Die schönsten Heimatromane von Ludwig Ganghofer. Ludwig Ganghofer

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Die schönsten Heimatromane von Ludwig Ganghofer - Ludwig  Ganghofer


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      Da gab es für den Fürsten eine Überraschung, die ihm Freude machte. In seinem Stadtpalais befand sich ein kleines Jagdzimmer, in dem er sich mit Vorliebe aufzuhalten pflegte. Die Einrichtung dieses Zimmers fand er fast bis in das kleinste Detail hier nachgebildet, als sollte ihm der schmucke Raum zum Willkommen sagen: Fühle dich hier zu Hause von der ersten Stunde an!

      Das war das gleiche Holzplafond, in hellem und dunklem Braun gehalten, die gleiche Ledertapete mit eingepreßten Tierbildern, der gleiche Waffenschrank – sogar die beiden Jagdstücke von Snyders, die im Stadtpalais den kostbaren Wandschmuck seines Lieblingszimmers bildeten, fand er hier durch zwei treffliche Kopien ersetzt. Auch der gleiche Diwan und die gleichen mit Seehundsfell bezogenen Lehnstühle. Nur zwei Möbelstücke des Stadtzimmers waren hier durch andere vertreten: statt des Spieltisches ein Schreibtisch, und statt eines Schrankes, der eine Sammlung Ridingerscher Holzschnitte und alter Stiche nach berühmten Jagdbildern enthielt, stand hier eine kleine Bibliothek mit ein paar hundert Bänden.

      Und noch etwas war anders als in der Stadt: die Lust, die würzig hereinströmte durch die zwei offenen Fenster, und der Ausblick, den sie boten. In der Stadt lag vor den Fenstern die graue Häuserwand der von Kohlendunst überschleierten Straße, hier zeigte das eine Fenster das Almfeld mit der Sennhütte und darüber den von blauem Schattenduft umwobenen Felskoloß der »Hochwand«, das andere den grünen Wald und über seinen goldig umleuchteten Wipfeln die Spitzen und Wände sonnbeglänzter Berge.

      An dieses Fenster war der Fürst getreten. Er sah hinaus über Wald und Berge und preßte die Fäuste auf seine Brust, die sich wölbte unter einem trinkenden Atemzug. Lange stand er so, in Sinnen versunken, als vergleiche er das Bild, das in sonnigem Frieden vor seinen Augen glänzte, mit dem Wirbel des Lebens und allem Sturm der Leidenschaft, der hinter ihm lag. Er nickte vor sich hin, und ein müdes, bitteres Lächeln zuckte um seinen Mund.

      Geduldig stand der Förster neben der Tür und wartete.

      Lautlose Minuten vergingen, bis ein Geräusch den Fürsten aus seinen Gedanken weckte. Der Lakai hatte die Tür des anstoßenden Raumes geöffnet und sich wieder entfernt; man sah in das große, weiße Schlafzimmer und durch eine zweite Tür in ein kleines Badestübchen, in dem der Lakai bei der Wanne beschäftigt war. Der Fürst hatte sich von dem Fenster abgewandt. »Verzeichen Sie, lieber Herr Förster –«

      Kluibenschädl wurde dunkelrot über das ganze Gesicht. »Aber Duhrlaucht, jesses na, ich hab eh schon gemerkt, daß ich überflüssig bin. Gern hätt ich mich stad aussidruckt zur Tür. Aber wie ich Duhrlaucht so sinnieren hab sehen, meiner Seel, da hab ich mich nimmer z'rühren traut.«

      Dieses unbeholfen sich äußernde Zartgefühl schien den Fürsten warm zu berühren. Lächelnd reichte er dem Förster die Hand. »Sie sind ein lieber, guter Mensch! Und ich danke Ihnen für alle Mühe, die ich Ihnen heute schon verursacht habe. Morgen früh, um neun Uhr, bitte ich Sie, mit mir zu frühstücken. Dann machen wir zusammen einen Orientierungsmarsch durch das Geißtal. Ja?«

      »Dank der Ehr, Duhrlaucht! Werde pünktlich zur Stelle sein!«

      Das Gesicht des Fürsten noch mit einem prüfenden Blick überhuschend, schob sich Kluibenschädl zum Zimmer hinaus. Als er draußen stand und die Tür zugezogen hatte, spitzte er gedankenvoll die Lippen. »Psssss, mir scheint, mir scheint! Entweder ich kenn mich net aus, oder den hat a Frauenzimmer in die Klupperln ghabt!« Bedächtig griff er sich an die Nase. »Mannderl, Mannderl, dös laß dir wieder zur Warnung sein!« Auf den Fußspitzen schlich er die Treppe hinunter.

      Draußen im Hof traf er mit dem Praxmaler-Pepperl zusammen, der um die Hausecke geschossen kam, die beiden Arme mit Weinflaschen vollgepackt. »Da schaun S', Herr Förster! Da hab ich was Kühls für a hitzigs Züngerl. Den Wein trag ich nunter zur Burgi. Da sind die andern schon drunt. Und die Burgi muß mittrinken. Der hängen wir heut a Schwipserl an. Da müssen S' mithelfen!«

      »Dank schön!« erwiderte Kluibenschädl mit Würde. »Machts eure Dummheiten allein! Und beim Weintrinken bin ich Filosoff. Dös heißt auf deutsch: a Freund der stillen Genüsse.« Sprach's, zog dem Praxmaler-Pepperl eine Weinflasche unter dem Arm hervor und ging einer Jägerhütte zu.

