Zum Kontinent des eisigen Südens. Erich von Drygalski

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Zum Kontinent des eisigen Südens - Erich von Drygalski


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hatten wir die sogenannte Mittelatlantische Schwelle passiert, einen im Verhältnis zu den anliegenden größeren Tiefen des Meeres flacheren Rücken, welcher das Südafrikanische Becken von dem Brasilianischen scheidet und südlich vom Äquator den Ozean in seiner ganzen Länge durchzieht.

      Wir haben bis Kapstadt noch viel gelotet und fischten auch mehrfach mit vortrefflichen Erfolgen; desgleichen wurde erdmagnetisch dauernd gearbeitet, alles in der Weise, wie ich es früher beschrieb.

      Ein starker Alarm entstand bei uns am 6. November, als um 2 Uhr nachmittags und dann wieder um 3 Uhr die Dampfpumpen in kurzen Pausen angingen. Gleich darauf meldete Kapitän Ruser, dass ein starkes Leck vorhanden sei, welches im Hinterschiff die unteren Teile des Maschinenraums immer so schnell füllte, dass die Pumpen fast dauernd in Tätigkeit zu halten waren.

      Wir vermuteten, dass dieses Leck, welches jetzt scheinbar so plötzlich hervortrat, mit jenem identisch war, welches sich schon in Kiel gezeigt hatte, dann aber ebenso plötzlich wieder verschwand. Es ganz zu bannen, ist uns erst im Eis gelungen und auch dann nur für die Zeiten, in welchen das Schiff in Ruhe lag.

      Indessen wurde dieses Leck jetzt der Ausgangspunkt für Veränderungen in dem Personalbestand der Expedition. Schwierigkeiten unter der Mannschaft, die bis dahin verborgen gewesen waren, traten schärfer hervor, und ein wachsendes Murren, durch die Leckage veranlasst und durch die Nähe des Landes vermehrt, bereitete eine Krise vor, die in Kapstadt ihre Lösung finden sollte.

      Eine Unterbrechung, kurz bevor wir Kapstadt erreichten, bot uns ein gewaltiger Sturm, der am 18. November hereinbrach. Wir hatten am Nachmittag noch hydrographisch gearbeitet und dieses kaum beendigt, als Böen, die schon rings herum am Himmel gestanden hatten, sich um 6 Uhr abends schnell zusammenballten, um einen Sturm von elementarer Gewalt zu entfesseln. Schnell wurden alle Luken geschlossen, und die Segel bis auf die wenigen zum Stützen des Schiffes gegen die See notwendigen gerefft. Großartig war das Meer in seiner wilden Gewalt. Die hoch erregten Wogen überschlugen das Deck und spülten gleich Leuchtkugeln große Feuerwalzen, Pyrosomen, hinüber, an deren leuchtenden Schwärmen wir uns schon einige Abende vorher erfreut hatten. Zu tun war nicht viel. Die Kraft der Seeleute war stark gespannt, und auch wir waren meist auf der Brücke, um das großartige Schauspiel zu sehen.

      Schlimmer noch wurde es am Tag darauf, den ich mir mit Messungen der Wellenhöhen zu vertreiben versuchte. Der kolossale Winddruck legte das Schiff immer ganz auf die Seite; die ausgesetzten Ölbeutel richteten wenig aus; die Wogen schlugen bis über die Brücke, einmal auch das ganze Kartenhaus voll und bis in die Innenräume des Schiffes und in die Kammern hinein.

      Am 19. abends sah die See etwas besser aus; der Mond trat hervor, doch der Wind toste fort; erst am 20. trat Ruhe ein.

      Es war ein Sturm, wie er nicht oft auftritt. Der »Gauß« hatte sich vorzüglich gehalten und als ein ausgezeichnetes Seeschiff erwiesen. »Der Kahn schwimmt wie eine Ente«, habe ich in jenen Tagen mehrfach von der Mannschaft gehört.

      Am 22. November loteten wir geringere Tiefen und erhielten als Bodenprobe jenen grünen Schlick, der sich auf den Sockeln der Kontinente abzusetzen pflegt.

      Lebhaftes Interesse hatte der Fang eines Blau- oder Menschenhais, der an die Angel gegangen war. Es war ein großes Tier, über 2 m lang. Seine Bluttemperatur betrug 17,5 °C. Auch wurde die Konzentration seines Blutes von Gazert durch Gefrierversuche untersucht, und es stellte sich dabei heraus, dass es konzentrierter war als das Blut der Landtiere.

      Nach dem Sturm hatte sich das Wetter gebessert, wenn auch das Rollen des Schiffes in diesem Gebiet anhaltend stark blieb und viele Schäden im Laboratorium zur Folge hatte.

      Am 22. November morgens trat die afrikanische Küste hervor, und zwar zunächst der hohe Tafelberg, wie gewöhnlich auch jetzt von Wolken verhüllt. Wir hielten den Kurs etwas nördlich von ihm und näherten uns so rasch, dass wir die Küste schon am selben Abend erreichten.

