Schwerwettersegeln. Peter Bruce

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Schwerwettersegeln - Peter Bruce


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das Risiko einer Kenterung nimmt ab. Die Welle hat ihre größte zerstörerische Kraft, wenn sie gerade bricht – und unmittelbar danach. Aktives Segeln verhindert also, seitlich von der See getroffen zu werden. Das ist nämlich die Achillesferse einer Yacht. Es gibt bei dieser Taktik jedoch ein Risiko, das durch einen Steuerfehler hervorgerufen wird. Dadurch kann die Yacht querschlagen und dwars zu den Wellen kommen. Diese Taktik erfordert also eine harte und kompetente Crew mit großem Durchhaltevermögen. Trotzdem ist und bleibt sie eine vielfach angewandte und erfolgreiche Methode, um mit schwerem Wetter fertig zu werden.

      Wie die Erfahrungen der Crews aus den Sturmberichten in Kapitel 3, 15, 17 und 22 zeigen, kann man nicht grundsätzlich Kenterungen vermeiden. Ermüdung der Crew oder der unglückliche Stern einer Yacht, besonders einer unterbemannten, sind wohl eher Gründe für eine Kenterung oder einen K.-o.-Schlag. Die Untersuchung nach dem Fastnetrennen hat eine Quantifizierung der Merkmale angestrebt, die ein Yachtentwurf für eine Überlebenschance in schwerem Wetter haben muss. Bisher habe ich in allgemeinen Begriffen über die Stabilität gesprochen. Wir kommen aber nicht weiter, wenn wir nicht auf die Einzelheiten und Physik eingehen, die eine segelnde Yacht aufrecht hält, und nicht untersuchen, wie sich die Dinge verhalten, wenn der Mast auf dem Wasser liegt. Abbildung 2.1 zeigt die typische Kurve des aufrichtenden Moments (oder Stabilitätsmoments). Sie beschreibt die Änderung des aufrichtenden Moments bei zunehmendem Krängungswinkel. Wir gehen davon aus, dass das gesamte Gewicht einer Yacht im Gewichtsschwerpunkt vertikal nach unten wirkt. Gleichzeitig wirkt die Auftriebskraft im Verdrängungsschwerpunkt vertikal nach oben. Unter dem aufrichtenden Moment versteht man das Drehmoment, das durch die zunehmende Verlagerung des Gewichtsschwerpunktes G gegenüber dem Verdrängungsschwerpunkt B erzeugt wird. Dabei liegt der Gewichtsschwerpunkt, solange die Crew das Boot nicht ausreitet, auf der Mittellinie des Bootsrumpfes, wogegen sich der Verdrängungsschwerpunkt je nach Krängung leewärts verlagert.

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      Man sieht sofort, dass einer normalen Krängung bis 45° ein entsprechendes aufrichtendes Moment entgegensteht. Die Krängung durch den Winddruck in den Segeln kann konstruktiv entweder durch eine Verbreiterung der Yacht, wodurch der Verdrängungsschwerpunkt weiter nach außen verlagert wird, oder durch einen tieferen Gewichtsschwerpunkt, wodurch man diesen weiter von dem Verdrängungsschwerpunkt entfernt, ausgeglichen werden. Was immer der Konstrukteur auch macht, eine Yacht muss im Bereich von 30°–40° Krängung ein angemessenes aufrichtendes Moment haben, damit sie eine anständige Segelfläche tragen kann.

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       Die ungarische Yacht K&H BANQUE MATAV ist im Südpolarmeer auf 66° gekrängt, während sie an der Einhand-Regatta Vendee Globe teilnimmt. Bei so einem Winkel ist eine Yacht nicht in der Lage, sich schnell selbst aufzurichten.

      Einige Yachten sind steif. Das bedeutet, dass das aufrichtende Moment bei Krängungen sehr schnell anwächst. Bei ranken Booten steigt das aufrichtende Moment nicht so schnell an. Bei ihnen sitzt die Crew auch häufig auf der hohen Kante oder hängt im Trapez, um das aufrichtende Moment zu vergrößern. Durch ihre Gewichtsverlagerung verlagern sie zusätzlich den Gewichtsschwerpunkt weiter nach außen.

