G. K. Chesterton: Krimis, Aufsätze, Romane und mehr. Гилберт Кит Честертон

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G. K. Chesterton: Krimis, Aufsätze, Romane und mehr - Гилберт Кит Честертон


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      Das achte Kapitel.

       Der Herr Professor demaskieren sich

       Inhaltsverzeichnis

      Wie Syme sich da nun zu guter (?) Letzt auf einem Stuhl wiederfand und ihm gerad gegenüber – – die hochgezogenen Augenbrauen und die herabfallenden Lider des Professors, kam ihm all seine frühere Heidenangst zurück. Dieser unbegreifliche Mensch aus dem fürchterlichen Rat hatte ihn, das war doch endlich klar, verfolgt. Daß dieser Mann einesteils ein vollständiger Paralytiker und andernteils ein ausgemachter Bluthund war, solche Antithese mochte ihn ungleich interessanter, aber schwerlich ungefährlicher und sänftiglicher machen. Und das war ein schlechter Trost, daß er sich beim Professor nicht auskannte – wenn der Professor sich durch irgend etwas bei ihm auskannte. Syme trank einen ganzen zinnernen Pott Ale aus, ehe der Professor seine Milch auch nur kostete …

      Eine Möglichkeit immerhin stand noch zu hoffen, wenn sie ihm auch weiter nichts helfen konnte. Es war sehr möglich, daß diese Eskapade noch etwas anderes bedeuten konnte als nur Beargwöhnung, Ueberwachung und Verdacht. Vielleicht war es irgendeine vorgeschriebene Form, eine Förmlichkeit oder ein Ritus. Vielleicht war die wahnsinnige Galoppade irgendein Geheimzeichen, das er nur hätte verstehen sollen. Ja ja ja ja, vielleicht – vielleicht war es ein Ritus. Vielleicht wurde der Donnerstag, weil es der geheime oder feierliche Brauch so wollte, allemal die Cheapside-Straße heruntergejagt: so wie jeder neue Lord Mayor die Cheapside-Straße lang eskortiert wird. Er wollte just versuchen, dies aus dem alten Professor mit List und Schläue langsam herauszukriegen, als der seinerseits ihn jäh unterbrach. Ja, bevor Syme die erste diplomatische Frage zu stellen vermochte, fragte der alte Anarchist plötzlich – ohne alle Vorarbeitung, ohne jedweden Apparat:.

      »Sind Sie ein Policeman?«

      Syme wäre auf alles gefaßt gewesen – nur nicht auf so etwas Brutales, so ganz und gar Persönliches. Selbst seine anerkannt große Geistesgegenwart hatte dem nichts entgegenzusetzen als ein blödes Lustigtun – ein vages Lachen –

      »Ein Polizeimensch? Wie meinen Sie, daß ich zu einem Polizeimenschen käme?«

      »Das meine ich sehr einfach«, sagte der Professor mit größter Ruhe. »Ich dachte nur – Sie sehen ganz danach aus … Und das denke ich noch.«

      »Sollte ich irgendwie, ohne daß ich es wüßte, in dem Restaurant einen Polizeihut erwischt ha-befi?« fragte Syme und grinzte wild. »Habe ich durch einen Zufall irgendwo eine Nummer an mir stecken? Sehen vielleicht meine Stiefel so blau aus? Warum muß ich ein Polizeimensch sein? Lassen Sie mich doch lieber für einen gelben Postmenschen gelten.«

      Der alte Professor schüttelte seinen Kopf so ernst, daß nichts zu hoffen stand. Syme indes fuhr in fieberischer Ironie fort:

      »Aber vielleicht begriff ich die Delikatesse Ihrer germanischen Philosophie nicht. Vielleicht ist Polizeimensch ein relativer Begriff von Ihnen. In einem evolutionären Sinn, verehrter Herr, verschwand der Affe so graduell im Polizeimann, daß ich die Schattierung nicht mehr nachweisen kann. Der Schutzmann ist womöglich ein… Maulaffe. Ich aber möchte womöglich kein . . Schutzmann sein. Ich möchte germanisch gedacht, womöglich überhaupt nichts sein.«

      »Sind Sie im Polizeidienst?« sagte der Greis und ignorierte all den improvisierten desperaten Ulk. »Sind Sie ein Detektiv?«

      Symes Herz, das ward zu Stein. Aber sein Gesicht wechselte nicht im geringsten.

      »Sie wollen mir da etwas durchaus Lächerliches suggerieren«, fing Syme von neuem an. »Warum in aller Welt – –«

      Aber der alte Mann schlug mit der gichtigen Hand wild auf den baufälligen Tisch, daß der schier einfallen wollte.

      »Hören Sie nicht, daß ich Sie eine glatte Frage frage, Sie erbärmliches Schwatzmaul von einem Spion?« schrie er wie verrückt. »Sind Sie ein Polizeidetektiv oder sind Sie es nicht?«

      »Nein«, antwortete Syme – wie unter dem Fallbrett des Galgens.