      Vor uns lag Kapstadt mit übervollem Hafen, mit seinen Häusern sich schon am Abhang des Tafelberges emporziehend, davor die Robbeninsel, ein niedriges sandiges Land, auf welchem heute neben dem Leuchtturm ein Leprahospital steht.

      Wir wurden zuvorkommend empfangen, und, obwohl der Hafen und die Tafelbucht davor überfüllt waren, sogleich in den Innenhafen gelotst.

      Kapstadt

      In Kapstadt hatten wir verschiedenartige Aufgaben. In ihrem wissenschaftlichen Teil waren sie verhältnismäßig einfach und bestanden außer Bestimmungen der magnetischen Schiffskonstanten wesentlich noch darin, die magnetischen Instrumente selbst mit denen eines festen Observatoriums zum letzten Mal zu vergleichen, bevor wir ins Südpolargebiet aufbrachen, um ihre etwaigen Fehler zu kennen. Zum Beobachtungsort hätte sich ein Punkt in der Nähe von Simonstown geeignet, wo schon James Clark Ross die Konstanten seiner magnetischen Instrumente bestimmt und auch neuerdings die englische Südpolarexpedition unter Kapitän Scott in gleicher Weise gearbeitet hatte.

      Da es aber aus anderen Gründen wünschenswert war, in Kapstadt selbst zu bleiben, wählten wir zum Beobachtungsort den Signalhügel auf dem Lions-Rump.

      Schwieriger als diese wissenschaftlichen Aufgaben waren zwei andere, die wir in Kapstadt zu erledigen hatten, nämlich die Ausbesserung des Schiffs behufs Beseitigung der Leckage und die Ab- und Neuanmusterung eines Teils der Mannschaft.

      Für den ersteren Zweck wäre es erwünscht gewesen, ein Trockendock zu bekommen. Dies erwies sich jedoch als unmöglich, weil das Trockendock durch ein schwedisches, stark havariertes Schiff besetzt war. So blieb uns nichts anderes übrig, als unseren »Gauß« mit eigenen Mitteln ausbessern zu lassen so gut, wie es ging, was immerhin einige Schwierigkeiten hatte und schließlich auch nicht gelang. Wir begaben uns sodann an Land, um uns bei dem Kaiserlichen Generalkonsul, Herrn von Lindequist, zu melden, und besprachen mit ihm, was zunächst zu tun war.

      Kapstadt stand unter Kriegsrecht, doch merkte man nicht viel davon; nur die gewaltigen Magazine, welche den Hafen in weitem Umkreis umgaben, ließen vermuten, dass dort außergewöhnliche Verhältnisse herrschten.

      Aus dem Hinterland fehlte jede Versorgung und erfolgte deshalb zum großen Teil von Australien her; die Proviantfirmen verdienten Millionen. Fast alles Fleisch wurde in gefrorenem Zustand auf großen Eisdampfern herübergeschafft und dann doch zu verhältnismäßig niedrigen Preisen verkauft.

      Unter den Ausflügen, die ich selbst gemacht habe, wird mir der eine auf den Tafelberg stets in Erinnerung bleiben, in Begleitung von Vanhöffen, Gazert und Werth und unter der vortrefflichen Führung unseres dortigen Landsmanns Dr. Marloth.

      Dr. Philippi hatte unter der Führung des Geologen Herrn Schwarz einen Ausflug in das Innere nach der Karroo unternommen, um die altglazialen Bildungen dort zu studieren. Durch das Entgegenkommen der britischen Behörden vollzog sich derselbe glatt, wenn auch naturgemäß unter militärischer Begleitung. Denn der Krieg war damals bis an die Tore Kapstadts gekommen, und unmittelbar neben der Bahnlinie standen die Burenheere.

      Am Donnerstag, dem 5. Dezember, hatten wir Kapstadt zu verlassen gedacht, doch zögerte sich die Abfahrt zwei Tage hinaus, weil die Schiffsarbeiten nicht fertig geworden waren, während die wissenschaftlichen Beobachtungen schon am 30. November beschlossen werden konnten.

      Das Hinterschiff war gedichtet worden, soweit dieses ohne Dockung lediglich mithilfe einer Entlastung des Hinterschiffs durch Umstauung möglich gewesen war. In den letzten Tagen wurden etwa 70 Tons englische Kohle eingenommen, die wir zu dem horrenden Preis von 72 Schilling pro Tonne erhielten. Als dieses geschehen war, trat aber die Leckage, welche infolge der Arbeiten verschwunden schien, leider von Neuem zutage; am Nachmittag des 6. Dezember wurde ich, zum »Gauß« zurückkehrend, mit der unerfreulichen Nachricht empfangen, dass das Wasser ebenso hoch stand, wie in den schlimmsten Zeiten vorher.

      Hier war nun wenig zu tun. Einen längeren Aufenthalt wünschte ich um keinen Preis, zumal der Sitz der Leckage gar nicht ermittelt war; Zeit und Mühe waren vergeblich gewesen. Ich gab deshalb den Befehl zur Abfahrt und setzte dieselbe auf Sonnabend, den 7. Dezember, vormittags fest in der Hoffnung, dass die Zukunft Rat schaffen würde.

      Inzwischen


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