Karin Bucha Staffel 5 – Liebesroman. Karin Bucha
Читать онлайн книгу.sie zu sich heran und läßt sie im Schreibtisch verschwinden. »Es ist wegen der Promille. Mille hast du gerade genug in der Brieftasche.«
*
Wattenberg erlebt eine große Überraschung, als er gegen elf Uhr in das Krögersche Haus kommt. Lucie, die Augen verweint, läßt ihn ein.
»Was ist denn mit Ihnen los?« fragt er erstaunt.
Lucies Tränen fließen erneut. »Ach, die liebe gnädige Frau…«
Wattenberg verliert die Farbe. »Die alte Dame…?« fragt er atemlos.
»Nein, die ist oben. Sie ist vor einer halben Stunde aus der Klinik zurückgekommen. Es handelt sich um die junge gnädige Frau. Dr. Werner hat sie heute nacht zu Professor Sonntag in die Klinik gebracht.«
Wattenberg hat das Gefühl, als würde ihm das Herz stillstehen.
»Wo befindet sich Frau von Welling?«
»Oben im kleinen Wohnzimmer.«
»Danke!«
Mit Riesenschritten nimmt er die Freitreppe und holt noch einmal tief Luft, bevor er anklopft und eintritt.
Frau von Welling hat geweint. Bei seinem Anblick kommt sie förmlich auf ihn zugeflogen. So hat er sie noch nicht gesehen.
»Gut, daß du kommst, Achim.« Sie zieht ihn tiefer ins Zimmer. »Die arme Bettina.«
»Was – was ist denn passiert?« Er spürt, wie ihm die Stimme versagen will. Er reißt sich zusammen. Diese alte Dame verlangt Trost von ihm.
»Eine Frühgeburt, Achim«, berichtet Franziska, und sie weint vor Sorgen. »Professor Sonntag hat selbst operiert. Mich hat man heimgeschickt. Nun sitze ich vor dem Telefon und warte auf einen Anruf aus der Klinik. Es steht nicht gut um Bettina.«
Das darf nicht sein! Alles, nur das nicht. Bettina muß leben. Er legt den Arm um Franziska und geleitet sie in ihre Ecke.
»Sei nicht so verzweifelt, Mama. Wenn es dir recht ist, bleibe ich bei dir.«
So sitzen sie gemeinsam vor dem Telefon. Sie schweigen – oder sie wechseln ein paar Worte. Alle drehen sich um Bettina.
Endlich, nach qualvollem Warten, klingelt das Telefon.
»Nimm du den Hörer ab, Achim.« Sie zittert an allen Gliedern. Aus großen Augen blickt sie auf Wattenberg und lauscht seinen Worten, die er mit jemand aus der Klinik wechselt. Nachdenklich legt er auf.
»Es war der Professor selbst, Mama. Das Kind ist tot, aber Bettina ist soweit außer Gefahr…«
»Tot?« Sie drückt ihr Taschentuch gegen die Augen. »Und Bettina hatte sich so sehr gefreut.«
»Mir tut es auch leid. Ich hätte das Kind wie mein eigenes lieben wollen.«
»Das glaube ich, Achim. Wenn es nur Bettina gutgeht.« –
Vierzehn Tage lang fahren Wattenberg und Franziska täglich in die Klinik. Bettina erholt sich zusehends.
Wie in stiller Übereinkunft wird zwischen den drei Menschen kein Wort über die Ursache von Bettinas Aufenthalt in der Klinik gesprochen.
Eines Tages verlangt sie dringend nach Hause.
»Und was sagt der Professor dazu?« Franziska hat sich auf den Stuhl neben Bettinas Sessel gesetzt und hält deren Hand.
»Er will mich noch hierbehalten. Ich fühle mich aber nicht mehr krank«, begehrt sie heftig auf und wirft einen hilfesuchenden Blick auf Wattenberg, den dieser sofort versteht.
»Soll ich mit dem Professor sprechen?« fragt er, und sie nickt ihm dankbar zu.
Kurze Zeit später steht er Professor Sonntag gegenüber.