      »Sie schwören es?« sagte der alte Mann und beugte sich zu ihm herüber, und in sein totes Gesicht fuhr eine ekelhafte Lebendigkeit. »Sie schwören mirs zu! Wenn Sie falsch schwören – wollen Sie verdammt sein? Wollen Sie sicher sein, daß die Hölle zu Ihrem Leichenbegängnis tanzt? Wollen Sie erleben, wie die Nachtmahr auf Ihrem Grabe sitzt? Verstehen Sie mich auch durchaus und ganz und gar? Sie sind ein Anarchist – ein Dynamitheld! Aber über all dem – – sind Sie da nicht irgendwie ein Detektiv? Stehen Sie nicht in britischen Polizeidiensten und sind Sie kein Detektiv?«

      Er stützte seinen spitzigen Ellbogen mitten auf den Tisch auf und hielt seine große Zitterhand wie eine Muschel an sein Ohr.

      »Ich stehe nicht in britischen Polizeidiensten«, sprach Syme – geistesgestört-kaltblütig. »Und bin kein Detektiv.«

      Professor de Worms fiel wie mit einem Kollaps aus reinem Mitgefühl auf seinen Stuhl zurück. »Das ist ein Jammer –«, sprach, er, »– indem daß nämlich ich einer bin.«

      Syme fuhr auf – daß die Bank krachend hinter ihm hinschlug.

      »Indem daß näm – Sie was sind?« stotterte er »W – w – wa – was sind?«

      »Ein Policeman!« sagte der Professor und lachte zum erstenmal und strahlte nur durch seine Augengläser. »Außer es wäre Ihnen Policeman ein relativer Begriff – dann natürlich hätte ich nichts mit Ihnen zu schaffen. Ich bin von der Britischen Polizeigewalt. Und wenn Sie mir sagen, daß Sie nicht von der Britischen Polizeigewalt sind, so kann ich Ihnen nur entgegnen, daß ich Sie in einem Dynamitverbrecherklub getroffen habe. Und denke, daß ich Sie hierdurch verhafte. Im Namen des Gesetzes.« Und mit solchen Worten -legte er vor Syme ein genaues Faksimile jener blauen Karte auf den Tisch, wie Syme selber eine in seiner «Westentasche trug – das Symbol polizeilicher Gewalt …

      Syme hatte einen Augenblick lang das Gefühl: die Welt stand köpf … alle Bäume wuchsen niederwärts und die Sterne waren unter seinen Füßen. Bis er sich dann langsam vom Gegenteil überzeugte. Die letzten vierundzwanzig Stunden – die war die Welt kopf gestanden … und nun erst kam das umgefallene Universum wieder oben auf. Der Teufel, dem er all den Tag über zu entkommen gesucht hatte, entpuppte sich als ein vieledler Bruder aus seiner eigenen Bruderschaft – der sich überm Tisch drüben weit zurücklehnte und ihn auslachte … Syme fragte vorerst nach gar keiner Einzelheit weiter; er begnügte sich vorläufig ganz mit der lustigen, blödsinnig lustigen Tatsache, daß der Schatten, der ihn mit unerbittlichem Dräun verfolgte, der Schatten eines – Kollegen war. Er begnügte sich – und er vergnügte sieh mit diesen beiden Dingen, daß er erstens ein Narr war und zweitens ein freier Mann. Mit der Genesung von einer Krankheit geht Hand in Hand eine gewisse heilsame Demütigung. Da kommt ein gewisser Augenblick, wo nur diese drei Dinge möglich sind: ein teuflischer Hochmut erst, dann Tränentropfen und als drittes Gelächter. Symes Selbstsucht brüstete sich ein paar Sekunden im ersten Stadium – und sprang aber dann gleich ins letzte über. Er griff nach seinem eigenen blauen Polizeiticket und warf es auf den Tisch; warf den Kopf so sehr zurück, daß die Spitze seines Spitzbärtchens auf die Zimmerdecke zeigte und brach in ein barbarisches Gelächter aus.

      Selbst in diesem Loch von einem Lokal, das ohnehin fortwährend von Messern, Tellern, Kannen, Matrosenkehlen, plötzlichem Streit und wildem Aufbruch erdröhnte, hatte Symes Heiterkeit etwas so Homerisches, daß sich ein paar Halbbetrunkene umdrehten.

      »Ueber was lachen Sie denn, Herr Generaldirektor?« fragte ein verwunderter Dockarbeiter.

      »Ueber – über mich selber«, brachte Syme heraus und überließ sich aufs neue den Verzückungen der Reaktion.

      »Nehmen Sie sich zusammen«, sprach der Professor. »Sie werden mir sonst noch hysterisch. Trinken Sie noch ‘n Bier. Ich trink auch eins.«

      »Aber Sie haben ja nicht einmal Ihre Milch getrunken?« sprach Syme.

      »Meine


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