Edgar Wallace-Krimis: 78 Titel in einem Band. Edgar Wallace
Читать онлайн книгу.Gesicht hellte sich plötzlich auf.
»Ich habe die liebenswürdigsten Telegramme von ihm bekommen. Er ist wirklich sehr aufmerksam. Fast von jeder Station aus hat er telegrafiert.«
Bobby hustete.
»Ich dachte mir, daß er es tun würde.«
Sie griff nach ihrer Handtasche und zog ein zusammengefaltetes Papier aus der Tasche.
»Hier ist das letzte, aus Crewe. Es kam erst heute morgen um zehn Uhr: ›Habe eine glänzende Reise. Hoffe, daß alles gutgeht. Gordon.‹«
Bobby richtete sich auf.
»Das ist doch wirklich zu schlimm! Ich meine, daß es so spät gebracht wurde – ich würde mich bei der Post beschweren.«
Gordon kam jetzt näher, und Diana sah ihn. Aber sie nahm ebensowenig Notiz von ihm wie von den Möbeln.
»Wenn er nur noch eine Woche länger ausbleiben würde«, seufzte sie.
Das war die günstige Gelegenheit, auf die Bobby gewartet hatte.
»Weißt du, Gordon ist kein schlechter Kerl. Zuerst hat man den Eindruck, daß er ein schrecklicher Strauchdieb ist. Seine Manieren sind ja geradezu auch nicht die besten, das gebe ich gern zu. Er ist etwas selbstgefällig, aber die Intellektuellen haben alle diesen Zug, obgleich ich niemals verstanden habe, warum.«
Sie schüttelte den Kopf. Anscheinend hatte sie selbst schon genügend Entschuldigungsgründe für Gordon gefunden, so daß es anscheinend unnötig war, ihn noch besonders in Schutz zu nehmen.
»Selbstgefällig? Viele Menschen sind das doch – glaubst du nicht? Ich würde ihn nicht selbstgefällig nennen, ich würde eher sagen, er ist zu sehr von sich überzeugt – das ist alles.«
Gordons Hände zitterten.
»Du hast wahrscheinlich recht«, sagte Bobby nachdenklich. »Gordon wurde als Kind sehr verwöhnt und hat immer seinen Willen bekommen. Infolgedessen ist er ein wenig hochnäsig geworden.«
»Und auch ein bißchen pharisäisch, nicht wahr? Ich möchte damit nichts Unfreundliches gegen ihn sagen, wirklich nicht. Aber wir können uns doch einmal ruhig über ihn aussprechen.«
Gordon erhob sich halb von seinen Knien. Seine Lippen zuckten, sein Gesicht war bleich.
»Ich bin ganz deiner Ansicht. Gordon hat seine Schwächen.« »Das sind die Fehler des Alters. Er gehört zu den Männern, die schon fünfundvierzig sind, wenn sie auf die Welt kommen. Aber Gott sei Dank machte er keine dummen Streiche!« fügte sie befriedigt hinzu.
»Sei nicht zu vertrauensselig«, warnte Bobby sie väterlich.
»Dieser Verräter!« sagte Gordon wild, aber doch so leise, daß es die anderen nicht verstanden.
»Auch die besten Männer machen Fehler«, fuhr Bobby fort. »Seine Unerfahrenheit ist ein großer Nachteil für ihn. Ich kann mir ganz gut vorstellen, daß eine Frau ihn um den Finger wickeln kann, wenn sie ihn richtig zu behandeln versteht.«
Diana hatte ihre eigene Anschauung darüber.
»Wenn ich mit ihm verheiratet wäre, würde ich ihm unter allen Umständen trauen«, sagte sie ernst. »Er ist wirklich ein durch und durch ehrenhafter Charakter. Was man auch immer von ihm sagen mag, man muß jedenfalls zugeben, daß er niemals Seitensprünge macht. Er würde nie gemein oder unehrenhaft handeln. Er würde sich auch nie in geheime Liebesabenteuer einlassen.«
Bobby fühlte sich unbehaglich. Er war von Natur aus offen und ehrlich und hatte gewisse Grundsätze, die er unter keinen Umständen verleugnen wollte, selbst wenn es sich darum handelte, Gordon in Schutz zu nehmen.
