Historische Romane: Die Kreuzritter + Quo Vadis? + Mit Feuer und Schwert + Sintflut + Pan Wolodyjowski + Auf dem Felde der Ehre. Henryk Sienkiewicz

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Historische Romane: Die Kreuzritter + Quo Vadis? + Mit Feuer und Schwert + Sintflut + Pan Wolodyjowski + Auf dem Felde der Ehre - Henryk Sienkiewicz


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edelgesinnte, wenn schon jähzornige Ulrich von Jungingen, der Bruder des Meisters, jenen Jüngling liebgewonnen und in seinen besondern Schutz genommen, ja daß er ihm eiserne Briefe mitgegeben hatte, und daß der junge Ritter dann später, wahrscheinlich gen Osten aufgebrochen sei. Diese Kunde erfreute Macko ungemein, da er nicht den geringsten Zweifel hegte, daß Zbyszko jener Ritter war. In Anbetracht dessen lag nun kein Grund mehr vor, sich nach Marienburg zu begeben, denn obgleich der Großmeister der Johanniter oder andere Würdenträger und Ritter des Ordens, welche dort geblieben waren, noch bessere Fingerzeige hätten geben können, vermochten sie doch nicht auszusagen, wo Zbyszko gegenwärtig weilte. Zudem wußte Macko selbst am besten, wo er seinen Bruderssohn finden könne. War es doch nicht schwer zu erraten, daß dieser in der Gegend von Szczytno umherstreife, und wenn er Danusia dort nicht fand, seine Nachforschungen in den entfernteren Schlössern und Komtureien des Ostens fortsetze.

      Ohne Zeit zu verlieren, zogen die Reisenden nun durch das Ordensland gen Szczytno. Sie kamen rasch vorwärts, da die zahlreichen Städte und Städtchen durch Landstraßen verbunden waren, welche von den Kreuzrittern, vornehmlich aber von den in den Städten seßhaften Kaufleuten in gutem Stand erhalten wurden und den polnischen fast gleich kamen, die man unter der umsichtigen, thatkräftigen Regierung König Kasimirs angelegt hatte. Zudem war das Wetter wunderschön, der nächtliche Himmel ausgestirnt, und an den hellen Tagen um die Melkezeit am Mittag wehte ein warmer leichter Wind, welcher die Brust der Menschen schwellte, ihre Lebensgeister hob. Auf den Feldern grünte das Getreide, die Wiesen waren über und über mit Blumen bedeckt, ein würziger Harzgeruch entströmte den Fichtenwäldern. Während der ganzen Fahrt nach Lidzborak, von dort nach Dsialdow und weiter bis nach Niedzborz sahen die Reisenden keine Wolke am Himmel. In Niedzborz erst kam während der Nacht ein Regenschauer mit Gewitter, das erste in diesem Frühling. Doch Regen und Donner währten nicht lange, und als der Tag anbrach, war das Firmament wieder so hell, ruhig, golden und leuchtend, daß alles, soweit das Auge reichte, glänzte und schimmerte wie Diamanten und Perlen. Die Erde schien den Himmel anzulachen und sich über den Reichtum der Natur zu freuen.

      An diesem Morgen zogen sie von Niedzborz gen Szczytno. Die masovische Grenze war nicht mehr weit entfernt, und sie hätten sich ebensogut nach Spychow wenden können. Während eines kurzen Momentes dachte Macko auch daran, dies zu thun, doch nachdem er alles wohl erwogen hatte, beschloß er geradewegs gegen die furchtbare Feste der Kreuzritter zu dringen, worin sich so manches abgespielt hatte, das für Zbyszkos Schicksal verhängnisvoll geworden war. Nachdem er einen Landmann als Führer genommen hatte, gebot er diesem, ihn samt seinem Gefolge nach Szczytno zu geleiten, obwohl ein Führer nicht unbedingt notwendig war, denn von Niedzborz nach Szczytno zog sich eine gerade Landstraße hin, worauf die deutschen Meilen mit Steinen bezeichnet waren.

      Der Führer befand sich immer einige Schritte voraus, hinter ihm kam Macko und Jagienka zu Pferde, hierauf in ziemlich großer Entfernung der Böhme und die hübsche Anielka, den Schluß bildeten die von bewaffneten Mannen umgebenen Wagen. Es war noch früh am Morgen. Ein rosiger Schimmer färbte den östlichen Himmel, obwohl die Sonne schon hell schien, und die Tautropfen auf Gräsern und Blumen in Opale verwandelte.

      »Fürchtest Du Dich nicht, nach Szczytno zu gehen?« fragte Macko.

