Brot des Lebens. Helmut Kratzl
Читать онлайн книгу.Daher sollte in der Vorbereitung auf die Erstkommunion ernst über Versöhnung gesprochen werden und dann auch ein schönes Fest der Versöhnung gefeiert werden. So nennt man heute übrigens auch die Beichte. Aber vielleicht ist eine gemeinschaftliche Feier erlebnisreicher als die individuelle Beichte. Schließlich hat uns gerade das Konzil gelehrt, wieder die verschiedenen Formen der Sündenvergebung zu feiern. Auch dort werden Sünden vergeben, so es nicht „schwere“ sind. Übrigens ist nach CIC can. 988 § 1 die Beichte nur für schwere Sünden verpflichtend. Und kommen diese im Leben eines siebenjährigen Kindes überhaupt vor? Für die Sünden eines Kindes passt nicht das Bild des „verlorenen“ Sohns mit dem barmherzigen Vater, der neu mit dem Festtagskleid, der Gnade, bekleidet werden muss. Eher doch das Bild der Kinder, die zu Jesus drängen und die er umarmt und vor den Eltern segnet.
Neun Mal Kommunion am Herz-Jesu-Freitag – Garantie für die Seligkeit?
Jugendliche tun sich heute schwer mit der heiligen Messe. Sie haben nur selten eine innere Beziehung zum Geheimnis der Eucharistie gefunden, beurteilen die Messe daher vor allem nach der äußeren Gestaltung. „Warum ist die Messe immer so schnarchlangweilig?“, schrieb mir ein Mädchen vor der Firmung. Ich bewundere ihre Wortschöpfung, bin aber traurig über diesen Eindruck. „Die Pfarrer sollten kreativer sein“, klagt ein anderer Firmling. „Ich gehe regelmäßig zur Messe“, teilt mir stolz ein Jungscharführer mit, „einmal im Monat“. Ja, das ist auch regelmäßig, aber was ist an den anderen Sonntagen? Und selbst wenn der Wille da wäre, die Beginnzeiten der Sonntagsgottesdienste sind für Jugendliche heute immer zu früh. Das wird noch ärger, wenn Priester immer mehr Pfarren betreuen und ihren Sonntag in einer Pfarre schon um 7.30 Uhr beginnen müssen.
Jugendliche tun sich heute schwer mit der Messe. Das war aber nicht immer so. Als junger Priester habe ich das anders erlebt.
Was hat früher die Messe attraktiver gemacht?
In meiner Kaplanszeit in den 1950er Jahren habe ich eine Jugend erlebt, die ein ungezwungenes Verhältnis zur heiligen Messe hatte. Grund dafür war nicht die „alte Messe“, der heute wieder manche, auch Jugendliche, nachtrauern, es waren verschiedene Umstände, die gleichsam zur Messe „einluden“.
Da war einmal die Tatsache, dass die Eucharistiefeier in der Gesellschaft eine besondere Wertschätzung erfuhr. Die Sonntagsmesse war für viele eine Selbstverständlichkeit, nicht wenige feierten sogar an Wochentagen mit. Dann war die erlebte Gemeinschaft. Jungschar- und Jugendgruppen nützten viele Gelegenheiten, zusammenzukommen, so auch Andachten und Gottesdienste. In meiner Jugendzeit hatten wir in der Pfarre St. Ulrich jeden Mittwoch um 6.15 Uhr eine Jugendmesse. Es kamen erstaunlich viele, auch weil wir uns treffen wollten. Und schließlich machte oft der Jugendkaplan die Messe „attraktiv“. Nicht durch ein besonderes Ritual oder gewagte Experimente, sondern – wie erstaunlich – durch die Predigt. Als ich in meiner Jugendzeit mit der Pfarre auf Sommerlager war, feierten wir ohne Frage täglich die Messe und hörten unseren jungen „Pater“ gerne. Als Kaplan fuhr ich auf Jungscharlager und auch dort feierten wir täglich die heilige Messe. Es gab kein Murren, es gehörte einfach zum Tagesablauf dazu. Manche gingen sogar während des Lagers zwischendurch zur Beichte.
Es war erfreulich, dass die Jugend der Messe aus diesen Gründen näherkam. Bedenklich aber ist, wenn es dabei bleibt und die jungen Leute nicht auch zur persönlichen Begegnung mit Christus kommen. So schien eine versäumte Messe dann eher den Gemeinschaftssinn zu verletzen oder den Kaplan zu kränken, wurde aber nicht als Geringschätzung der Einladung durch Christus, den Gastgeber, empfunden.
Herz-Jesu-Verehrung verständlich für Jungscharkinder?
