Die wichtigsten historischen Romane von Henryk Sienkiewicz. Henryk Sienkiewicz

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Die wichtigsten historischen Romane von Henryk Sienkiewicz - Henryk Sienkiewicz


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ihre schlanke Gestalt, die breiten Schultern, die roten Lippen, die blauen, scharfblickenden Augen. Sie war auch weit sorgfältiger gekleidet als damals im Walde, ihren Hals schmückten rote Perlen, sie trug ein grünes, mit Pelz gefüttertes, nach vorn geöffnetes Obergewand, mit einem Unterkleid aus gestreifter Leinwand, ihre Füße staken in neuen Schuhen. Sogar dem alten Macko fiel die prächtige Kleidung auf, und indem er das junge Mädchen aufmerksam betrachtete, fragte er: »Weshalb hast Du Dich geschmückt wie zum Kirchgange?«

      Statt jeder Antwort rief sie aber: »Die Wagen kommen, die Wagen kommen!«

      Kaum waren diese vorgefahren, sprang sie darauf zu, und Zbyszko folgte ihr. Das Abladen währte bis Sonnenuntergang, zur großen Genugthuung Mackos, der jeden einzelnen Gegenstand persönlich in Augenschein nahm und für jeden Jagienka aufs neue pries. Es dämmerte schon vollständig, als das junge Mädchen sich zum Weggehen anschickte. Das Pferd ward vorgeführt, und ehe sie auch nur ein Wort des Widerspruchs erheben konnte, hatte Zbyszko sie umfaßt und in den Sattel gehoben. Eine tiefe Röte überzog ihr Antlitz, sie wendete sich von ihm ab und sagte mit einer etwas gepreßten Stimme: »Was seid Ihr für ein kräftiger Bursche!«

      Er hingegen, der durch die Dunkelheit weder ihr Erröten, noch ihre Verlegenheit zu bemerken schien, lächelte fröhlich und fragte: »Fürchtet Ihr Euch nicht vor wilden Tieren? Es ist ja schon Nacht.«

      »Auf einem der Wagen liegt mein Speer, holt mir ihn.«

      Zbyszko eilte zu dem Wagen, holte die Waffe und überbrachte sie Jagienka.

      »Lebt wohl!«

      »Lebt wohl!«

      »Der Herr lohne Euch alles! Morgen oder übermorgen komme ich nach Zgorzelic um mich bei Zych und bei Euch für Euer nachbarliches Thun zu bedanken.«

      »Ihr kommt also! Wie froh werde ich darüber sein. Vorwärts!« Und das Pferd antreibend, war sie binnen kurzem im Dickicht verschwunden.

      Zbyszko trat nun zu seinem Ohm. »Es ist wohl Zeit für Euch, ins Haus zurückzukehren.«

      Ohne sich indessen von dem Baumstumpfe zu erheben, rief Macko: »Hei! Welch ein Mädchen! Bei ihrem Kommen scheint alles in Sonnenlicht getaucht zu sein.«

      »Das ist wahr!«

      »Und zu kleiden weiß sie sich, und zu wirtschaften versteht sie, trotzdem sie kaum fünfzehn Jahre zählt.«

      »Nun!« rief Zbyszko, »der alte Zych liebt sie auch wie seinen Augapfel.«

      »Und er sagte, Moczydoly falle ihr zu, und dort auf den Wiesen weideten viele Stuten und Hengste.«

      »In den Wäldern von Moczydoly befinden sich wohl große Sümpfe?«

      »In denen zahllose Biberbaue sind.«

      Aufs neue trat Schweigen ein. Macko warf einen prüfenden Blick auf Zbyszko, dann fragte er: »Ueber was sinnst Du? An was denkst Du?«

      »Ach, seht Ihr. Jagienka erinnert mich so sehr an Danusia, daß mir das Herz weh thut.«

      »Kehren wir in das Haus zurück!« bemerkte jetzt der alte Edelmann. »Es ist spät geworden.«

      Und sich mühsam erhebend, stützte er sich auf Zbyszko, der ihn in die Kammer geleitete.

      Schon am folgenden Tage begab sich Zbyszko nach Zgorzelic, dem Drängen Mackos folgend, welcher den Bruderssohn auch veranlaßte, um die Bedeutung des Besuches zu erhöhen, zwei Knechte mitzunehmen und sich selbst in den höchsten Staat zu werfen. Damit sollte Zych, dem man darthun wollte, wie sehr man ihm zu Dankbarkeit verpflichtet sei, ganz besonders geehrt werden. Zbyszko hatte sich auch in der That wie zu einem Feste gekleidet, trug er doch die prächtige weiße Atlasjacke, mit goldenen Fransen geziert und mit goldenen Greifen bestickt. Singend und mit offenen Armen empfing ihn Zych, Jagienka hingegen, die gerade in die Stube trat, blieb wie angewurzelt auf der Thürschwelle stehen, und es hätte nicht viel gefehlt, so wäre ihr beim Anblick des Jünglings die Weinflasche aus den Händen gefallen, denn so wie er, dünkte ihr, könne nur ein Königssohn erscheinen. Mit ihrer sonstigen Kühnheit war es vorbei, still setzte sie sich nieder und rieb nur von Zeit zu Zeit die Augen, als ob sie eben aus dem Schlafe erwache. Der junge Ritter aber, dem es an Erfahrung gebrach, glaubte nicht anders, als daß sie aus einem ihm unbekannten Grunde ihn nicht gern hier sehe, und unterhielt sich infolgedessen ausschließlich mit Zych, dem er für seine nachbarliche Hilfsbereitschaft dankte und dem er sein Staunen über den Herrenhof in Zgorzelic aussprach, dem thatsächlich in nichts der in Bogdaniec verglichen werden konnte.

