Seewölfe - Piraten der Weltmeere 33. Roy Palmer
Читать онлайн книгу.mit Erfolg als waschechter Spanier ausgegeben, und auch diesmal wollte er seine Rolle als Wolf im Schafspelz bis zum letzten Zug voll ausspielen.
Er hatte es bis hierher geschafft, und nichts sollte ihn auf seinem Heimweg nach England aufhalten! Mit Francis Drake hatte er die Magellanstraße durchsegelt — ein Unternehmen, das einer Fahrt durch die Hölle gleichkam. In zahlreichen Raids an der Westküste von Südamerika hatten sie die Spanier um Teile ihres immensen Gold- und Silberschatzes erleichtert, sich mit den Indianern verbündet und den Dons empfindliche Schlappen beigebracht – zuerst gemeinsam, dann getrennt. Nach der Kaperung der „Nuestra Senora de la Concepcion“, kurz „Feuerspucker“ genannt, hatte er Drake wegen des Zwistes um Sir John Doughty ade gesagt und ihn und die „Golden Hind“ seitdem nicht wiedergesehen.
Panama hatte unter dem einzigartigen Raubzug des Seewolfs und seiner Crew das Fürchten gelernt. Bei Callao in Peru hatte ein Verband spanischer Kriegsgaleonen den verhaßten Engländer stellten wollen, doch wieder hatte Hasard den Durchbruch geschafft. Danach der schwierige Weg vom Stillen Ozean zu den Küsten der Karibik: Hasard und seine Leute hatten die „Isabell III.“, ihre schnelle Zweimastgaleone, aufgegeben, und waren mit ihrer Gesamtbeute auf dem Rio Atrato durch Kolumbien zum Golf von Darien vorgestoßen — mit Booten und zwei Flößen. Bei der Flußfahrt hatte sich ein Unglück ereignet: Jeff Bowie hatte durch den Biß eines Piranhas seine linke Hand verloren.
Ende Juli hatten sie das Deltagebiet des Atrato am Golf von Uraba erreicht. Bei Punta Arenas, dem nordöstlichsten Zipfel des Golfes, war ihnen wiederum ein entscheidender Schlag gelungen. Sie hatten die „Cartagena“ entdeckt und gekapert.
Hasard ließ den Blick über das schwach erleuchtete Deck, über die Aufbauten und die Takelage der Karavelle gleiten. Sie war kleiner, die „Isabella IV.“, doch der „Isabella III.“ ohne weiteres gleichwertig. Letztere hatte als Hauptarmierung nur acht Demi-Culverinen auf der Kuhl geführt. Die Karavelle jedoch verfügte über zwölf Kanonen, sechs auf jeder Seite. Außerdem war sie mit zwei Drehbassen auf dem Achterdeck bestückt. Auf der Back hatten Ferris Tucker und Al Conroy noch eine Drehbasse montiert, die sie in der Waffenkammer der Karavelle gefunden hatten.
Hasard hörte Jean Ribault rufen und schreckte aus seinen Gedanken hoch. Er blickte zum Großmars auf. Schemenhaft waren die Körperkonturen des Franzosen zu erkennen. Hasard sah, daß er winkte. Offenbar hatte er nicht die Absicht, seine Meldung auf Deck herabzubrüllen und dadurch die Dons zu alamieren.
Der Seewolf nahm den Niedergang zur Kuhl mit ein paar Sätzen, eilte zu den Luvhauptwanten und enterte katzengewandt in den Großmars auf. Er nahm das Spektiv mit, und als er oben neben Jean Aufstellung nahm, führte er es sofort ans Auge. Jean wies in östlicher Richtung, aber Hasard konnte dort nichts erkennen. Ein Kieker war eben völlig nachtuntauglich.
Hasard blickte mit bloßem Auge nach Osten und entdeckte jenseits der behäbigen Leiber der Galeonen ein paar Schatten.
„Piraten“, sagte Jean Ribault. „Sie schleichen sich wie die Raubtiere an.“
„Der Größe der Schiffe nach zu urteilen muß es sich um Schaluppen handeln“, sagte Hasard. „Wahrscheinlich führen sie jeweils einen Mast. Die Himmelhunde müssen ganz schön Mumm in den Knochen haben, sich mit ein paar Nußschalen an die Galeonen heranzuwagen.“
„Ich glaube, es sind drei Schaluppen“, sagte Jean.
Hasard beobachtete scharf und sah, wie sich die unheimlichen Schatten allmählich den letzten Schiffen im Konvoi näherten. Die Galeonen hielten nach wie vor die schräg versetzte Doppellkiellinie ein, aber drei hatten den Anschluß verloren, weil sie offensichtlich zu langsam waren oder ihre Kapitäne im wahrsten Sinne des Wortes schliefen und die Mannschaft nicht auf Trab hielten. Die „Isabella“ befand sich zwar nach wie vor leeseits achteraus des Geleitzuges, hatte die drei Bummelanten jedoch auch längst überholt.