»Sie kommen wegen Frau Kröger, ja? Die Patientin möchte gern nach Hause.«
»Genau deshalb komme ich zu Ihnen. Sie wird doch schon mit Ihnen gesprochen haben?«
»Das hat sie…«
Wattenberg sieht den Professor beunruhigt an. »Haben Sie irgendwelche Bedenken, Herr Professor?«
»Eigentlich nicht«, meinte der Professor nach einer Weile des Nachdenkens, »und trotzdem… Körperlich ist sie gesund. Irgend etwas aber scheint in ihr zerbrochen. Sie müssen sehr viel Geduld mit ihr haben. Ich hätte sie ja gern noch etwas beobachtet, aber das gehört nicht ganz zu meinem Bereich, obwohl ein tüchtiger Arzt auch ein guter Psychologe sein soll. Nun ja, hoffen wir, daß die altvertraute Umgebung einen heilsamen Einfluß auf sie ausübt.« Er erhebt sich, und mit ihm Wattenberg. »Ich komme mit Ihnen, muß mich doch verabschieden.«
*
Es ist keine Absicht, sondern Zufall, daß Bettinas Hochzeitstag auf einen Frühlingstag fällt, auf den gleichen Tag, an dem sie ein Jahr zuvor in ihrer Verzweiflung auf Achim Wattenberg gestoßen ist.
Heute zeigt sich der Himmel in seinem schönsten Blau. Die Sonne hat die Luft erwärmt. Aus dem Park steigt Blütenduft.
Bettina steht am Fenster ihres Ankleidezimmers. Sie ist sehr ernst. Bald wird Achim kommen, um sie zur Trauung abzuholen. Nun wird es doch wahr! Er hat auf ihrem Pakt bestanden. Er will sie zur Frau nehmen, obgleich von Liebe zwischen ihnen nicht gesprochen wird. Dabei tut ihr das Herz vor lauter Liebe weh…
Was soll das bloß für ein Leben werden? Täglich wird sie ihn sehen, ihn sprechen können, und er wird ihr doch fremd sein. Er muß ihr fremd sein.
Wird es ihr jemals gelingen, sein Herz zu erringen?
Sie hat sich mit Händen und Füßen gesträubt, in Weiß zur Trauung zu gehen, und sie hat gewünscht, daß die Hochzeit im engsten Kreise gefeiert wird. Achim ist auf ihre Wünsche eingegangen. Nur auf der kirchlichen Feier hat er bestanden.
Bettina trägt ein blaues Kostüm, einen silbergrauen Hut mit Schleier, unter dem die Augen geheimnisvoll glänzen.
Achim Wattenberg hat auf den Frack verzichtet. Im dunklen Anzug tritt er bei Bettina ein. Seine Hochzeit hat er sich eigentlich etwas anders vorgestellt, aber mehr kann ein Mann eine Frau nicht lieben, so wie er Bettina liebt. Er hat die Frau seines Lebens gefunden.
Mit einem kurzen Aufleuchten der hellen Augen umfaßt sein Blick ihre anmutige Erscheinung.
Er zieht ihre Hand an seine Lippen.
»Noch ist es Zeit, Bettina, noch kannst du zurück.«
Ihre Hand ruht in der seinen, da er sie nicht freigibt.
»Du hast es so gewollt, Achim. Du hättest verdient, glücklich zu werden.«
Er preßte ihre Finger sekundenlang und gibt sie dann frei.
»Hast du die Absicht, mich unglücklich zu machen?«
Verwirrt greift sie zu Handschu-hen und Tasche. »Ich meine nur, weil wir doch kein Ehepaar im wirklichen Sinne werden.«
»Das macht nichts, mein Liebes«, sagt er mit Wärme, und das macht sie noch verwirrter. »Dafür bekomme ich die schönste, die klügste und die gütigste Frau.«
Er nimmt die traumhaft schönen Teerosen vom Tisch, die er bei seinem Eintritt dort abgelegt hat, und legt sie ihr in die Arme.
Dann umfaßt er ihre Schultern und zieht sie etwas dichter zu sich heran.
»Einen Augenblick noch, Bettina.« Seine hellen Augen sehen sie offen und ernst an. »Du darfst nie vergessen, daß ich dein bester Freund bin. Schenk mir dein Vertrauen, und ich bin glücklich und zufrieden. Und denke nicht, daß ich dich in ein goldenes Gefängnis sperren will. Du besitzt deine volle Bewegungsfreiheit und…« Hier stockt seine Rede. »Und solltest du einmal dein Herz für einen Mann entdecken, dann gebe ich dich sofort frei.«
Er tritt zurück und reicht ihr den Arm. Bettina ist den Tränen nahe.
Dann bin ich bis zum Ende meiner Tage an dich gefesselt, möchte sie ihm zurufen, aber nicht ein