Verwundetes Herz. Barbara Cartland

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Verwundetes Herz - Barbara Cartland


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Sheldon Harcourt und legte dann das Seidenkissen in den Sessel, der gegenüber dem Kamin stand.

      Dann verbeugte er sich noch einmal und verließ das Zimmer, ohne ein Wort gesprochen zu haben.

      Sheldon Harcourt beobachtete ihn amüsiert.

      Er wußte sehr wohl, daß es Mode unter den aristokratischen Damen Frankreichs war, einen schwarzen Diener in Diensten zu haben.

      Ihre Aufgabe war es, die Handschuhe, den Fächer oder die Handtasche der Damen zu tragen! Sie mußten Nachrichten überbringen und hatten Tag und Nacht zur Verfügung zu stehen.

      Oft genug hatte Sheldon Harcourt es erlebt, wie kleine schwarze Jungen, die kaum älter als Babys waren, vor Erschöpfung einschliefen, um sogleich von einem Schlag mit dem Fächer oder dem Stoß eines spitzen Schuhs wieder geweckt zu werden.

      Dieser Junge jedoch war älter, als seine Größe es vermuten ließ, fiel Sheldon Harcourt auf. Als die Tür hinter ihm ins Schloß gefallen war, kam Sheldon Harcourt der Gedanke, daß er wohl eher ein Zwerg war.

      Er nahm einen Schluck von seinem Wein, als sich die Tür erneut öffnete. Diesmal erschien eine ältere Frau, das Gesicht von Falten zerfurcht. Über dem Arm trug sie eine Hermelindecke. Sie hielt die Tür hinter sich auf, ohne in das Zimmer zu treten.

      Einen Augenblick später erschien dann ihre Herrin.

      Sheldon Harcourt war sich bewußt, welch dramatischen Auftritt diese Dame sich hatte verschaffen lassen und es hätte ihn nicht erstaunt, jetzt auch noch eine Fanfare zu hören.

      Langsam erhob er sich, während er feststellte, daß die Dame durchaus den Beschreibungen von Monsieur Dessin gerecht wurde.

      Sie war eine liebliche Erscheinung. Das schwarze Haar war zurückgekämmt und auf der Stirn trug sie das Zeichen der Witwe. Ihre großen Augen waren von dichten dunklen Wimpern umrahmt, und die Zartheit ihrer weißen Haut wurde durch ihre schwarze Kleidung hervorgehoben.

      Offensichtlich war sie in Trauer, jedoch trug sie ihre Trauerkleidung mit der den Franzosen eigenen Eleganz und Verführung, die keinerlei Traurigkeit aufkommen ließen.

      Sie trug rauschende schwarze Seide mit kleinen weißen Tupfen und ein Dekolleté, das gerade noch anständig war.

      Langsam und mit einer gewissen Zurückhaltung wandte diese liebliche Erscheinung sich Sheldon Harcourt zu und knickste vor ihm mit majestätischer Grazie.

      Höflich verbeugte er sich vor ihr.

      „Monsieur, der Besitzer dieses Hotels hat mir mitgeteilt, daß Sie die Großzügigkeit besaßen, mich in Ihre privaten Räume zum Dinner einzuladen. Ich bin Ihnen in der Tat sehr dankbar.“

      Sie sprach ein ausgezeichnetes Englisch, das lediglich einen leichten faszinierenden Akzent hatte. Der Blick, den sie ihm zuwarf war ebenso einladend wie das Lächeln ihrer wohlgeformten Lippen.

      „Es ist mir ein Vergnügen, Ihnen zu Diensten zu sein, Madame, oder sollte ich Mademoiselle sagen?“

      „Je suis la Comtesse de la Tour“, erwiderte sie, um sogleich einen kleinen Schrei auszustoßen.

      Dann wandte sie sich ärgerlich an das Dienstmädchen, das noch immer in der geöffneten Tür stand.

      „Fermez la porte, Franchine!“ rief sie aus. „Wenn du die Tür nicht schließt, wird man mich hören können und ich werde ebenso enden wie mein armer Mann - auf der Guillotine! Warum kannst du dich nicht besser um mich kümmern?“

      „Pardonnez-moi, Madame!“

      „Gib mir meine Decke, dann kannst du gehen. Und vergiß nicht: erwähne mit keinem Wort in diesem Hotel, wer ich bin.“

      „C’est entendu, Madame.“

      Die Magd brachte die Hermelindecke und legte sie auf den Sessel. Dann knickste sie vor ihrer Herrin und dann vor Sheldon Harcourt und verließ langsam den Raum.