      Praxmaler lachte und sprang zur Sennerhütte hinunter.

      Eine Weile später trat der Fürst aus der Tür des Jagdhauses. Er hatte sich umgekleidet und trug einen grünen Hausanzug mit verschnürtem Sakko und eine kleine Mütze aus braunem Hirschleder. Langsam schritt er den Fahrweg hinunter und durch den schmalen Waldstreif, der das Ulmfeld umschloß. Er kam zu einer weiten Blöße, die schon im Schatten lag; nur durch die Lücken, die sich zwischen den Wipfeln in den Waldkamm senkten, warf die Sonne noch lange, schimmernde Goldbänder über das Weideland. Weiße Kühe mit leise bimmelnden Glocken zogen durch das niedere Gesträuch, andere lagen im Gras und wandten träg die Köpfe, wenn der einsame Spaziergänger an ihnen vorüberschritt.

      Ettingen wanderte über die Lichtung, bald mit stillen Augen die klare Schönheit des Abends trinkend, bald wieder versunken in Gedanken, die ihn der Umgebung und des Weges nicht achten ließen. Auf lindem Rasen schreitend, merkte er nicht, daß er den schmalen, wenig ausgetretenen Pfad verlor und aus farbiger Dämerhelle in tiefen Schatten trat. Als er, aus seinem Brüten erwachend, einmal aufblickte, sah er, daß er mitten im Hochwald stand, der eine Strecke sich eben hinzog und dann sacht zu steigen begann.

      »Wie still dieser Wald! Wie schön in seinem Schweigen!«

      Zwischen den Wurzeln einer mächtigen Fichte ließ sich der Einsame zur Ruhe nieder. So saß er, den Kopf an den Stamm gelehnt, die Hände um das Knie geschlungen. Lächelnd, als wäre die Ruhe und das Nimmerdenken über ihn gekommen, staunte er träumend hinein in die wundersame Stille. Kein Halm zu seinen Füßen und kein Zweig zu seinen Häupten bewegte sich. Auch nicht der leiseste Lufthauch atmete durch den Wald. Stark und ruhig stiegen die hundertjährigen Bäume zum Himmel auf, jeder ein König in seiner sturmerprobten Kraft. Alle kleinen, niederen Gewächse waren verkümmert und gestorben im Schatten dieser Großen; sie allein bestanden, und bescheidenes Moos nur webte zwischen ihren weitgespannten Wurzeln seinen grünen Samt über Grund und Steine. Sogar vom eigenen Leibe hatten diese Riesen alle niedrig stehenden Äste abgestoßen und gesundes, saftiges Leben nur den strebenden Zweigen bewahrt, die sich aufwärts streckten bis zur Höhe des Lichtes. Das flutete goldleuchtend um die Wipfel her, ließ selten einen verlorenen Schimmer niedergleiten in den Schatten, der zwischen den braunen Stämmen lag, und dort nur, wo der Grund zu steigen anfing, brach es, einer Lichtung folgend, mit breiter, brennender Wellt quer durch den Wald.

      »Wer das so könnte wie der Wald: alles Schwächliche und Niedrige von sich abstoßen, nur bestehen lassen, was stark ist und gesund! So stolz und aufrecht hinaussteigen über den Schatten der Tiefe und die Helle suchen, die hohen, reinen Lüfte! Wer das so könnte!«

      Langsam glitt der Blick des einsamen Träumers über einen der Stämme empor zum grünen Wipfel, der sich in der Sonne badete. Da huschte pfeilschnell ein kleiner Schatten durch den Sonnenglanz, in der Höhe schwankte ein Zweig, wiegte sich eine Weile sacht und kam wieder in Ruhe. Ein paarmal ließ sich ein leises Schnalzen vernehmen, und dann schallte ein süßer Vogelruf durch das Schweigen des Waldes. Nach kurzer Stille wiederholte sich der Ruf, und spielend kam der Vogel über die Zweige niedergeflattert, immer tiefer, bis zu den dürren Stümpfen der abgestorbenen Äste – ein grauer Vogel, mit weißem Streif um die Kehle. Es war eine Ringdrossel. Hurtig drehte sie das schlanke Körperchen, guckte mit den kleinen Augen nach allen Seiten und flötete immer wieder ihr schmachtendes Liedchen. Nun streckte sie aufmerksam den Hals. Fast im gleichen Augenblick huschte sie davon und schwang sich schräg hinauf in die sonnigen Wipfel.

      Dort, wo der rote Schein den Schatten des Waldes durchschimmerte, hatte Geröll sich bewegt, wie unter dem Tritt eines Tieres.

      Was kam da? Hochwild, das bei sinkendem Abend auf Äsung zog?

      Spähend neigte der Fürst das Gesicht, um zwischen den Stämmen einen Ausblick zu finden. Und da sah er kommen, was er in dieser verlorenen Waldeinsamkeit am wenigsten erwartet hätte – eine Reiterin.

      Er lächelte. »Sieh doch! Mein stiller Wald hat auch sein Märchen!«

      Eine


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