Historische Romane: Die Kreuzritter + Quo Vadis? + Mit Feuer und Schwert + Sintflut + Pan Wolodyjowski + Auf dem Felde der Ehre. Henryk Sienkiewicz

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Historische Romane: Die Kreuzritter + Quo Vadis? + Mit Feuer und Schwert + Sintflut + Pan Wolodyjowski + Auf dem Felde der Ehre - Henryk Sienkiewicz


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dann müssen wir uns als Erste auf sie werfen, denn wir sind am besten gewappnet, wir führen die schärfsten Schwerter.«

      »Das soll geschehen!« erklärte Macko.

      Schon setzten sich die Mannen fester in die Sättel, gerade als ob es im nächsten Augenblicke losgehen werde, schon holte der und jener tief Atem, während er prüfte, ob sein Schwert leicht aus der Scheide gehe. Abermals wiederholte Zbyszko den Befehl, jeden Ritter in weißem Mantel, welcher sich unter dem Fußvolke befinde, zu verschonen, ihn nicht zu töten, sondern ihn nur zum Gefangenen zu machen, dann sprengte er wieder zu den Anführern und gleich darauf machte die Kriegsschar Halt. Sie hatte den Weg erreicht, der zu der Furt führte. Tatsächlich konnte er jedoch keine Straße, sondern nur ein breiter Pfad genannt werden, und erst vor ganz kurzer Zeit war der Wald so weit ausgeholzt worden, daß ein Kriegsheer, ja sogar Wagen, ungefährdet hindurchzukommen vermochten. Auf beiden Seiten des Pfades ragten hohe Fichtenbäume empor, da und dort lagen die mächtigen Stämme, die gefällt worden waren. An manchen Stellen standen die Haselnußsträuche so dicht, daß kein Auge hindurchzudringen vermochte. Mit kundigem Blicke suchte Zbyszko diese geeigneten Plätze für seine Kriegsschar aus. Damit die Deutschen sie nicht schon von ferne wahrnehmen und sich dann zurückziehen oder in Schlachtordnung aufstellen konnten, hieß er seine Mannen sich auf beiden Seiten des Pfades in den Hinterhalt legen und hier den Feind erwarten.

      Die Samogitier, welche an das Leben in den Wäldern, an die Kriegführung inmitten einer Wildnis gewohnt waren, bargen sich so rasch hinter Bäumen und gefällten Stämmen, hinter Haselnußsträuchen und jungen Tannen, als ob die Erde sie verschlungen hätte. Keiner von ihnen gab einen Laut von sich, kein Pferd ließ auch nur ein Schnauben hören. Von Zeit zu Zeit lief das oder jenes wilde Tier auf die auf der Lauer liegenden Leute zu, ein jedes rannte aber erschreckt in den tiefen Wald zurück, sobald es eines Menschen ansichtig wurde. Zuweilen erhob sich ein Windstoß, sodaß plötzlich ein mächtiges Brausen durch den Wald fuhr, dem jedoch sofort wieder lautlose Stille folgte. Nur aus der Ferne ertönte in kurzen Zwischenräumen der Ruf des Kuckucks, und in der Nähe erklang dann und wann das Hämmern des Spechtes.

      Freudig horchten die Samogitier auf dieses Hämmern, galt ihnen doch der Vogel als Bringer froher Kunde. Zahllose Spechte schienen hier zu nisten, denn allmählich erklang ein so durchdringendes, starkes Hämmern von allen Seiten, wie wenn es von Menschenhänden herrühre. Es war, als ob jene Vögel eine Schmiede im Walde errichtet hätten und seit frühem Morgen an strenger Arbeit wären. Macko und die Masuren dünkte es, sie hörten Zimmerleute, welche das Gebälk eines neuen Hauses aufschlugen, und sie glaubten, in die Heimat versetzt zu sein.

      Doch die Zeit verstrich und noch immer war nichts zu vernehmen, als die Stimmen der Vögel, als das Brausen des Waldes. Der Nebel schwand mehr und mehr, die wärmende Sonne brach völlig durch. Doch lautlos harrten die Krieger auf ihren Posten aus. Schließlich wandte sich Hlawa, dem das Schweigen und die Spannung unerträglich geworden waren, zu Zbyszko und flüsterte: »O Herr, wenn Gott keinen der Weißmäntel lebend davonkommen läßt, könnten wir nicht zur Nachtzeit über den Fluß setzen, die Burg überrumpeln und in unsere Gewalt bringen?«

      »Glaubst Du denn nicht, daß sie Boote ausgesetzt und der Bemannung ein Losungswort erteilt haben?«

      »Das haben sie sicherlich. Doch ebenso gewiß werden auch die mit dem Schwerte bedrohten Gefangenen das Losungswort nicht nur verraten, sondern es sogar auf deutsch der Wache zurufen. Wenn wir nur einmal auf der Insel sind, dann wird die Burg –«

      Er konnte nicht weiter reden, Zbyszko legte ihm plötzlich die Hand auf den Mund, denn von dem Wege her ertönte das Krächzen eines Raben.

      »Schweig!« rief der junge Ritter, »das ist ein Zeichen.«

      Und noch ehe man zwei Vaterunser hätte sprechen können, sprengte ein Samogitier auf seinem kleinen zottigen Pferde daher, dessen Hufe fürsorglich mit Schafsfellen umwickelt waren, damit kein Geräusch hörbar, keine Spur hinterlassen werde.

