Der Herzensdieb. Barbara Cartland
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Der Herzensdieb
Barbara Cartland
Barbara Cartland E-Books Ltd.
Vorliegende Ausgabe ©2017
Copyright Cartland Promotions 1985
Gestaltung M-Y Books
1.
Von den vielen Kerzen in den riesigen Leuchtern strömte eine fast unerträgliche Hitze aus, der schwere Duft der unzähligen Blumen hatte etwas Erstickendes. Zwei Menschen lösten sich aus der glänzenden Menge der Tanzenden und schlenderten durch die weiten Korridore des prächtigen Hauses, das Lord Marshall, einem engen Freund des Prinzen von Wales, gehörte.
„Wohin führen Sie mich, D’Arcy?“ fragte die Dame, als die Musik und das Geräusch, das die vielen Füße auf dem Parkett verursachten, hinter ihnen zurückblieb.
„An einen ruhigen Ort, an dem ich ungestört mit Ihnen reden kann.“
Die Dame ließ ein Lachen hören, das bar jeden Humors war, so melodisch es auch klang.
„Um Himmels willen, nicht schon wieder“, wehrte sie ab, „dazu bin ich heute abend wirklich nicht aufgelegt.“
Ohne auf ihre Worte einzugehen, öffnete der Mann die Tür zu einem leeren Salon, der nur von zwei Leuchtern rechts und links auf dem Kaminsims erhellt wurde.
Die Dame sah sich neugierig um.
„Wie reizend, hier bin ich noch nie gewesen“, stellte sie fest.
„Das Zimmer ist Marshalls Heiligtum, zu dem nur seine vertrautesten Freunde Zutritt haben.“
„Zu denen Sie sich selbstverständlich rechnen.“
„Er ist ein langweiliger Bursche, aber ich kenne ihn schon seit vielen Jahren.“
Die Vorhänge waren zurückgezogen, die Abendbrise, die durch die offenen Fenster hereinwehte, genügte jedoch kaum, um die Kerzen zum Flackern zu bringen. Die Dame fächelte sich mit einem handbemalten Fächer langsam und rhythmisch Luft zu.
Der Mann vermochte den Blick nicht von ihr zu wenden.
„So schön wie heute habe ich Sie noch nie gesehen, Galatea“, bemerkte er schließlich.
Sie nahm das Kompliment gelangweilt zur Kenntnis. Ohne Zweifel war Lady Galatea Roysdon eine außergewöhnlich schöne Frau. Das dunkle Haar - nach der neuesten Pariser Mode frisiert, umrahmte ein vollkommen ebenmäßiges Gesicht. Am auffallendsten aber wirkten ihre großen, tiefgrünen Augen mit den kleinen goldenen Flecken darin. Sie erinnerten an einen klaren Bach, auf dessen Oberfläche die Sonnenstrahlen tanzten.
Es waren sehr ausdrucksvolle Augen, mit denen sie den vor ihr stehenden Mann mißbilligend betrachtete.
„Nun, D’Arcy, was gibt es?“ erkundigte sie sich.
Die einfache Frage genügte, um ihn in Wut zu bringen.
„Verdammt“, fluchte er, „Sie wissen sehr genau, was ich Ihnen sagen will.“
„Und Sie kennen meine Antwort, warum also etwas wiederholen, was zu einem ermüdenden Refrain geworden ist.“
„Mehr bedeute ich Ihnen nicht?“
Er blickte sie mit glühenden Augen an. Höchst elegant gekleidet, wirkte er in seiner Art kaum weniger attraktiv als seine Begleiterin. Wer immer Lady Roysdon und den Grafen von Sheringham im Ballsaal zusammen tanzen sah, konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, daß die beiden sowohl äußerlich wie auch dem Ruf nach ausgezeichnet zueinander paßten.
Nur zeigte sich auf Lady Roysdons schönem Gesicht kein Zeichen des wilden Lebens, das sie zum Gesprächsthema der Stadt gemacht hatte, während die ausschweifenden Jahre begannen, ihre Spuren bei dem Grafen zu hinterlassen. Unter seinen Augen bildeten sich leichte Tränensäcke, und die Blässe seiner Wangen zeugte von vielen späten Nächten am Spieltisch oder anderswo.
