Leni Behrendt Staffel 6 – Liebesroman. Leni Behrendt

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Leni Behrendt Staffel 6 – Liebesroman - Leni Behrendt


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Das Essen war vorzüglich, der Wein nicht minder, den die Tante bestellte. Schmunzelnd nahm sie wahr, wie die Wangen ihrer Schutzbefohlenen nach dem dritten Glas glühten, wie die Augen glänzten. Mit dem Herzchen zugleich floß auch der Mund über, und als Philchen mit ihrer leichtbedudelten Begleiterin das Lokal verließ, wußte sie genau Bescheid über das neunzehnjährige Leben der Silje Berledes.

      Jetzt lag diese wieder im weichen Pfuhl und schlief tief und fest über alle Kümmernisse hinweg.

      Philchen ließ das junge Menschenkind, dem ihre Liebe und Sorgfalt gehörte, ruhig schlafen, als der Gong zum Abendessen rief.

      »Du kommst allein?« fragte der Bruder kurz. »Wo ist Silje?«

      »Sie schläft. Und der Schlaf ist ihr dienlicher als Speise und Trank.« –

      Als man nach dem Essen, das wieder ungemütlich verlief, im Wohnzimmer saß, sprach Philchen über das, was ihren Schützling bedrückte.

      Aufmerksam hörten der Bruder und die anderen zu, und der Hausherr sagte dann zufrieden:

      »Genauso habe ich die Kleine eingeschätzt. Es freut mich wirklich, daß sie sich nichts schenken lassen will, das zeugt nämlich von Charakter. Nun, ihrem Stolz kann Genüge getan werden, sie soll Kost und Logis redlich bezahlen. Was dann von ihrem Gehalt übrigbleibt, ist gewiß nicht viel. Aber bei der Sparsamkeit, die sie ja schon bewiesen hat, wird sie auskommen. Was meinst du, Philchen, ob sie am ersten Dezember, also in vier Tagen, kräftig genug ist, um ihren Dienst versehen zu können?«

      »Das glaube ich schon. Was ihr vielleicht an Kraft fehlt, wird der feste Wille ausgleichen.«

      *

      »Hier, Fräulein Luischen, bringe ich Ihnen Ihren Famulus«, schob Philipp Hadebrecht die errötende Silje seiner Sekretärin zu, die er seit zwanzig Jahren als tüchtige Mitarbeiterin achtete und schätzte. »Nehmen Sie ihn nur tüchtig heran, und betrachten Sie ihn nicht womöglich als Protektionskind!«

      »Sollte mir einfallen!« lachte die vierzigjährige Dicke, der die Gemütlichkeit sozusagen aus allen Nähten lugte. »So was gibt’s bei mir nicht. Sinekure ist und bleibt für mich ein Fremdwort.«

      Lachend verschwand der Seniorchef im Nebenzimmer, und Silje sah ihm so ängstlich nach wie ein Kind, das von der Mutter in einer fremden Umgebung allein gelassen worden ist.

      Das rundliche Fräuleinchen Luischen mit dem gutmütigen Vollmondgesicht bemerkte es und lachte.

      »Nun, nun, Kindchen, man nicht so furchtsam! Ihnen geschieht hier nichts. Ich weiß ja, wie Sie unserem verehrten Senior als Vermächtnis des ältesten, tiefbetrauerten Sohnes ans Herz gewachsen sind – aber geschenkt soll Ihnen dennoch nichts werden.«

      Da lachte Silje ihr betörendes, goldiges Lachen, das sich dem Luischen sofort in das gute Herz stahl.

      »Das will ich ja auch gar nicht. Wie darf ich Sie nennen?«

      »Fräulein Luischen«, kam es schlicht zurück. »Das ist nämlich hier mein Ehrentitel. Und nun erzählen Sie mir mal, Kindchen, was Sie alles können.«

      »Das ist gewiß nicht viel«, bekannte Silje kläglich. »Zwei Jahre Handelsschule, ein halbes Jahr Praxis, drei Monate Arbeitslosigkeit – aus.«

      »Warum Arbeitslosigkeit?«

      »Weil der Juniorchef und Abteilungsleiter frech wurde.«

      »Wunderbar erklärt!« lachte Luischen gemütlich. »Hat’s geknallt?«

      »Und ob!«

      »Hach, das freut mich. Mir erging es nämlich einmal ebenso – denn auch ich war einmal jung und schön.«

      »Fräulein Luischen, ich glaube, ich habe doch noch ein bißchen Glück«, seufzte Silje, worauf die blauen, in Fett gepolsterten Äuglein sie verständnislos ansahen.

