallada


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an, eben­so fest, ohne eine Spur von Lä­cheln. Und nun tut die­ses Mäd­chen blitz­schnell wie­der et­was Er­staun­li­ches: Sie greift in den Aus­schnitt ih­rer Blu­se und zieht für einen Au­gen­blick den mir ab­ge­nom­me­nen Pa­cken Geld­schei­ne her­vor. Ich sehe den blau­en Schim­mer der Hun­dert­mär­ker. Im Mund­win­kel er­scheint Eli­nors Zun­gen­spit­ze, spöt­tisch lä­chelt das Mäd­chen jetzt. Der Pa­cken Geld ver­schwin­det wie­der im Bu­sen. Sie legt die Hand auf die Brust, hebt sie ein we­nig an, dass ich den schö­nen, vol­len An­satz sehe, und dann wen­det sie sich end­gül­tig von mir ab, geht hin­ter die The­ke.

      Oh, wie klug und raf­fi­niert sie ist: Gera­de im rich­ti­gen Mo­ment er­in­ner­te sie mich an mein Wort, aber mei­nem Wort nicht ganz trau­end, er­in­ner­te sie mich auch an die Ver­bun­den­heit un­se­res Flei­sches. Bit­ter­süß, von ei­nem kal­ten Feu­er, eine Ge­lieb­te, die sich mir nie ganz hin­ge­ben, die ich nie ganz be­sit­zen wür­de – die wah­re Kö­ni­gin des Al­ko­hols!

      »Nein«, sage ich mit tro­ckener Stim­me, »mehr Geld habe ich nicht bei mir. Aber sen­den Sie die Rech­nung an mein Kon­tor, mei­ne Frau wird sie so­fort be­zah­len.«

      Die Wir­tin keift: »Ihre Frau wird Bes­se­res zu tun ha­ben, als die Rech­nun­gen ei­nes Säu­fers zu be­zah­len! Wacht­meis­ter, keh­ren Sie sei­ne Ta­schen um, viel­leicht hat er doch noch was bei sich …«

      »Nichts«, sage ich. »Aber ich habe eine Ta­sche drau­ßen ste­hen, Herr Wacht­meis­ter, wenn ich die ho­len darf …?«

      Wir ho­len die Ak­ten­ta­sche, mei­nen Ein­kauf in je­nem klei­nen Luft­kur­ort, her­ein. Ich brei­te mei­ne Ein­käu­fe aus: mei­ne bei­den pa­pa­gei­en­bun­ten Py­ja­mas, das raf­fi­nier­te Toi­let­ten­zeug, das fran­zö­si­sche Par­füm … Wie lan­ge ist es her, dass ich dies al­les, welt­män­nisch scher­zend, von jun­gen Mäd­chen ein­kauf­te? Ich wer­de es nie be­nut­zen! Wie lan­ge ist es her, dass ich auf der See­ter­ras­se dort grü­nen Aal zu Bur­gun­der­wein aß und Be­trach­tun­gen dar­über an­stell­te, ein wie be­hag­li­ches Le­ben ich als zur Ruhe ge­setz­ter Kauf­mann füh­ren wür­de? Wie lan­ge? Erst gute zwölf Stun­den! Und nie wer­de ich die­ses be­hag­li­che Le­ben füh­ren! Jetzt tra­ge ich eine Ket­te um das Hand­ge­lenk und wer­de als Ver­bre­cher von der Po­li­zei es­kor­tiert! O ade, gu­tes Le­ben!

      »Was soll ich mit dem fei­nen Krims­krams?!«, ze­tert die Wir­tin. »Sie­ben Haut- und Na­gel­sche­ren al­lein! Das kann ich nicht brau­chen. Ich will mein Geld ha­ben! Und die­se ge­mei­nen Schlaf­an­zü­ge!« Aber ih­rer Stim­me ist an­zu­hö­ren, dass dies nur ein Rück­zugs­ge­fecht ist, ihre Gier ist er­wacht.

      »Ich habe um hun­dert Mark her­um da­für be­zahlt«, sage ich. »Und drau­ßen ste­hen auch noch zwei Fla­schen Schwarz­wäl­der und eine Fla­sche Korn – die sol­len Sie auch noch ha­ben. Sind Sie nun zu­frie­den?«

      Sie ze­tert noch ein we­nig, aber dann gibt sie sich zu­frie­den.

      »Aber die Fla­sche Par­füm möch­te ich Ihrem Mäd­chen als Trink­geld schen­ken«, sage ich und neh­me sie.

      »Mei­net­hal­ben«, sagt die Wir­tin. »Mit sol­chem Nut­ten­zeug mag ich mich nicht ein­stin­ken.« Und sie pro­biert, ob die Hose des bun­ten Py­ja­mas auch lang ge­nug für sie ist.

      »Eli­nor!«, rufe ich durch das Lo­kal, denn ich kann we­gen der Ket­te nicht fort von dem Wacht­meis­ter. »Hier habe ich noch eine Fla­sche echt fran­zö­si­sches Par­füm für dich … Komm, Mäd­chen!«

      »Ach, las­sen Sie mich zu­frie­den!«, ruft sie mür­risch zu­rück. »Ich habe jetzt wirk­lich ge­nug von Ih­nen. Brin­gen Sie den Kerl doch weg, Wacht­meis­ter, ich möch­te ins Bett!«

      Die bru­ta­le Rück­sichts­lo­sig­keit, mit der sie mich im Stich ließ, so­bald sie ih­ren Zweck er­reicht hat­te, raub­te mir fast den Atem. Dann rief ich: »Ver­lässt du dich nicht ein biss­chen sehr auf mei­ne An­stän­dig­keit, Eli­nor?« scharf durchs gan­ze Lo­kal.