Während er rastlos im Zimmer herumlief, zerrte er mit den Fingern nervös an den Aufschlägen seiner tadellos sitzenden Jacke.
„So können wir nicht weitermachen“, brach es aus ihm heraus.
„Warum nicht?“
„Weil ich Sie begehre und mich nicht länger am Gängelband halten lasse.“
„Das zu entscheiden, ist meine Sache“, erwiderte sie so gleichgültig, als ob die Unterhaltung sie höchlichst langweilte.
Da ihm nicht entging, daß genau das der Fall war, setzte der Graf sich neben sie auf das Sofa und begann eindringlich auf sie einzusprechen.
„Ich kann es nicht länger ertragen, daß Sie nur mit mir spielen, Galatea. Als ich Sie heute abend mit dem Prinzen lachen und scherzen sah, war ich nahe daran, die Beherrschung zu verlieren.“
Ohne ihn zu beachten, starrte sie mit leeren Augen auf die gegenüberliegende Wand, an der ein ziemlich schlechtes Ölbild hing, das einen erlegten Hirsch zeigte.
„Ich habe Sie schon vor der Abfahrt nach Brighton darauf aufmerksam gemacht, daß Ihnen gar nichts anderes übrig bleibt, als sich von mir lieben zu lassen.“
„Und wenn ich das nicht tue?“
Sie schien ihn auszulachen.
„Dann bringe ich Sie um“, fuhr er sie an.
„Mein lieber D’Arcy, was soll dieser theatralische Ton?“ wollte sie wissen. „Sie haben nicht den leisesten Wunsch, mich umzubringen. Ihr einziges Bestreben ist, mich zu Ihrer Geliebten zu machen.“
„Ich will Sie heiraten, sobald diese halbe Leiche, die Sie Ihren Gatten nennen, nicht mehr lebt.“
„Er ist mein Gatte.“
„Wie können Sie einem Mann die Treue bewahren, der weder sehen noch hören kann und nichts Menschliches mehr an sich hat, wenn man davon absieht, daß er noch atmet.“
„Und solange George atmet, bin ich seine Frau.“
„Das haben Sie schon tausendmal beteuert, wenn auch nicht sehr überzeugend.“
„Warum finden Sie sich nicht damit ab, daß ich nicht beabsichtige, Ihre Geliebte zu werden?“
„Wie lange muß ich denn noch warten?“ fragte der Graf verzweifelt. Als sie nicht antwortete, fuhr er fort. „Wenn Roysdon kein reicher Mann wäre, wäre er längst tot. Diese berechnenden Ärzte erhalten ihn nur am Leben, um sich die Taschen füllen zu können. Wann war es doch noch, als er seinen Schlaganfall erlitt?“
„Vor fünf Jahren.“
„Unmittelbar nach Ihrer Hochzeit.“
„Allerdings.“
„Konnte er Ihnen in der kurzen Zeit denn etwas über die Liebe beibringen?“
Lady Roysdon schwieg, so daß er weitersprach.
„Erlauben Sie mir, Ihr Lehrer zu sein, meine Allerschönste. Lassen Sie sich von mir in die Entzückungen einweihen, die nicht nur wir sterblichen Männer und Frauen erleben, sondern die Götter selbst genießen.“
Lady Roysdon stieß ein kleines Lachen aus.
„Jetzt werden Sie sogar poetisch, D’Arcy. Demnächst schreiben Sie Oden auf meine Augenbrauen wie dieser lästige junge Mann, den wir vor ein paar Wochen getroffen haben. An seinen Namen kann ich mich nicht mehr erinnern.“
„Ich hege nicht den Wunsch, Gedichte auf Sie zu schreiben“, erklärte der Graf, „sondern ich will Sie in den Armen halten und küssen, in dem Bewußtsein, daß Sie mir gehören.“
Lady Roysdon gab sich keine Mühe, ein Gähnen zu verbergen.
„Ich gehöre niemanden außer George, und da er mich nicht benötigt, höchstens noch mir selbst.“
Sie erhob sich lässig.
„Kommen