      Wenn das aufrichtende Moment sein Maximum erreicht, liegt der Verdrängungsschwerpunkt gleichzeitig an seinem äußersten, leewärtigen Punkt. Von da an nimmt mit zunehmendem Krängungswinkel der vertikale Abstand (der aufrichtende Hebelarm) zwischen dem Verdrängungs- und dem Gewichtsschwerpunkt kontinuierlich ab – und damit das aufrichtende Moment! Bei 90° ist es schon so klein, dass ein flatternder Spinnaker ohne Schwierigkeit den Mast einer quergeschlagenen Yacht auf dem Wasser festhalten kann. Bei ein paar Graden weiter liegen der Gewichts- und der Verdrängungsschwerpunkt in einer Linie. Aber leider in der falschen Reihenfolge! Hier liegt auch der Winkel, bei dem die Stabilität verloren geht. Man bezeichnet diese Stelle als Nullpunkt der Stabilität oder Kenterwinkel. An diesem Punkt befindet sich die Yacht in einem instabilen Gleichgewicht – wie ein Bleistift, der zu jeder beliebigen Seite fallen kann. Für die Yacht heißt das, entweder zurück zur stabilen Lage oder weiter bis zur totalen Überkopflage. Bei der 180°-Drehung sind die beiden Schwerpunkte in einer Linie, aber in einer ganz anderen Stabilitätslage zueinander; es sei denn, die Yacht ist total selbstaufrichtend. Bevor die hydrostatischen Kräfte wirken und die Yacht wieder aufrichten, müssen Kräfte von außen die Yacht bis zum Stabilitätsnullpunkt zurückdrehen. Den Bereich zwischen dem Kenterwinkel und der totalen Überkopflage (180°) bezeichnet man als den Bereich der inversen Stabilität.

      Um das Stabilitätsmoment einer Yacht zu berechnen, muss man mit einem Computer anhand der Rumpflinien die Lage des Verdrängungsschwerpunktes bestimmen. Die Position des Gewichtsschwerpunktes wird bestimmt, indem man die Yacht einige Grade krängt und das dabei entstandene Krängungsmoment misst.

      Die Fähigkeit einer Yacht, sich vom Zusammenstoß mit einer brechenden Welle zu erholen, ist vom Rumpf und vom Kajütaufbau abhängig. Dabei ist weniger interessant, wie die Welle die Yacht zu fassen bekommt, sondern vielmehr, in welchem Umfang sie die Stabilitätskurve der Yacht beeinflusst.

      Die Forschungsergebnisse über den Kentervorgang stammen aus Modellversuchen vom Wolfson-Institut der Universität Southampton. Die Tests wurden mit frei beweglichen Modellen in einem 60 Meter langen, 3,7 Meter breiten und 1,8 Meter tiefen Schlepptank vorgenommen. Die brechenden Wellen wurden mit computergesteuerten Schwingbrettern und der 40 Knoten starke Wind mit Ventilatoren erzeugt. Das Verhalten der unterschiedlichen Rumpfformen wird in dem Bericht der Universität Southampton beschrieben. Die Testergebnisse werden durch die parallelen Untersuchungen des Sailboat Committee of the Society of Naval Architects and Marine Engineers/United States Yacht Racing Union (eine schiffbautechniche Vereinigung) vervollständigt.

      Die drei getesteten Grundrumpfformen gehörten zu einer traditionellen Yacht (7), einer typischen modernen Yacht mit Flossenkiel und Skeg (1) und zu einer gleichen Yacht ohne Kajütaufbau, aber größerem Freibord (4). Von diesen drei Grundformen stammen weitere sechs unterschiedliche Formen ab, die in allem den Grundformen entsprechen außer in der Breite, teilweise breiter (8, 2, 5) und teilweise schmaler (9, 3, 6). Nach den Planungen wurden die Modelle, die eine 9,75-Meter-Yacht repräsentieren, im Maßstab 1 : 13 gebaut. Die Linienrisse zu den neun Modellen zeigt die Abbildung 2.2.

      Die Rümpfe mit den unterschiedlichen Eigenschaften und individuellen Konstruktionsmerkmalen sollen unter folgenden Aspekten beurteilt werden:

      1.Hydrostatische Leistung, Kenterwinkel und Steifigkeit der Yacht,

      2.Reaktion auf den Aufprall einer brechenden Welle.

      3.Kontrollierbarkeit der Yacht; das heißt, inwieweit Konstruktionsmerkmale aktives Segeln zur Vermeidung einer Kenterung unterstützen.

       Breite

      Die Tests bezüglich der Änderung der Breite wurden an breiten und schmalen Ausführungen des Grundmodells 1 vorgenommen. Die Stabilitätskurven zu diesen drei Modellen zeigt die Abbildung 2.3. Der Gewichtsschwerpunkt hat bei allen den gleichen Abstand von Unterkante Kiel, und die Berechnungen zeigen deutlich den Einfluss der Schiffsbreite auf die Stabilität und die Steifigkeit. Die breiteste Yacht (2) ist die steifste und hat das größte Stabilitätsmoment. Der Anteil von inverser Stabilität ist aber nicht gering. Im Gegensatz dazu hat die schmale Yacht (3) eine deutliche Fähigkeit zur Selbstaufrichtung, wäre aber – wie der flache Verlauf im ersten Teil der Kurve zeigt – hoffungslos instabil.

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