Starmord am Wörthersee. Roland Zingerle
Читать онлайн книгу.„Und es handelt sich immerhin um die Ankündigung eines Verbrechens.“
„Eine Todesdrohung für die Starnacht“, fuhr sie ihn an, „wie bist du darin schon wieder verstrickt?“
Heinz erklärte ihr die Hintergründe seines Auftrags und die Dringlichkeit der Klärung, zumal Saskia Frenzen am nächsten Tag anreisen werde. Seine Ausführungen waren sachlich, emotionslos und ohne jeden Antrieb; genauso, wie Heinz sich fühlte.
Schließlich fiel ihm Sabine ins Wort: „Heinz, es reicht mir. Und nicht nur mir, uns allen. Rück endlich damit heraus, was in Kolumbien passiert ist. Seit du zurück bist, hast du alle sozialen Kontakte abgebrochen, entschuldigst dich bei Familienfeiern mit fadenscheinigen Ausreden und sperrst alle aus, die dir helfen wollen. Jeder, der dich kennt, sagt, dass du nicht mehr mit dir reden lässt, du hast dich so weit zurückgezogen, dass ... Wir sind deine Familie, Heinz, wir haben doch immer über alles reden können, oder?“
Heinz blieb stumm. Er wollte etwas sagen, doch er brachte es nicht über die Lippen. Sabine schien das zu spüren, sie ließ ihm Zeit. „Wenn es ...“, begann er und tarnte sein hochkommendes Schluchzen als Räuspern, „wenn es soweit ist, werde ich euch alles erzählen. Das wird aber noch ein bisschen dauern. Kannst du bitte diesen Abgleich machen, es ist wirklich dringend.“
Er konnte regelrecht hören, wie sich Sabine auf die Unterlippe biss. „Natürlich“, sagte sie, und auch in ihrer Kehle steckte ein Schluchzen. „Ich gebe das gleich für morgen früh in Auftrag. Vielleicht ist ja wirklich Gefahr in Verzug.“
Nach dem Telefonat ließ Heinz die Hand mit dem Mobiltelefon in seinen Schoß sinken und starrte einmal mehr ins Nichts. Bogotá ...
Erst begann er zu zittern, dann zu weinen. Minuten später, als der Anfall vorbei war, wischte er sich die Tränen aus dem Gesicht und stand auf. Nein, Rum war keine Option. Wenn es schon Alkohol sein musste, damit es ihm besser ging, dann war Bier allemal besser als Schnaps. Er zog sich an, um zum Supermarkt zu gehen.
Freitag, 11.30 Uhr
Einhundertfünfundneunzig Kilogramm – drei Sätze zu zwölf, zehn und acht Wiederholungen. Heinz sicherte die Gewichte der Beinpresse, blieb aber noch auf der schrägen Bank liegen und schnaufte. Das hatte er verdient. Gott sei Dank hatte er sich gestern nicht bis zur Besinnungslosigkeit betrunken, doch es war immerhin genug gewesen, dass er heute erst um 9.30 Uhr und mit einem ordentlichen Kater aus dem Bett gekrochen war. Er hatte sich angezogen und war ins Fitnesscenter gefahren, denn Strafe musste sein.
Er war noch nicht wieder bei Puste, als Direktor Oberhofer anrief. Heinz hob ab und keuchte ein „Ja“.
Der Versicherungsmann fragte mit hörbarer Ungeduld, wie das Ergebnis des Fingerprint-Abgleichs ausgefallen sei, und Heinz erklärte, seine Schwester habe sich noch nicht bei ihm gemeldet. Da herrschte der Direktor ihn an, er solle gefälligst seine Arbeit erledigen. Er, Oberhofer, habe soeben einen Anruf vom Geschäftsführer der Wörthersee-Events erhalten, der wissen wolle, ob die Sache mit dem Drohbrief geklärt sei. Als Oberhofer habe bekennen müssen, dass die Beweise noch ausständig seien, sei das Telefonat recht unangenehm für ihn geworden.
„Nachdem ja noch alles in der Schwebe ist“, fuhr er fort, „habe ich Frank Mertens angerufen, um zu erfahren, um welche Uhrzeit er mit Frau Frenzen in Klagenfurt ankommen wird. Und wissen Sie, was er gesagt hat? Er selbst käme wegen einer Terminüberschneidung erst heute Nachmittag an, aber Frau Frenzen hätte bereits im Hotel eingecheckt!“ Der Landesdirektor legte eine rhetorische Pause ein, nach der er ebenso rhetorisch fragte: „Sie sind nicht zufällig auch dort, oder?“
„Nein“, erwiderte Heinz, „aber ich werde sofort hinfahren.“
„Das wäre gut. Und geben Sie Ihrer Schwester ein bisserle Gas, wir haben nicht bis nach der Show Zeit!“
Heinz atmete einmal tief durch, dann setzte er sich in der Beinpresse aufrecht hin und begann, betont langsam zu sprechen. „Herr Direktor Oberhofer, die Polizei ist nicht mein Handlanger. Dass meine Schwester für die Kripo arbeitet, ist ein zufälliger Vorteil und nicht selbstverständlich. Wenn Sie schneller Ergebnisse möchten, hätten Sie sich eben früher melden müssen und nicht erst im letzten Augenblick, vor lauter Angst, ich könnte Ihnen mit meinem Honorar die Haare vom Kopf fressen.“ Heinz ließ zwei Sekunden verstreichen, in denen er aber keinen Ton von seinem Gesprächspartner hörte. Offenbar erlebte er gerade einen der wenigen sprachlosen Momente in Oberhofers Leben. Er fuhr also fort: „War es das? Gut, dann bis später.“
Heinz legte auf und nahm sein Handtuch. Das Abwärmen fiel heute aus, er musste zusehen, dass er ins Seepark Hotel kam. Doch er hatte noch nicht einmal die Umkleidekabine erreicht, als Oberhofer auch schon wieder anrief.
