Dracula. Брэм Стокер
Читать онлайн книгу.hatte, obwohl auch ich Tiere sehr gern habe. Einer der Männer, der oft hier heraufkommt, um nach den Booten zu sehen, wurde von seinem Hund begleitet. Der Hund ist immer bei ihm. Sie sind beide ruhigen Gemütes, und ich habe den Mann nicht einmal ärgerlich gesehen, und den Hund kein einziges Mal bellen gehört. Während des Gottesdienstes wollte der Hund nicht zu seinem Herrchen kommen, das neben uns auf der Bank saß, sondern hielt sich einige Meter entfernt, bellte und heulte. Sein Herrchen sprach zuerst liebenswürdig auf ihn ein, dann wurde sein Ton ernster und schließlich ärgerlich; aber der Hund kam nicht bei Fuß, und hörte auch nicht zu lärmen auf. Er befand sich in einer Art von Wut, mit seinen wilden Augen, und sein Fell sträubte sich wie ein Katzenschwanz, wenn sich eine Mieze auf Kriegspfad befindet. Dann wurde der Besitzer ärgerlich; er sprang herbei und schlug den Hund. Dann fasste er das Tier am Genick und zerrte es – halb stoßend, halb ziehend – zum Grabstein, auf dem der Sitz fixiert ist. In diesem Augenblick, als das arme Tier diesen berührte, wurde es ruhig und begann zu zittern. Es versuchte gar nicht erst zu fliehen, sondern duckte sich, bebend und kauernd, und befand sich in einem so Mitleid erregenden Angstzustand, dass ich es, wenn auch ohne Erfolg, zu beruhigen versuchte. Lucy war auch voll Mitleid, aber sie konnte sich nicht entschließen, den Hund anzugreifen, sondern sah ihn nur gequält an… Ich fürchte, sie ist eine sehr sensible Natur und erträgt das Leben am besten ohne Schwierigkeiten. Sie wird von all dem heute träumen, da bin ich mir sicher. Die ganze Häufung der Ereignisse – das Schiff, das von der Hand eines toten Mannes gesteuert in den Hafen lief; sein Körper, der, mit Kruzifix und Rosenkranz in Händen, an das Steuerrad gefesselt war; die berührende Bestattung; der Hund, halb wütend, halb erschrocken – wird das Material ihrer Träume bilden.
Es wird das Beste für sie sein, denke ich, wenn sie körperlich ermüdet zu Bett geht, und deshalb werde ich mit ihr einen langen Spaziergang zu den Klippen der Robin Hood Bucht und zurück machen. Sie sollte dann keine besondere Lust zum Schlafwandeln haben.
ACHTES KAPITEL
TAGEBUCH VON MINA MURRAY
Gleicher Tag, 11 Uhr Nacht – Oh, wie bin ich müde! Wenn ich meinem Tagebuch gegenüber keine Verpflichtung hätte, so würde ich es heute nicht mehr öffnen. Wir machten einen netten Spaziergang. Lucy geriet nach kurzer Zeit in fröhliche Stimmung, die wir – vermute ich – einigen lieblichen Kühen zu verdanken hatten, die auf einem kleinen Feld nahe des Leuchtturms auf uns zukamen, um uns zu beschnuppern; und nichts versetzte uns in Angst und Schrecken. Außer unserer eigenen Angst vergaßen wir scheinbar alles. Es entstand der Eindruck, als wäre nichts geschehen, und es sei ein neuer Anfang gemacht worden. Wir tranken dann einen köstlichen Tee in der Robin-Hood-Bucht in einer netten, kleinen und altmodischen Gastwirtschaft; durch die Bogenfenster erblickten wir die mit Seetang bedeckten Felsen am Strand. Wahrscheinlich haben wir die Wirtin mit unserem Appetit schockiert. Männer sind diesbezüglich toleranter; gesegnet seien sie dafür! Dann gingen wir nach Hause, indem wir einige, besser gesagt viele, Verschnaufpausen einlegten; unsere Herzen waren noch immer in Furcht vor den wild gewordenen Stieren. Lucy war komplett müde, und wir entschlossen uns, sobald als möglich ins Bett zu kriechen. Es kam jedoch der junge Kurat (ein geistlicher Seelsorger) und Frau Westenraa fragte ihn, ob er nicht zum Abendessen bleiben wollte. Lucy und ich hatten hart mit dem Sandmann zu kämpfen; es war in der Tat ein harter Kampf, aber ich bin eine heldenhafte Natur. Ich denke, dass eines Tages die Bischöfe zusammenkommen müssen und man wird sehen, ob es nicht an der Zeit wäre, Kuraten eine bessere Ausbildung zukommen zu lassen, damit sie nicht soupieren – so sehr sie auch dazu genötigt werden möchten – und die registrieren, wenn junge Mädchen schläfrig sind. Lucy schläft und atmet sanft. Sie hat mehr Farbe in den Wangen als sonst und sieht, ach, so süß aus. Wenn sich Herr Holmwood schon in sie verliebt hat, und er sah sie nur im Wohnzimmer, so möchte ich wissen, was er jetzt sagte, wenn er sie nun sehen könnte. Einige der fortschrittlichen Autorinnen werden eines Tages die Forderung stellen, dass es Mann und Frau erlaubt sein müsse, sich erst gegenseitig im Schlaf zu sehen, bevor sie einen Antrag machen oder einen solchen annehmen. Aber die progressive Frau wird sich wohl in Zukunft nicht mehr damit begnügen, eine Bewerbung anzunehmen; sie wird selbst werben wollen. Und sie wird auch etwas Schönes daraus machen! Darin liegt einiger Trost. Ich bin so glücklich heute Abend, weil es der lieben Lucy wieder besser geht. Ich glaube tatsächlich, dass sie die Krise überstanden hat, und wir die Schwierigkeiten mit dem Schlafwandeln hinter uns gelassen haben. Ich wäre glücklicher, wüsste ich nur, ob Jonathan… Gott segne und beschütze ihn.
