Die schönsten Heimatromane von Ludwig Ganghofer. Ludwig Ganghofer

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Die schönsten Heimatromane von Ludwig Ganghofer - Ludwig  Ganghofer


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schwülem Schweigen räumte Burgi den Tisch ab, so daß nur das letzte »Viertele« des Praxmaler-Pepperl noch stehenblieb. Der suchte mit zitternden Händen aus seinem schweinsledernen Ziehbeutel das Geld für die zehn Schoppen heraus und legte die Münzen schön geordnet in Reih und Glied auf den Tisch. »So! Das is mei' Schuldigkeit!« Er packte das Glas und stürzte den Wein hinunter – das ganze »Viertele« mitsamt der bitteren Träne war nur ein einziger Schluck. Dann stülpte er den Hut über die Kreuzerschneckerln, blies die heißen Backen auf, und ohne die Sennerin eines Blickes zu würdigen, wollte er zur Tür.

      Wie die strafende Gerechtigkeit den Verbrecher faßt, mit so jähem Sprung verlegte ihm Burgi den Weg.

      Pepperl wurde bleich. Während die zwei so voreinander standen, sich messend mit finsterem Blick, schienen sie alle beide zu ahnen, daß es jetzt ein Unglück geben würde.

      Vor Aufregung klang die Stimme des Mädels ganz verändert. »Wart a bißl, du Moralischer, du! Mit dir muß ich was reden!«

      »Du? Mit mir?«

      »Ja! Ich! Mit dir!«

      »Haha!« Pepperl versuchte von oben herab einen Ton anzuschlagen, der ihm nicht gelang. »Wir zwei haben ausgredt mitanand! Und wann schon meinst, du mußt mir was sagen, so such dir an anders Stündl aus! Heut weiß ich mir was Bessers.« Stolz machte er einen Schritt zur Tür.

      Burgi war flinker und stieß den Riegel vor. »So! Jetzt probier, ob d' aussi kommst!«

      Das ging dem Praxmaler-Pepperl über die geduldige Leber. Er bekam ein zornrotes Gesicht. »Du! Solchene Sachen verbitt ich mir!« Auch fand er gleich für diesen Gewaltstreich das richtige Advokatenwort: »Die perseenliche Freiheit laß ich mir net beschränken!«

      »Ghören tät's dir, daß man dich einsperrt!« fiel Burgi mit heißer Erregung ein. »So einer, wie du bist, sollt net freilings umanandlaufen därfen. Dir ghöret a Halsbandel, dir!«

      »Natürlich, mit eim Schnürl dran! Daß du mich führen könntst! Aber gelt, mich laß in Ruh! Führ du dein Schwarzlackierten spazieren! Den mit die seidenen Höserln!«

      »Du! Du!« Sie ballte die Fäuste und brachte nur mühsam die Worte heraus. »Über den sagst mir nix mehr! Du!«

      »Dir sag ich noch viel!«

      »Meinetwegen, ja! Aber gelt, mit deiner Tugendhäftigkeit kannst mich auslassen, du! Und mit die Gomorringer! Wann die ausrucken, bist du als Korporal dabei!«

      »Leicht awanzier ich gar noch zum Leutnant!«

      »Da hast recht! Du bringst es noch weit! Heut hab ich dich ausstudiert, du scheinheiligs Brüderl, du! Denn so, wie du heut, hat sich net bald einer aufgführt!«

      »Ich hab halt was glernt von dir!« erklärte Pepperl höhnisch. »Schlechte Beispieler verderben gute Sitten!«

      »Verderben? So? Verderben?« keuchte Burgi, als hätte ihr dieses Argument einen Stoß ins Leben versetzt. »An dir is viel zum Verderben? Meinst? Du bist ja in der besten Schul, bei der! So eine, freilich, die wachst net bei uns. Die muß extra aus Frankreich kommen! Wie's die versteht! Ah! Pfui Teufi! Net amal Deutsch kann s', die!«

      »Ihr Bussel hab ich ganz gut verstanden.«

      »So? Hast es verstanden?« höhnte Burgi, während ihr die Tränen in die Augen sprangen. » Gut verstanden? So?«

      »Ja! Und sie haben was Extrigs, die franzeesischen Busserln. Da muß ich schauen heut, daß ich noch eins derwisch. Drum geh von der Tür weg, sag ich!«

      »So? Tätst aussi mögen?« Sie machte die Ellbogen breit, um den Riegel zu decken. »Fensterln? Bei der? Dös tät dir halt taugen, dir? Gelt?«

      »Und wie! Es taugt ja dir auch net schlecht, wann der ander kommt: Main scheenes Gindd!«

      »Und du: Schö wussem, schö wussem!«

      »Schö wussem, ja!« schrie Pepperl, »schö wussem! Noch tausendmal sag ich's ihr heut!« Er machte einen drohenden Schritt. »Von der Tür weg!«

      »Ich mag net! Na!« Und während ihre Augen immer größer wurden, stemmte sie sich mit dem Rücken gegen die Bretter.