»N – ein, vielleicht würde er das nicht tun.«
Diana lächelte verächtlich.
»Vielleicht nicht! Du weißt ganz genau, Bobby, daß er es nicht tut! Gordon haßt alles Gemeine und Obskure. Kannst du dir etwa vorstellen, daß er ein heimliches Verhältnis mit einer Frau wie Tante Lizzie unterhalten würde? Das ist doch ganz absurd! Oder glaubst du, daß er mir fremde Frauen ins Haus bringen und nachher abstreiten würde, daß er sie überhaupt kennt, wenn er entdeckt wird? Das ist ganz ausgeschlossen!«
»Ich glaube nicht, daß es richtig ist, irgendeinem Mann absolut zu vertrauen«, sagte Bobby bestimmt. »Kein Mann ist ein solches Vertrauen wert.«
Sie lachte.
»Du bist ein zynischer Junggeselle!«
Gordon konnte nicht länger an sich halten.
»Das habe ich auch immer gesagt«, rief er entrüstet. »Ich kann mir keinen unmoralischeren Standpunkt denken –«
Unter Dianas vernichtendem Blick verstummte er sofort wieder.
»Sie wagen es, uns zu unterbrechen?« fragte sie.
»Ich – ich –«
Bobby schnitt ihm das Wort ab.
»Lieber Freund, lassen Sie sich gut von mir raten und versuchen Sie nicht, eine andere Rolle zu spielen als Ihnen zukommt.«
Gordon war wütend. Er warf Besen und Schaufel beiseite und sprang auf.
»Es ist mir alles gleich – ich werde jetzt die Wahrheit sagen«, rief er verbissen. »Trotz allem, was sich schon ereignet hat, ich bin Gordon Selsbury!«
Er schaute sich um: Superbus stand in der Tür und hatte ein gelbes Telegrammformular in der Hand. Es hatte keinen Zweck. Gordon kniete wieder nieder und griff nach dem Besen, er war vollkommen geschlagen.
»Ein Telegramm für Sie, Madam.«
Sie nahm es ihm aus der Hand und öffnete es.
»Siehst du, Bobby, er denkt an mich! ›Aberdeen. Hatte eine sehr gute Reise. Freue mich schon auf meine Rückkehr. Gordon.‹«
Bobby wand sich.
»Ein schrecklicher Kerl!«
Sie sah ihn stirnrunzelnd an.
»Eine schreckliche Reise – meinte ich natürlich«, verbesserte sich Bobby.
Sie nickte langsam und nachdenklich.
»Ich beginne eigentlich, Gordon jetzt ganz anders zu betrachten.«
Der Mann mit Besen und Schaufel hielt plötzlich in der Arbeit inne und hörte gespannt zu. Einen Augenblick lang erinnerte sich Diana an seine Gegenwart.
»Nun, worauf warten Sie denn?« fragte sie kühl.
»Auf nichts – auf nichts«, erwiderte Gordon verzweifelt und bückte sich wieder.
»Wo ist denn Ihre Komplicin?« fragte Diana.
Gordon wandte sich um.
»Sie liest ein Buch: ›Wie kann man glücklich und doch verheiratet sein?‹« sagte er zynisch. An diesem Mann war wirklich Hopfen und Malz verloren.
»Was willst du denn aber mit diesem verrückten Dempsi anfangen?« fragte Bobby. Er beugte sich vor und sprach leise.
»Ich weiß es auch noch nicht. Diesmal kann ich nicht wieder darauf rechnen, daß er in den Busch läuft. Nun –?«
Mr. Superbus war wieder in der Tür erschienen. Sie konnte es nicht leiden, daß er immer die Hand aufs Herz legte; bevor er sich verneigte.
»Der Geistliche ist wieder gekommen«, flüsterte er heiser, »es ist der Vikar von Banhurst.«
Mr. Superbus hatte eine große Ehrfurcht vor Vertretern der Kirche, und der Vikar von Banhurst war für ihn eine Respektsperson hohen Ranges. Aber Diana sah in ihm nur den Mann, der sie verheiraten und ihrer Freiheit berauben wollte. Sie war sehr bestürzt über sein Erscheinen.
»Sagen Sie ihm, daß ich krank bin, sagen Sie ihm –