      „Diener sind so entsetzlich dumm, sie verstehen überhaupt nichts“, sagte die Comtesse mit einer ungeduldigen Geste.

      Sheldon Harcourt bemerkte, daß sie einen Brillantring und einen Perlenring über ihrem goldenen Ehering trug. Um den Hals trug sie eine außergewöhnlich schöne Perlenkette. Dies war der einzige Schmuck.

      „Sie müssen mir von sich erzählen, Comtesse“, sagte Sheldon Harcourt. „Wollen Sie sich nicht setzen?“

      Sie setzte sich in den Stuhl, raffte alle ihre Röcke zusammen, und sah ihn unter den dichten Wimpern testend an, als ob sie sich davon vergewissern wollte, ob sie ihm Vertrauen schenken könnte oder nicht.

      Dann stieß sie einen Seufzer aus, schlug die Hände ineinander und sagte: „Mein armer Mann! Ich habe ihn die Stufen zur Guillotine hinaufsteigen sehen! Er hat keinerlei Verbrechen begangen, außer daß er von adliger Herkunft war.“

      „Es tut mir leid, daß Sie solches Leid ertragen mußten“, sagte Sheldon Harcourt. „Darf ich Ihnen ein Glas Wein anbieten?“

      „Vielen Dank, aber ich möchte lieber warten, bis das Dinner serviert wird“, erwiderte die Comtesse.

      „Sie waren dabei, mir von Ihrem Mann zu erzählen.“

      „Wir lebten außerhalb von Paris, in Nogent-sur-Seine. Die Revolution schien so weit weg zu sein und uns nichts anzugehen.“

      Die Comtesse bedeckte ihre Augen mit den Händen.

      „Wenigstens ... bis vor einigen ... Monaten ... und dann ...“

      Die Erinnerung schien sie zu überwältigen, so daß sie unfähig war, weiter zu erzählen.

      „Ich verstehe“, sagte Sheldon Harcourt. „Dann haben Sie sicher viele Freunde verloren.“

      „Sind Sie von Paris gekommen, Monsieur?“

      „Ja, aus Paris“, antwortete er. „Und ich glaubte, daß die Dinge ein wenig besser geworden wären, bis dieser Narr, Barere, das Leben des Königs für die öffentliche Sicherheit forderte.“

      „Le pauvre Roi!“ murmelte die Comtesse. „Mein Herz blutet, wenn ich an das Leid der Königin und ihrer Familie denke!“

      Nach einer kleinen Pause fragte sie: „Und weil der König ermordet wurde, müssen Sie nach England zurückkehren?“

      „Auf jeden Fall habe ich Paris verlassen müssen“, erwiderte Sheldon Harcourt. „Wie alle Engländer in Frankreich bin auch ich davon überzeugt, daß England diesem Land den Krieg erklären wird.“

      „Aber für Sie bedeutet es wenigstens, nach Hause zu gehen“, sagte die Comtesse mit leiser Stimme. „Für mich ist es ... ein Schritt ... ins Ungewisse.“

      „Haben Sie Freunde in England?“

      „Sicher gibt es einige Emigranten, die ich kenne. Aber ich weiß nicht, wo sie sind und wo ich sie suchen sollte.“

      Sheldon Harcourt sah sie erstaunt an.

      „Sie unternehmen diese Reise also ganz allein?“

      Die Comtesse lächelte.

      „Ich habe Franchine, die für mich seit meiner Kindheit sorgt. Und Bobo, der mein persönlicher Diener ist und außerdem sehr viel stärker, als er aussieht.“

      „Ich habe mir schon gedacht, daß er nicht so jung ist, wie es zuerst scheint“, bemerkte Sheldon Harcourt.

      „Sie sind ein aufmerksamer Beobachter, Monsieur. Es ist wahr. Bobo ist wirklich schon fünfundzwanzig und außerdem sehr stark. Wenn irgendjemand mich angreifen würde, ich schwöre, daß Bobo ihn töten würde!“

      „Ich bin sicher, daß dies in England nicht geschehen wird“, versicherte Sheldon Harcourt.

      „Das ist auch der Grund, warum ich unbedingt dorthin möchte. Ich bin überzeugt, daß ich mich dort sicher fühlen werde und daß dieses liebenswerte Land mich mit einer Wärme empfangen wird, die es in Frankreich nicht mehr gibt.“


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