      Scharf blickte der Reiter nach allen Seiten aus, und kaum hörte er aus dem Dickicht die Antwort auf das Krächzen, so drang er so rasch in den Wald ein, daß er sich schon nach wenigen Sekunden neben Zbyszko befand.

      »Sie kommen!« sagte er hierauf leise.

      Sechstes Kapitel.

      Inhaltsverzeichnis

      Zbyszko fragte hastig, auf welche Weise sie vorrückten, wie viel Reiterei und wie viel Fußvolk es sei, vor allem aber, wie weit entfernt sie sich noch befanden. Aus der Antwort des Samogitiers entnahm er, daß die Abteilung die Zahl von einhundertfünfzig Kriegern nicht überstieg, von denen etliche fünfzig zu Pferd von einem weltlichen Ritter, nicht aber von einem Kreuzritter angeführt wurden, daß sie in Schlachtordnung vorrückten, daß sie eine Anzahl Wagen mit einem Vorrat von Rädern mitführten; daß der ganzen Abteilung in einer Entfernung von zwei Bogenschüssen eine aus acht Mannen bestehende Vorhut vorausgehe, welche die Landstraße häufig verlasse, um das Dickicht des Waldes zu durchsuchen, und schließlich, daß sie eine Viertelmeile entfernt waren.

      Daß die Feinde sich in Schlachtordnung vorwärts bewegten, war keine frohe Kunde für Zbyszko. Er wußte aus Erfahrung, welche Schwierigkeiten es hatte, die geschlossenen Reihen der Deutschen zu durchbrechen, und daß eine solche Schar selbst während des Rückzuges sich zu verteidigen und gleich einem von Hunden in die Enge getriebenen Eber um sich zu hauen verstand. Hingegen erfreute ihn die Nachricht, daß sie nicht weiter als eine Viertelmeile entfernt waren, denn er sagte sich, daß jene Mannen, die er vorausgesandt hatte, den Deutschen nun schon in den Rücken gefallen waren, und daß sie, falls diese eine Niederlage erlitten, keine lebende Seele entrinnen lassen würden. Was die der Abteilung vorausziehende Streifwache anbelangte, so machte sie ihm wenig Sorge, da es von Anfang an zu erwarten gewesen war, daß es so kommen könne, und er auch seinen Samogitiern zuvor schon befohlen hatte, entweder jene Vorhut ruhig durchzulassen oder, wenn der Versuch gemacht werde, das Innere des Waldes zu erforschen, in aller Stille jene acht Mannen einen nach dem andern gefangen zu nehmen.

      Aber dieser Befehl war ganz überflüssig gewesen. Die Streifwache zog schon heran. Verborgen hinter einigen entwurzelten Baumstämmen, in der Nähe der Landstraße sahen die Samogitier die Kriegsknechte, welche an der Biegung des Weges Halt machten und miteinander sprachen, sehr genau. Nachdem der Anführer, ein starker, rotbärtiger Krieger, durch ein Zeichen Schweigen geboten hatte, begann er angestrengt zu lauschen. Es war klar, daß er schwankte, ob er in den Wald eindringen solle oder nicht.

      Schließlich, als er nur das Hämmern der Spechte vernahm, dachte er offenbar, daß die Vögel sich nicht hören lassen würden, wenn jemand im Forste verborgen wäre, daher winkte er mit der Hand und führte seine Untergebenen weiter.

      Zbyszko wartete, bis sie an der nächsten Biegung verschwunden waren, dann näherte er sich in aller Stille, an der Spitze der schwer bewaffneten Mannen, der Landstraße. Unter ihnen befanden sich Macko, der Böhme, die beiden Edelleute aus Lekawica, drei junge Ritter aus Ciechanow und mehrere der angesehensten und bestbewaffneten Bojaren aus Samogitien. Sich noch länger zu verbergen, war nicht mehr nötig, daher beabsichtigte Zbyszko sogleich, wenn Deutsche sich zeigten, bis zur Mitte des Weges vorzusprengen, sich auf sie zu werfen, und sie zu zerstreuen. Falls das gelang und falls der allgemeine Kampf sich zu einer Reihe von Einzelkämpfen gestaltete, durfte er sicher sein, daß die Samogitier Meister über die Deutschen wurden.

      Und abermals folgte tiefe Stille, welche nur von dem Rauschen und Flüstern des Waldes unterbrochen wurde. Doch bald drangen von der östlichen Seite der Landstraße auch menschliche Stimmen zu den Ohren der Krieger. Anfangs etwas verworren und wie aus der Ferne klingend, schienen sie allmählich näher zu kommen und waren immer deutlicher zu vernehmen.

      Zbyszko führte nun seine Abteilung in die Mitte der Landstraße und stellte sie in keilförmiger Schlachtordnung auf. Er selbst trieb sein Pferd an die Spitze, unmittelbar hinter ihm befanden sich Macko und der Böhme. In der nächsten Reihe standen drei Reiter, in der darauffolgenden vier. Sie waren alle gut bewaffnet; zwar fehlten ihnen die mächtigen Speere oder Lanzen der Ritter,


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