      Allenthalben ließ sich hier Wohlstand, ja Reichtum erkennen. Die Scheiben der Stubenfenster bestanden aus Horn, welches so dünn und so glatt geschnitten war, daß es an Durchsichtigkeit fast dem Glase gleichkam. In der Mitte der Stuben befanden sich keine Herde, sondern es erhoben sich hohe Kamine, an deren Vorsprüngen Geweihe angebracht waren. Der reinlich gescheuerte Fußboden bestand aus Lärchenholz, an den Wänden hingen Waffen und eine Menge Schüsseln, glänzend wie die Sonne, abgesehen von dem schöngeschnitzten Löffelbrett mit einer Reihe von Löffeln, unter denen zwei silberne waren. Da und dort hingen auch Teppiche, teils im Krieg erbeutet, teils von wandernden Händlern gekauft. Unter den Tischen lagen ungeheure fahlgelbe Felle von Bisam, Auerochsen und Ebern. Voll freudigen Stolzes zeigte Zych seinen Reichtum und betonte dabei jeden Augenblick aufs neue, daß dies alles Jagienka bewirtschafte. Er führte Zbyszko auch in eine Seitenkammer, duftend nach Harz und Kräutern, in welcher an der Decke ganze Bündel Felle von Wölfen, Füchsen, Mardern und Bibern hingen. Dann zeigte er ihm das Käsehäuschen, den Aufbewahrungsort von Wachs und Honig, die Tonnen mit Mehl, den Aufbewahrungsort von gut gebackenem Brot, Flachs und getrockneten Pilzen. Auch in die Speicher führte er ihn, in die Viehställe, in die Pferde-und Schweineställe, in die Schuppen für die Wagen, für die Geschirre, für die Jagdgeräte, für die Fischnetze, und so sehr wußte er seinen Wohlstand Zbyszko vor Augen zu führen, daß dieser seinem Staunen unumwundenen Ausdruck verlieh. »Leben, nicht sterben möchte man in Eurem Zgorzelic!« rief er.

      »In Moczydoly herrscht beinahe der gleiche Wohlstand,« bemerkte Zych. »Du kennst doch Moczydoly! Es liegt ganz nahe bei Bogdaniec. Früher stritten sich sogar unsere Väter wegen der Grenzen und schickten sich Forderungen zum Kampfe. Aber ich werde nicht streiten.«

      Dann hielt er Zbyszko sein Glas mit Met entgegen und fragte: »Willst Du vielleicht etwas singen?«

      »Nein,« sagte Zbyszko, »ich bin gespannt darauf, Euch zu hören.«

      »Siehst Du, Zgorzelic werden die kleinen Bären bekommen, vorausgesetzt, daß sie deshalb nicht einander zerreißen.«

      »Was für kleine Bären?«

      »Na, die Bürschlein, Jagienkas Brüder.«

      »Nun, die werden nicht nötig haben, an ihren Pfoten im Winter zu saugen.«

      »Aber weshalb trinkst Du nicht? Jagienka schenke ihm und mir ein.«

      »Ich esse und trinke soviel ich kann.«

      »Wenn Du nicht mehr kannst, schnallst Du den Gurt ab. Ein schöner Gurt! Ihr müßt aus Litauen reiche Beute mitgebracht haben?«

      »Wir können nicht klagen,« entgegnete Zbyszko, die Gelegenheit benützend, um zu zeigen, daß die Besitzer Bogdaniecs auch nicht zu unterschätzende Edelleute seien. »Einen Teil der Beute verkauften wir in Krakau und erhielten vierzig Mark Silber dafür.«

      »Bei Gott dem Herrn, dafür kann man sich ja ein Dorf kaufen.«

      »Es war eine mailändische Rüstung, welche der Ohm verkaufte, weil er sich selbst für verloren hielt, und daher …«

      »Ich weiß! Nun, da lohnt es sich, nach Litauen zu gehen. Ich wollte seiner Zeit auch gehen, aber ich fürchtete mich.«

      »Weshalb? Vor den Kreuzrittern?«

      »Ach, wer fürchtet sich vor den Deutschen! So lange sie Dich nicht totschlagen, ist kein Grund vorhanden, sich zu fürchten, und wenn sie Dich totschlagen, hast Du keine Zeit mehr dazu.«

      »Ich fürchtete mich vor den Heidengöttern, das heißt vor den Teufeln.


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