      »Gehst weg oder net?«

      Sie starrte ihn an, regungslos, mit einem Gesicht, das wie versteinert schien.

      Je bleicher sie wurde, desto dunkler stieg dem Praxmaler-Pepperl das Blut unter die Kreuzerschneckerln. »Gehst weg oder net? Ich frag zum letztenmal.«

      Sie rührte sich nicht.

      Da riß ihm die Geduld. Er machte einen Sprung zur Tür und versuchte Burgi mit der Schulter beiseitezuschieben. Sie klammerte sich an den Riegel, als hinge ihre Seligkeit an diesem Stücklein Holz. Pepperl schob und drückte, bis er den Riegel zur Hälfte frei bekam. Nun riß er ihn auf, und schon klaffte die Tür um einen handbreiten Spalt. Als gält es jetzt einen Kampf auf Leben und Tod, so warf sich Burgi dem Feind entgegen, packte ihn mit der einen Hand an der Brust, mit der anderen an der Kehle und versuchte ihn mit verzweifelter Kraft von der Tür wegzureißen. Und wirklich, Pepperl war von diesem jähen Überfall so völlig überrascht, daß er schon bis in die Mitte der Stube gestoßen war, bevor er noch recht an Widerstand denken konnte. Jetzt erwachte die Wut in ihm. Mit Zucken und Zerren versuchte er sich frei zu machen und wurde grob. Doch Burgi hielt ihn mit den Armen umklammert, ihre letzte Kraft erschöpfend, und ließ nicht los. Da begannen sie ein Ringen, wortlos und keuchend. Bei diesem Ringen krümmten und wanden sie sich, Leib an Leib gewachsen, als wären sie nur ein einziger Körper. Dann plötzlich, wie von einem Zauber gelähmt, standen sie regungslos, alle beide. Sie hielten einander mit den Armen noch umschlungen wie im Ringen. Aber sie sahen sich an, erschrocken und bleich, Aug in Auge. Was sie sagen wollten, wurde ein Lallen – und eines schloß dem anderen die Lippen mit dürstendem Kuß.

      Die Stubendecke pumperte über ihren Köpfen, und eine Lachsalve nach der anderen prasselte dort oben im Heu.

      Die beiden hörten es nicht. Sie waren auf die Herdbank niedergesunken, hielten sich umklammert und wurden nicht satt von ihren Küssen.

      Ein schwüles Aufatmen. »Pepperl –«

      »Was, Schatzl?«

      »Neulich hat er mich busseln wollen. Da hab ich ihm eine runterliniert.«

      »Geh? Is wahr?« Dieses Bekenntnis rührte ihr; sie hätte ihm ihre Liebe nicht besser beweisen können als durch das »Zähntweh« des Kammerdieners. »So a guts Madl, wie du bist! So was gibt's nimmer auf der Welt! Und dös einschichtig Busserl von der andern? Gelt, dös tust mir net verübeln?«

      »Aber gwiß net! Wir müssen froh sein, daß 's bloß an einzigs war! Und sie hat's ja dir geben. Da kannst ja du nix dafür.«

      Dankbar zog er sie auf seinen Schoß, und nun waren sie wieder schweigsam.

      Auf dem Heuboden schien der übermütigen Gesellschaft allmählich der Schlaf zu kommen. Nur ein paarmal hörte man noch ein leises Gekicher.

      Die beiden auf der Holzbank rührten sich nicht – sie seufzten nur manchmal, heiß und tief.

      Kleiner und kleiner wurde das Feuer auf dem Herd. Bevor es in Glut versank, belebte sich knisternd noch eine letzte Flamme und leuchtete rot.

      Die Kienfackel an der Wand war schon erloschen; es glostete nur der Stumpf noch ein bißchen, und stille Funken, gleich winzigen Sternchen, fielen von ihm zu Boden.

      Neunzehntes Kapitel

       Inhaltsverzeichnis

      Mitternacht war vorüber.

      Dunkel und verschwiegen, mit flimmernden Himmelslichtern, um die sich dünne Nebelschleier zu ziehen begannen, lag die Nacht über dem Tillfußer Almfeld, über Haus und Hütten. Nur manchmal rasselte leis die Glocke eines


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