      »Brin­gen Sie den be­sof­fe­nen Trot­tel weg, Wacht­meis­ter!«, schrie sie jetzt. »Ich will nicht mehr von ihm an­ge­quatscht wer­den. Er war mir im­mer ek­lig, hof­fent­lich be­hal­tet ihr ihn ewig im Kitt­chen!«

      Ich be­griff, in ei­nem Au­gen­blick be­griff ich. Jetzt war ihr mein Geld si­cher, ich hat­te selbst sei­nen Be­sitz ge­leug­net. Und sie trug es be­stimmt nicht mehr bei sich, sie hat­te es schon ir­gend­wo hin­ter der The­ke ver­steckt. Nun ließ sie die Mas­ke fal­len – ich war ein ekel­haf­ter Trot­tel. Wahr­haf­tig, ich war es wirk­lich. Wie gut, dass ich noch eine Fla­sche Schnaps zum Trost in der Ta­sche hat­te! Aber wie, wenn mich nun auch der Schnaps ver­ließ?

      »Also kom­men Sie end­lich!«, sag­te der Wacht­meis­ter und zog am Kett­chen.

      Ich folg­te ihm wort­los. Der Gen­darm setz­te sich auf sein Rad und ra­del­te, für einen Rad­ler lang­sam, für einen Fuß­gän­ger reich­lich schnell, los. Ich trab­te ne­ben­her. Im Ge­fäng­nis des großen Nach­bar­dor­fes, in dem­sel­ben Ort, an dem ich mit der Bahn am Abend vor­her ein­ge­trof­fen war, lie­fer­te er mich ein.

      25

      Ich habe mein Bett un­ter das klei­ne Fens­ter ge­rückt und mich dann an den ei­ser­nen Git­ter­stä­ben hoch­ge­zo­gen. Ich sehe in ein fried­lich be­sonn­tes Land mit Wie­sen, Äckern, wei­den­dem Vieh und Wald­strei­fen am Ho­ri­zont. Di­rekt un­ter mir liegt ein mit Lat­ten ein­ge­frie­de­ter Ge­mü­se­gar­ten, ein al­ter Mann geht einen Weg ent­lang und pflückt Grü­nes für Zie­gen und Kar­ni­ckel in einen Sack. Er kann ge­hen, wo­hin er will – und ich, ich bin jetzt ge­fan­gen! Ges­tern ge­hör­te mir das noch al­les, ich konn­te aus mei­nem Le­ben ma­chen, was ich woll­te, heu­te hal­ten an­de­re mein Le­ben in ih­rer Hand, und ich muss war­ten, wie sie über mich be­schlie­ßen.

      Ich las­se mich auf mein Bett fal­len. Mir ist sehr schlecht, mein Kopf schmerzt – die Wir­kung der paar Schlu­cke eben ist schon wie­der ver­gan­gen. Ich habe Durst – aber wann wer­de ich die­sen Durst wie­der stil­len kön­nen? ›Heu­te schon‹, sage ich mir be­ru­hi­gend, ›be­stimmt heu­te schon! Heu­te noch las­sen sie dich wie­der frei. Sie ha­ben dir bloß einen Schreck ein­ja­gen wol­len, so­was macht man, man steckt Be­trun­ke­ne für eine Nacht in eine Zel­le, da­mit sie ih­ren Rausch aus­schla­fen und sich er­nüch­tern, dann lässt man sie wie­der frei. So ma­chen sie’s nun auch mit dir.‹

      Ich will nicht mit ih­nen grol­len, schließ­lich han­deln sie ganz rich­tig. Ich habe mich wirk­lich zu sehr ge­hen­las­sen in dem Land­g­ast­hof, die­ser Denk­zet­tel, die­ser Schreck­schuss ist mir ganz gut. Aber gleich wird der Schlüs­sel im Schloss klir­ren, der net­te Wacht­meis­ter aus der Nacht kommt her­ein und fragt la­chend: »Na, gut ge­schla­fen, Herr Som­mer? Dann ma­chen Sie, dass Sie hier weg­kom­men – und sün­di­gen Sie hin­fort nicht mehr!«

      Und ich gehe in die Frei­heit, in je­nen fri­schen, grü­nen, son­ni­gen Mor­gen hin­aus, an dem ein al­ter Mann an al­len Stra­ßen­rän­dern, wo er nur mag, Grün­fut­ter in einen Sack sam­melt. Ich bin wie­der frei. Wäre es wirk­lich ein erns­ter Fall ge­we­sen, hät­te mir dann der Wacht­meis­ter den Schnaps mit in die Zel­le ge­ge­ben?

      So be­ru­hi­ge ich mich, und wenn sich ein Ge­dan­ke an jene nächt­li­che Sze­ne mit Mag­da bei mir ein­schlei­chen will, so wei­se ich ihn ener­gisch zu­rück. Mag­da ist mei­ne Frau, trotz al­ler Dif­fe­ren­zen in letz­ter Zeit, wir ha­ben so lan­ge zu­sam­men­ge­hal­ten, sie wird mir ver­zei­hen,


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