In den 1950er Jahren wurde die Herz-Jesu-Verehrung besonders betont. Unter anderem wurde eine der vielen Verheißungen an die hl. Margareta Maria Alacoque (1647–1690) verbreitet. Die Verheißung verspricht: „Wer an neun aufeinanderfolgenden ersten Monatsfreitagen die heilige Kommunion empfängt, wird eine gute Todesstunde haben und die Seligkeit erlangen.“ Als junger Kaplan gefiel mir diese Verheißung sehr und ich erzählte sie meiner großen Jungschargruppe. Zu meiner Überraschung waren etliche bereit, auf diese Verheißung einzugehen. Sie kamen am Herz-Jesu-Freitag regelmäßig zur Messe, beichteten vorher und gingen zur Kommunion. Ich weiß nicht, wie viele die neun Freitage „aufeinanderfolgend“ durchhielten. Sonst hätte man ja laut Verheißung wieder von vorne anfangen müssen. Aber ich freute mich riesig, für die Jugend ein neues Motiv für Messe und Kommunion gefunden zu haben.
Heute wäre solches sicher nicht mehr möglich. Ich würde es auch nicht mehr tun. Denn rückblickend bekomme ich auch schwere Bedenken. Einmal, dass ich den Eindruck erweckte, man könne sich sein Heil „verdienen“. Zum anderen habe ich es versäumt, gerade an diesen neun Freitagen die Jugendlichen dem Geheimnis der Eucharistie persönlich näherzubringen, in der wir ja das Gedächtnis dessen feiern, der „sein Herzblut für alle vergossen“ hat.
2. Kapitel
Das Messverständnis, als ich Priester wurde
Während meiner 60 Priesterjahre hat sich der Ritus der Messe in der lateinischen Kirche mehrmals verändert. Ich musste einige Male „umlernen“. Es war einerseits ein Zeichen der Lebendigkeit der Kirche, andererseits aber auch das Ringen, das Wesen der Eucharistie immer deutlicher werden zu lassen, dem immer näher zu kommen, was Jesus uns zu seinem Gedächtnis hinterlassen hat.
Wie ich im Priesterseminar Messe „lesen“ lernte
Alle, die etwas von Liturgie verstehen, werden mich rügen, dass ich Messe „lesen“ schreibe. Die Messe feiert man doch. Das weiß ich. Aber was ich in Vorbereitung auf meine Priesterweihe lernte, war tatsächlich, die Messe zu „lesen“. Es waren die genauen Vorschriften für den Priester, wie er den Ritus der Messe zu vollziehen habe.
Minutiöse Regieanweisungen für den Vollzug der Messe
Im letzten Jahr vor der Priesterweihe gab es viele sogenannte Hausstunden, die uns in den Vollzug der Messe einführten. Man sagte uns, wie wir die Hände halten müssen: gefaltet oder ausgebreitet und dann in welcher Höhe. Daumen und Zeigefinger müssen wir nach der Wandlung, da wir ja die heilige Hostie berührten, geschlossen halten bis nach der Kommunion. Hierauf wird über die Finger Wein und Wasser gegossen, und die Ablutio, wie es fachmännisch heißt, trinkt dann der Priester. Jetzt ist man sicher, dass auch nicht das kleinste Stückchen der Hostie mehr an den Fingern klebt.
Es gibt drei Arten von Verneigungen: die kleine, die mittlere und die ganz tiefe. Das Messbuch muss einmal rechts, dann links stehen. Die Auswahl der Gebete ist streng vorgeschrieben. Vor der Kommunion der Gläubigen betet der Ministrant noch einmal wie beim Stufengebet das Confiteor und der Priester darauf erneut die Vergebungsbitte. Obwohl seit Pius X. die Kommunion der Gläubigen häufiger war, erinnert dieser doppelte Ritus der Vergebungsbitte (Stufengebet und jetzt) daran, dass nach der ursprünglichen Form der „tridentinischen“ Messe die Kommunion des Volkes innerhalb der Messe gar nicht vorgesehen war.
Eine Reihe von Gebeten mussten wir auswendig lernen, so zum Beispiel jene, die beim Anlegen der liturgischen Gewänder zu beten waren. Etwa beim Schultertuch, das zuerst über den Kopf zu ziehen war, beteten wir: „Leg mir o Gott den Helm des Heiles auf das Haupt, um den Anfeindungen des Teufels widerstehen zu können.“ Beim Binden des Zingulums beteten wir: „Umgürte mich Herr mit dem Gürtel der Reinheit und lösche in meinen Lenden die Quellen der Begierlichkeit, damit in mir die Tugend der Enthaltsamkeit und Keuschheit bleibe.“
Nach der Messe wurden wir verpflichtet, uns auf die Stufen des Altares zu knien und die sogenannten Leonianischen Gebete zu verrichten. 1884 hatte sie Leo XIII. vorgeschrieben, daher ihr Name. Es war das einzige Gebet, das wir mit der Gemeinde in der Muttersprache verrichteten. Wir beteten drei Ave Maria,