„Sagen Sie einmal, haben Sie einen kompletten Klescher?“, schrie es aus dem Telefon.
Heinz wartete keine weiteren Beschimpfungen ab. „Ich bin nicht Ihr Angestellter“, knurrte er, „wenn Sie mit meiner Arbeit unzufrieden sind, dann engagieren Sie von mir aus einen anderen Detektiv.“
Wieder war es still in der Leitung, diesmal allerdings nur kurz, dann kam es verblüfft: „So kenne ich Sie gar nicht, Sablatnig. Ich meine, verstehen Sie mich nicht falsch, es ist ja nicht so, dass nicht andere Detektive vor meiner Tür Schlange stehen würden, aber ...“
Da der Satz für mehrere Sekunden in der Luft hängen blieb, ergriff Heinz das Wort und erklärte, diesmal in einem einlenkenden Tonfall: „Sobald meine Schwester sich bei mir meldet, gebe ich Ihnen Bescheid. Wird nicht mehr lange dauern.“
Oberhofer murmelte eine Abschiedsfloskel, woraufhin Heinz einmal mehr die Verbindung beendete.
Freitag, 11.50 Uhr
Heinz parkte seinen getunten, mattschwarzen VW Corrado auf dem Parkplatz des Seepark Hotels. Die weiße, kantenlose Designer-Fassade mit den eiförmigen Ausschnitten, die dem Bau das Aussehen eines riesigen Schweizer Käses gab, wurde von den Klagenfurtern überwiegend als hässlich empfunden. Möglicherweise sprachen aber auch nur die laut darüber, denen sie nicht gefiel, Heinz jedenfalls gehörte nicht dazu.
Er schritt unter den riesigen, cremefarbenen Betonpaneelen, von denen jedes zweite das laublose Geäst eines Baumes zeigte, hindurch zum Eingang. Da er nicht annahm, dass Saskia Frenzen Gefahr drohte, solange sie sich in ihrem Zimmer aufhielt, hatte er vor, in der Lobby zu warten und ihr unauffällig zu folgen, wenn sie das Hotel verließ. Er würde sich in einen der Schalensessel setzen, in einer Illustrierten blättern und den Bereich rund um den Haupteingang nicht aus den Augen lassen.
Dass sich dieser Plan nicht so einfach umsetzen ließ, erkannte Heinz, als er beim Betreten der Lobby den ersten Security-Mann sah. Außer ihm patrouillierten noch einige weitere Frauen und Männer mit derselben Uniform im Schlenderschritt umher. Sie würden ihn mit Argusaugen beobachten, wenn er sich hier postierte, und ihn ohne Zweifel anhalten, wenn er Saskia Frenzen folgte.
Glücklicherweise war er hier seit gestern kein Unbekannter mehr. Evelyn Pachoinig, die auch heute wieder Dienst an der Rezeption hatte, begrüßte ihn laut, als sie ihn sah. Als er zu ihr ging, fragte sie ihn, was sie für ihn tun könne.
„Ich habe gehört, Frau Frenzen ist bereits eingetroffen?“
„Ja, vor etwa einer Stunde.“
„Sie wissen nicht zufällig etwas über ihre Pläne heute Nachmittag?“
Noch ehe die Rezeptionistin antworten konnte, wurde Heinz von hinten angesprochen: „Na, für welches Blatt schreiben wir denn?“
Heinz fuhr herum. Die Stimme mit dem deutschen Akzent gehörte einer Frau Anfang dreißig, die ihn mit einem schelmischen Blick aus jadegrünen Augen von unten her ansah und dabei mit der Hüfte wippte. Sie war klein, sicher nicht über einen Meter fünfundsechzig, und sehr schlank. Ihre schulterlangen, kupferroten Haare umrahmten ihr fein geschnittenes Gesicht, das Heinz gut gefallen hätte, hätte es nicht so verbraucht gewirkt.
„Soll das heißen, die Konkurrenz ist auch schon hier?“, gab er zurück.
Sie kräuselte die Lippen und erwiderte: