Historische Romane: Die Kreuzritter + Quo Vadis? + Mit Feuer und Schwert + Sintflut + Pan Wolodyjowski + Auf dem Felde der Ehre. Henryk Sienkiewicz

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Historische Romane: Die Kreuzritter + Quo Vadis? + Mit Feuer und Schwert + Sintflut + Pan Wolodyjowski + Auf dem Felde der Ehre - Henryk Sienkiewicz


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fuhr Zbyszko aus seinem Sinnen empor, aber nicht deshalb, weil er sich plötzlich erinnerte, wo er sich befand, sondern hauptsächlich darum, weil er ein Geräusch zu vernehmen glaubte. Er faßte die Heugabel fest in die Hand, neigte das Haupt vor und lauschte gespannt.

      Das Geräusch dauerte an, und während einiger Zeit war es ganz deutlich zu vernehmen. Die dürren Aeste krachten wie unter äußerst vorsichtigen Schritten, die gefallenen Blätter und Sträuche knisterten … Irgend etwas Lebendiges näherte sich.

      Zeitweise ließ indes das Geräusch nach, gerade als ob ein Tier durch die Bäume zurückgehalten werde, um gleich darauf so sachte und behutsam wieder anzuheben, daß Zbyszko es nur durch angestrengtes Horchen vernehmen konnte. Stets aufs neue aber ließen sich Schritte unterscheiden und immer wieder fragte sich Zbyszko vor Staunen, was das wohl sein könne, das so leise durch den Wald schleiche. Vielleicht fürchtet sich »der Alte« vor den Hunden, welche in der hier gestandenen Hütte gehalten wurden, sagte er sich nach kurzem Ueberlegen, oder vielleicht mag es auch ein Wolf sein, der mich wittert.

      Mittlerweile hörten die Schritte auf. Zbyszko vernahm deutlich, daß irgend ein Wesen zwanzig oder dreißig Schritte vor ihm Halt machte – gerade als ob es sich niederkauere. Immer wieder strengte er seine Sehkraft an – allein, wenn er auch die Baumstämme trotz der Dunkelheit zu unterscheiden vermochte, er konnte nichts Auffälliges entdecken. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als geduldig zu warten.

      Und er mußte so lange warten, daß er abermals von Staunen ergriffen ward.

      Der Bär wird doch kaum zu den Bienenstöcken kommen, um zu schlafen, sagte er sich, ein Wolf aber würde mich längst gewittert haben und mich nicht bis früh morgens unbehelligt lassen.

      Mit einem Male lief ihm ein Frösteln über den ganzen Körper.

      Wie, so dachte er, wenn irgend ein Gespenst aus den Sümpfen emporgestiegen wäre, um sich ihm von hinten zu nähern? Oder was sollte er thun, wenn ihn die feuchtkalten Hände eines Ertrunkenen packen würden, wenn ihn ein Vampyr mit seinen grünen Augen zu durchbohren suchte, was sollte er beginnen, wenn plötzlich ein lautes Lachen hinter ihm ertönte, oder wenn ein Kopf auf Spinnenfüßen mit einem geisterhaften Antlitz hinter einer Tanne hervortreten würde? Er fühlte, wie sich ihm unter seiner Mütze von Eisendraht die Haare sträubten – da plötzlich ertönte das Geräusch vor ihm lauter und deutlicher als zuvor. Der junge Kämpe atmete erleichtert auf. Ohne Zweifel hatte ihn das Ungeheuer im Kreise umgangen, um sich ihm nun von vorn zu nähern. Das war ihm sehr erwünscht. Von neuem faßte er die Heugabel fest in die Hand, erhob sich leise und wartete gespannt.

      Mit einem Male fuhr ein Rauschen durch die Wipfel der Föhren, von den Sümpfen her wehte ein leichter Luftzug, ein übler Geruch zog in die Nase des Harrenden.

      Jetzt konnte kein Zweifel mehr herrschen, Meister Petz rückte heran.

      Alle Furcht war von Zbyszko gewichen. Den Kopf vorbeugend, strengte er Augen und Ohren übermenschlich an. Schwere Tritte wurden deutlich vernehmbar, der üble Geruch verstärkte sich, und nach wenigen Sekunden ertönte ein lautes Schnauben und Brummen.

      Wenn es nur nicht zwei sind! dachte Zbyszko.

      Aber in diesem Augenblick gewahrte er den unförmigen Körper eines großen dunkeln Tieres, das von den Sümpfen kommend, ihn noch nicht gewittert haben mochte, weil es durch den Geruch des auf die Stämme gestrichenen Honigs angezogen wurde.

      »Willkommen, Großväterchen!« rief Zbyszko, unter den Tannen hervortretend.

      Der Bär stieß ein kurzes Gebrüll aus; zweifellos erschreckte ihn die unerwartete Erscheinung, allein er war schon zu nahe gekommen, um sich durch die Flucht zu retten. Ohne weiteres erhob er sich auf den Hinterfüßen und streckte die Vordertatzen wie zu einer Umarmung aus. Darauf hatte Zbyszko gewartet; er nahm einen Anlauf, sprang wie der Blitz vor, um dann mit aller Gewalt seiner kräftigen Arme dem Tiere die Heugabel in die Brust zu stoßen.

      Ein schaudererregendes Gebrüll erfüllte jetzt den ganzen Wald. Der Bär, die Heugabel mit seinen Tatzen ergreifend, strengte sich vergeblich an, sie herauszuziehen, die scharfen Zinken saßen fest. Durch dies Bemühen vergrößerte daher das Tier nur den entsetzlichen Schmerz, und als es versuchte, seinem Gegner näher zu kommen, trug es abermals dazu bei, daß die Heugabel noch tiefer in seine Brust drang. Zbyszko aber, der sich nicht klar darüber war; ob er die Heugabel tief genug eingestoßen hatte, ließ den Stiel nicht los. So standen sich Mensch und Tier zerrend und zausend gegenüber. Voll Wut und Verzweiflung brüllte der Bär laut auf. Zbyszko war nicht im stande, das Beil zu erfassen, so lange er nicht das Ende des zugespitzten Stieles der Heugabel in die Erde zu stoßen vermochte, der Bär hingegen, als ob er verstünde, um was es sich handle, zerrte unaufhörlich mit den Vorderpfoten die Heugabel und mit ihr Zbyszko hin und her – und trotz der Qual, welche ihm bei jeder Bewegung die tiefeinbiegenden Zinken verursachten, widersetzte er sich so Zbyszkos Absicht. In solcher Weise zog sich der Kampf in die Länge, und Zbyszko fühlte immer deutlicher, daß seine Kräfte erlahmten. Gleichzeitig sagte er sich aber auch, daß er verloren wäre, sobald er stürzen würde. So nahm er sich denn nochmals zusammen, bot seine ganze Kraft auf, stemmte die Füße fest auf die Erde, bog sich, um nicht nach rückwärts zu stürzen, so weit vor, daß sein Rücken vollständig gekrümmt war und murmelte voll Wut durch die aufeinander gepreßten Zähne: »Einer von uns muß zu Grunde gehen, ich oder Du.«

      Und es erfaßte ihn schließlich ein solcher Zorn, ein solcher Grimm, daß er eher sich selbst geopfert hätte, als die Bestie freigegeben. Doch siehe da, er strauchelte mit einem Male über eine Baumwurzel und würde sicherlich zu Boden gestürzt sein, wenn nicht in diesem Augenblicke eine zweite dunkle Gestalt vor ihm aufgetaucht wäre, wenn nicht eine zweite Heugabel die Bestie getroffen und ihm eine Stimme zugerufen hätte: »Das Beil!«

      In der Hitze des Kampfes überlegte Zbyszko nicht erst, woher ihm die unerwartete Hilfe komme, sondern er ergriff das Beil und versetzte dem Bären einen wuchtigen Schlag. Die Heugabeln zerbrachen krachend unter der gewaltigen Schwere des in Konvulsionen sich krümmenden Tieres, das sich wie vom Blitz getroffen röchelnd auf der Erde wälzte. Aber schließlich hörte dies Röcheln auf. Die herrschende Stille ward nur durch das laute Atmen Zbyszkos gestört, der sich an eine Tanne lehnte, da seine Füße den Dienst zu versagen drohten. Gleich darauf erhob er jedoch das Haupt, erblickte eine neben ihm stehende Gestalt und fuhr erschreckt zusammen, sagte er sich doch, dies könne kein menschliches Wesen sein.

      »Wer ist hier?« fragte er schließlich unruhig.

      »Jagienka!« erwiderte eine zarte weibliche Stimme.

      Zbyszko, von Staunen ergriffen, glaubte seinen Ohren nicht trauen zu dürfen. Allein jeder Zweifel mußte bald weichen, denn Jagienka ließ sich von neuem vernehmen: »Ich schlage jetzt Feuer an …«

      Sofort ertönte das Zusammenschlagen des Feuersteines, die Funken sprühten, und bei ihrem flimmernden Scheine gewahrte Zbyszko die weiße Stirn, die dunkeln Brauen und die gespitzten Lippen des Mädchens, das den glimmenden Zunder anblies. Und als er sich sagte, daß dies junge Mädchen in den Wald gekommen war, um ihm beizustehen, daß er ohne dessen Hilfe elend zu Grunde gegangen wäre – da floß sein Herz über von Dankbarkeit. Ohne seine Handlungsweise lange zu erwägen, umfaßte er Jagienka und küßte sie auf beide Wangen.

      Ihr aber fielen Zunder und Feuerstein aus den Händen.

      »Verhalte Dich ruhig, hörst Du?« gebot sie mit etwas gedämpfter Stimme, allein trotzdem entzog sie ihm ihr Antlitz nicht, nein, im Gegenteil, sie näherte wie unwillkürlich ihren Mund den Lippen Zbyszkos.

      Dieser gab sie indessen frei und sagte: »Gott wird Dir lohnen. Ich weiß nicht, was ohne Dich aus mir geworden wäre!«

      Nun ließ sich Jagienka, die sich niederkauerte, um in der Dunkelheit Feuerstein und Zunder wieder zu finden, also vernehmen: »Ich fürchtete für Dich, weil Bezduch, trotzdem er wie Du mit der Heugabel und mit dem Beile auszog, von den Bären zerrissen ward. Gott verhütete dies. Was hätte aber auch Macko angefangen, er, der ja so schon nur schwer zu atmen vermag. Nun, ich bewaffnete mich mit der Heugabel und folgte Deiner Spur.«

      »Demnach schlichst Du zwischen den Tannen hindurch?«


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