      »Nein, ich fürchte mich nicht!« antwortete Jagienka. »Unser Herrgott ist über mir, denn ich bin ja eine Waise.«

      »Dort kennt man keine Ehre und keine Treue. Von allen ist Danveld freilich der Schlimmste gewesen, doch Jurand hat ihn mit Godfryd zugleich aus dem Wege geräumt. So sagt der Böhme. Rotgier, der durch Zbyszkos Streitaxt fiel, war nicht besser, aber auch der Alte ist hart und grausam und hat sich dem Teufel verschrieben … Die Leute wissen zwar nichts Sicheres, ich glaube indessen, wenn Danusia getötet ward, so ist es durch des Alten Hand geschehen. Es geht die Rede, er habe auch einen Unglücksfall gehabt, aber die Fürstin erzählte mir in Plock, er sei wieder genesen. Mit ihm werden wir in Szczytno zu verhandeln haben. Gut, daß wir im Besitze des Briefes von Lichtenstein sind, denn gewiß fürchten ihn die Brüder, diese Hunde, mehr als den Großmeister selbst, denn sie sagen, er genieße großes Ansehen, sei grausam und strenge und überdies rachsüchtig. Nicht die geringste Beleidigung verzeihe er. Ohne dies Schreiben würde ich nicht so ruhig nach Szczytno gehen.«

      »Und wie nennt sich jener alte Mann?«

      »Zygfryd de Löwe.«

      »Gott gebe, daß wir uns ihm gegenüber schützen können.«

      »Gott gebe es!«

      Hier lachte Macko laut und nach einer Weile begann er wieder: »Die Fürstin in Plock sagte zu mir: ›Euer Vorgehen ist dem von Lämmern gegen Wölfe zu vergleichen, trotzdem haben schon drei von den Wölfen das Leben verloren, weil die unschuldigen Lämmer sie überwältigten.‹ Und so ist es in der That, wenn alles, was ich hörte, der Wahrheit entspricht.«

      »Und Danusia? Und ihr Vater?«

      »Ich stellte der Fürstin die gleiche Frage. Doch in der Seele bin ich froh darüber, daß es sich gezeigt hat, wie gefährlich es ist, uns ein Unrecht zuzufügen. Siehst Du, auch wir verstehen es, ein Beil in die Hand zu nehmen und es zu gebrauchen! Und was Danuska und Jurand anbelangt, so glaube ich wie der Böhme, daß sie nicht mehr am Leben sind, aber tatsächlich weiß niemand etwas Sicheres darüber. Jurand beklage ich, denn bei Lebzeiten verzehrte er sich in Kummer um seine Tochter, und wenn er tot ist, so ist er eines schrecklichen Todes gestorben.«

      »So oft ihn jemand in meiner Gegenwart erwähnt, muß ich an mein geliebtes Väterchen denken. Auch er ist ja nicht mehr unter den Lebenden!« sagte Jagienka.

      So sprechend, hob sie die feuchten Augen zum Himmel empor.

      Macko aber nickte und sagte: »Er steht vor Gottes Gericht, und sicherlich wird er im ewigen Lichte wandeln, denn einen besseren Menschen als ihn gab es in unserem ganzen Königreiche nicht.«

      »Nein, nein, einen besseren gab es nicht!« seufzte Jagienka.

      Das Gespräch wurde durch den als Führer dienenden Landmann unterbrochen, der plötzlich seinen Hengst anhielt, dann eine Wendung mit ihm machte und im Galopp auf Macko zuritt, indem er in seltsamem, erschreckten Tone ausrief: »O um Gotteswillen! Seht, Herr Ritter, wer dort vom Hügel herab auf uns zukommt.«

      »Wer? Wo?« fragte Macko.

      »Seht dorthin! Es muß ein Riese oder etwas Aehnliches sein!«

      Ihre Pferde anhaltend, blickten Macko und Jagienka nach der bezeichneten Richtung und sahen wirklich auf der Anhöhe etwa fünfzig Schritte entfernt eine Gestalt, welche durch ihre Größe das Maß eines gewöhnlichen Menschen beträchtlich zu überragen schien.

      »Daß es ein riesiger Kerl ist, darin hat er recht!« murmelte Macko. Dann runzelte er die Stirne, spie plötzlich aus und sagte: »Behext sei dieser Hund!«

      »Weshalb verwünscht Ihr ihn?« fragte Jagienka.

      »Weil ich mich erinnere, daß ich und Zbyszko an einem Morgen wie der heutige auf der Landstraße von Tyniec nach Krakau einen ähnlichen riesenhaften Menschen gesehen haben. Damals sagten die Leute, es sei Walgierz Wlady. Schließlich zeigte es sich, daß es der Herr aus Taczew war, aber viel Gutes erwuchs nicht daraus. Behext sei der Hund!«

      »Ein Ritter ist es nicht, denn er geht ja zu Fuße,« sagte Jagienka, schärfer hinsehend. »Ich sehe sogar, daß er keine Waffen hat, nur einen Wanderstab trägt er in der linken Hand.«

      »Und er tastet nach dem Weg, wie wenn es Nacht wäre,« fügte Macko hinzu.

      »Und er kann sich kaum vorwärts bewegen. Gewiß ist er blind, denn was sollte es sonst sein?«

      »Er ist blind! Er ist blind! So wahr ich lebe!«

      Sie trieben ihre Pferde an und hielten bald vor dem alten Manne, welcher, sehr langsam den Hügel herabsteigend, seinen Weg mit dem Stocke suchte.

      Er war in der That ungewöhnlich groß, wenngleich er in der Nähe nicht mehr wie ein Riese erschien. Auch zeigte es sich, daß er vollständig blind war. Anstatt der Augen hatte er zwei rote Höhlen im Gesicht, die rechte Hand fehlte ihm, und er hatte den Stummel mit schmutzigen Lappen umwunden.


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