      »Wieso das?«

      »Weil ich Sie als direkte Vorgesetzte bekommen habe.«

      »Ach so – na ja, das ist allerdings immer Glückssache. Und nun wollen wir arbeiten.«

      Dazu war Silje gern bereit. Es waren in der ersten Zeit nur leichte Sachen, die sie zugeteilt bekam und die sie spielend erledigte.

      Und als der Senior sich bei Fräulein Luischen erkundigte, wie die Helferin sich mache, lachte die Sekretärin über das ganze gute Gesicht.

      »Unser Kind hat Köpfchen, Herr Hadebrecht Dabei ist es bescheiden, willig und arbeitssam. Wenn das so bleibt, dann können wir lachen.«

      »Und warum sollte es nicht so bleiben?«

      »Weil neue Besen immer gut zu kehren pflegen.«

      »Ein vortrefflicher Vergleich«, schmun­­zelte er. »Na, werden wir leben, werden wir sehen.«

      Und sie lebten und sahen. Silje arbeitete nun bereits drei Wochen im Betrieb, und noch immer hatte ihr Eifer nicht nachgelassen. Es war ja auch kinderleicht, was Luischen ihrem Famulus zuteilte, aber gerade diese Kleinarbeit half der manchmal überbürdeten Sekretärin viel Zeit sparen.

      Silje machte ihre Arbeit Freude, und wenn sie nach Hause kam, wurde sie von Philchen mit Herzlichkeit erwartet. Sie hockten dann zusammen, lachten und schwatzten, waren so ein richtiges Treugespann, wenn auch ein ungleiches.

      Um die andern im Hause kümmerten sie sich nicht, kamen nur zu den beiden Hauptmahlzeiten mit ihnen zusammen. Das Frühstück nahmen sie in Philchens Wohnzimmer ein, und der Nachmittagskaffee fiel für Silje aus, weil sie um die Zeit im Dienst war. Nur am Sonnabend und Sonntag nahm sie unten daran teil, wenn auch höchst ungern, obwohl man sie jetzt vollkommen ungeschoren ließ. Auch Thea und Ilona, die damals ihre Drohung nicht wahr gemacht hatten, sondern im Hause geblieben waren. Erstere, weil sie nicht das Geld hatte, um sich eine andere Bleibe zu suchen, letztere, weil alles, was mit Silje Berledes zusammenhing, viel zu interessant war, um sich das entgehen zu lassen. Aber sie sowie Thea hatten sich das hinter die Ohren geschrieben, was der Senior ihnen sagte, und feindeten das Mädchen nicht mehr öffentlich an.

      Aber der Schmuck der Mutter, den Silje jetzt täglich trug, stach Thea doch gar zu sehr in die Augen, obwohl sie selbst ganz nett behängt war. Sollte womöglich der Papa dem Mädchen, in das er so vernarrt war – –?

      Nun, der Sache mußte sie unbedingt auf den Grund gehen. Doch den Vater zu fragen, wagte sie nicht. Aber Philchen wußte ja auch gut Bescheid. Also legte sie dieser die Frage vor, natürlich nicht im Beisein des Hausherrn und seines Mündels.

      »Darauf habe ich schon lange gewartet«, versetzte Philchen trocken. »Nur keine Angst, aus der Hadebrechtschen Schatulle stammen die Kleinodien nicht.«

      »Aber sie scheinen doch sehr kostbar zu sein –«

      »Scheinen nicht nur, sie sind es wirklich. Vielleicht hat die Kleine sie gestohlen – man kann ja nie wissen. Denn die Seelen der Menschen sind unergründlich, das müßte dir als Poetin doch wohl eingehen. – Warum lachst du denn so niederträchtig, Eike, mein Sohn?«

      »Über dein Zünglein, Philchen, das manchmal doch verflixt spitz sein kann.«

      »Immer da, wo es angebracht ist, Jungchen! Wie die Frage, so die Antwort.«

      »Erlaube mal, Tante Philchen, meine Frage war doch wohl berechtigt!« ereiferte Thea sich jetzt. »Wie Papa erzählt, hat er doch das fremde Mädchen in sehr dürftigen Verhältnissen vorgefunden – und dann der kostbare Schmuck – –«

      »Und erst die Geige, die dieses fremde Mädchen besitzt!« warf Philchen ironisch ein. »Ich sage dir, die ist ein Vermögen wert.«

      »Aber, mein Himmel, warum verkauft das arme Mädchen die denn nicht?«

      »Vielleicht weil es poetisch ist – noch mehr als andere, dafür abgestempelte Leute.«

      »Pfui, Tante Philchen, du bist abscheulich!«

      »Stimmt, mein Kind, ein böser Erbfehler. Und wer kommt gegen so etwas an? Bei einem ist’s die Niedertracht,


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