„Die hängen herum“, sagte Hasard. „Was würdest du tun, wenn du es wärst, der sich an den Konvoi heranpirscht, Jean?“
Ribault lächelte. „Das ist doch sonnenklar. Als Jäger würde ich die drei dicken Galeonen packen und verspeisen. Was tun wir? Greifen wir da ein?“
„Warum denn wohl?“
„Wir sind offiziell zum Schutz des Konvois da.“
„Ja. Aber wir tun so, als wären wir blind – solange uns die Teufelsbraten von Freibeutern nicht in die Quere geraten.“ Hasard kletterte wieder über die Segeltuchverkleidung des Großmars’, schwang sich auf die Webeleinen der Luvwanten und hangelte nach unten. Vorläufig hatte er keine Lust, seine Mannschaft durch ein fragwürdiges Manöver größter Gefahr auszusetzen. Sollten die Spanier ihren Landsleuten zu Hilfe kommen! Dann waren die Fronten klar. Aber wenn er sich mit seiner Crew in die Bresche warf, riskierte er, zwischen zwei Feuern zu verbrennen.
Es kam anders.
Heimlich schoben sich die drei einmastigen Schaluppen an das letzte Transportschiff der Spanier heran. Hasard nahm wieder seinen Platz auf dem Achterdeck ein. Er stand neben dem Profos und hielt das Spektiv auf die in Bedrängnis geratene Galeone gerichtet. Im trüben Schein der Bordlaternen des Spaniers sah er, wie Bewegung auf Deck entstand. Gestalten stießen miteinander zusammen, verfingen sich ineinander. Gestalten sanken zu Boden, andere Gestalten turnten über sie weg und nahmen das Achterkastell in Beschlag. Kein Schuß fiel. Nur die Entermesser und Schiffshauer der Piraten sprachen. Bevor die Dons aus ihrer Lethargie erwachten, waren sie überwältigt. Ein paar Tote wurden in die See gestoßen. Klatschend schlugen die Körper ins Wasser.
„Spätestens jetzt müßten die Dons Lunte riechen“, sagte Hasard.
„Wenn sie aufpassen“, erwiderte Carberry.
„Sie tun es nicht.“
„Und was tun die Piraten?“
„Die nehmen sich die nächste Galeone vor.“
„Verdammt und zugenäht“, sagte der Profos. „Irgendwie neide ich das diesen Rübenschweinen. Wollen wir nicht Kurs auf die Bastarde nehmen und ihnen die Suppe versalzen, was, wie?“
„Nein“, antwortete der Seewolf ruhig.
Die nächste Galeone wurde von den Freibeutern geentert, aber diesmal ging die Attacke nicht ohne Lärm ab. Die Überfallenen schrien. Schüsse krachten, Hasard konnte Mündungsblitze von Musketen und Pistolen zucken und weiße Qualmwolken aufsteigen sehen. Wieder ging die Partie zugunsten der Piraten aus, denn im Konvoi regte sich nichts.
„Da pack mich doch der Satan“, platzte Carberry heraus. „Diese Stinkfische von Dons! Die scheren sich einen Dreck darum, was aus ihren Kameraden wird.“
„Jeder ist sich selbst der Nächste“, sagte Hasard. „So lautet die Regel. Die Besatzungen der vorderen Schiffe tun einfach so, als hätten sie nichts bemerkt. Sie wollen nicht im Kampf gegen die Raubbestien verheizt werden.“
Hasards Männer unter Deck waren von dem herüberwehenden Kampfeslärm geweckt worden. Sie stürzten aus Vor- und Achterdeck und versammelten sich betroffen am Steuerbordschanzkleid. Alle wurden Zeugen, wie auch die zweite gekaperte Galeone abdrehte und in der Nacht verschwand.
Dann „schluckten“ die Freibeuter der Karibik auch das dritte nachhängende Schiff, und wieder eilte kein Schiff aus dem Konvoi herbei, um Hilfe zu leisten. Die Piraten hatten fette Prise geschlagen. Das machte sie übermütig. Nachdem sie den Widerstand der Besatzung auf der dritten Galeone gebrochen hatten, veranstalteten sie ein Heidenspektakel. Sie johlten, pfiffen und stimmten ein wüstes Lied an. Es war der Gipfel der Dreistigkeit. Aber sie hatten wohl bemerkt, daß den Dons nicht daran gelegen war, den Beutezug im Ansatz zu ersticken und die Prisenschiffe zurückzuerobern. Drei Verluste, das mochte noch in das Kalkül der Spanier passen – und die Freibeuter profitierten eiskalt von dieser Einstellung.
Hasards Männer waren erbost über das Verhalten des Konvois.
„Da hört sich alles auf“, sagte Matt Davies. „Die Spanier sind in meinen Augen allesamt lausige Kakerlaken, aber so ein Ende haben die Überfallenen nun wirklich nicht verdient.“
Karl