11. August, 3 Uhr morgens – Wieder Tagebuch. Kein Schlaf und daher kann ich ebenso gut schreiben. Ich bin zu aufgewühlt, um schlafen zu können. Wir hatten ein Abenteuer, ein mir tödlichen Schreck einjagendes Erlebnis. Ich schlief ein, als ich mein Tagebuch geschlossen hatte… Plötzlich wurde ich wach und sprang aus dem Bett mit einem furchtbaren Gefühl der Angst und der Leere. Lucys Bett konnte ich nicht sehen, da es so dunkel war; ich schlich hinüber und fühlte nach ihr; doch das Bett war leer. Ich machte Licht und bemerkte, dass sie gar nicht im Zimmer war. Die Tür war zu, aber nicht abgesperrt; doch ich weiß, dass ich sie geschlossen hatte. Ich fürchtete, die Mutter aufzuwecken, da sie sich öfter als sonst, zu später Stunde nicht so gut fühlt; deshalb zog ich einige Kleidungsstücke an und machte mich auf die Suche. Noch bevor ich das Zimmer verließ, kam ich auf die Idee, dass mir vielleicht ihre Kleidung Auskunft über den somnambulen Ausflug geben könnte. Schlafrock würde demnach bedeuten, dass sie sich im Haus, Straßenkleider, dass sie sich außerhalb des Hauses befinde. Schlafrock und Straßenkleider lagen an ihren üblichen Plätzen. „Gott sei Dank“, sagte ich zu mir, „weit kann sie nicht sein, da sie nur im Schlafgewand ist.“ Ich rannte hinunter und sah im Wohnzimmer nach. Nicht da! Dann sah ich in allen offen stehenden Räumen des Hauses nach, mit stärker werdender Angst, die mir das Herz zuschnürte. Endlich kam ich zum Haustor und fand es geöffnet vor. Es war nicht weit offen, aber das Schloss war nicht eingeschnappt. Die Leute des Hauses sind darauf bedacht, das Haustor jede Nacht sorgfältig zu schließen, deshalb musste ich annehmen, dass Lucy so fort ging, wie sie war. Da war keine Zeit, sich auszumalen, was geschehen könnte; ein vages, übermächtiges Angstgefühl ließ mich alle Details vergessen. Ich ergriff einen langen, warmen Schal und rannte davon. Die Glocke schlug eben ein Uhr, als ich in Crescent ankam, und es war keine Seele auf der Straße. Ich eilte die Nord-Terrasse entlang, fand aber keine Spur von der weißen Gestalt, die ich hier vermutete. Vom Rand der Westklippe, gerade über dem Pier, sah ich über den Hafen hinweg zur Ostklippe, in der Hoffnung oder der Furcht – weiß nicht was es war -, Lucy auf unserem Lieblingsplatz zu finden. Der strahlende Vollmond wurde hin und wieder durch schwere, treibende Wolken verdeckt, sodass über der gesamten Szene abwechselnd Licht und Schatten lag. Eine oder zwei Sekunden konnte ich nichts sehen, da gerade der Schatten einer Wolke die St.-Marien-Kirche und alles um sie herum verdunkelte. Dann, als die Wolke vorüber zog, konnte man das brüchige Mauerwerk der Abtei sehen. Und als ein schmaler Lichtstrahl, wie mit einem Schwert in die Landschaft gehauen, hinweg zog, wurde die Kirche mitsamt dem Friedhof nach und nach sichtbar. Was auch immer meine Erwartung war, sie wurde nicht enttäuscht, denn dort, auf unserem Sitz, sah ich im silbernen Mondlicht eine halb zurückgelehnte und schneeweiße Gestalt. Es kam viel zu rasch wieder eine Wolke, und der Schatten schluckte alles Licht. Ich hatte den Eindruck, als stünde etwas Dunkles hinter dem Sitz, auf dem sich die weiße Gestalt befand, und beugte sich über sie; was es war, Mensch oder Tier, kann ich nicht sagen. Ich wartete nicht ab, bis ich wieder etwas sehen konnte, sondern eilte die steilen Treppen hinab zum Pier und am Fischmarkt vorbei zur Brücke, dem einzigen Weg, auf dem die Ostklippe zu erreichen war. Die Stadt schien wie tot, da keine Seele mehr zu sehen war; es war mir auch lieb so, denn ich wollte keine Zeugen von Lucys Zuständen haben. Zeit und Entfernung erschienen mir endlos lang; meine Knie schlotterten, und mein Atem keuchte, als ich mich die endlosen Stufen zur Abtei hinauf plagte. Ich muss sehr rasch gelaufen sein, und nun kam es mir vor, als seien meine Füße aus Blei und alle meine Gelenke in meinem Körper eingerostet. Als ich beinahe schon auf der Höhe angelangt war, konnte ich den Sitz und die weiße Gestalt darauf genau sehen, denn ich war jetzt nahe genug, um selbst in der Dunkelheit alles zu erkennen. Ohne Zweifel, irgendetwas Langes und Schwarzes beugte sich über die halb zurückgelehnte weiße Gestalt. Im Schrecken rief ich: Lucy! Lucy! und die sonderbare Gestalt erhob den Kopf – und ein bleiches Gesicht mit roten, glühenden Augen drehte sich zu mir. Lucy antwortete mir nicht, und ich lief zur Eingangstür des Friedhofs.