Der Landdoktor Staffel 3 – Arztroman. Christine von Bergen

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Der Landdoktor Staffel 3 – Arztroman - Christine von Bergen


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zeit deines Lebens Vorwürfe machen müssen?«

      Nein, das wollte sie natürlich nicht.

      Ihre Schultern fielen herab. Alles Blut wich aus ihren Adern. Kraftlosigkeit überfiel sie.

      »Ich komme«, sagte sie schließlich kaum vernehmbar, nach einer Ewigkeit, wie ihr vorkam.

      Dann drückte sie auf die rote Taste, die jedoch nur die Telefonverbindung zu ihrem Elternhaus unterbrach, aber nicht ihre innere Verbindung.

      *

      »Soll ich dich fahren?«, fragte Christian besorgt.

      »Nein, nein, lass mal, ich mach das allein«, wehrte Angela seinen Vorschlag fahrig ab.

      Sie griff sich an die Stirn, als könnte sie so all die unfertigen Gedanken, die ihr durch den Kopf jagten, festhalten.

      »Ich habe ein ungutes Gefühl, dich in dieser Verfassung die weite Strecke allein fahren zu lassen.«

      Dankbar lächelte sie ihn an. »Das ist lieb, aber mir geht es gut.«

      »Vielleicht hat dein Vater auch ein wenig übertrieben, und deine Mutter hat nur einen ihrer Asthmaanfälle.«

      Heftig schüttelte sie den Kopf. »Das glaube ich nicht. Er klang sehr…, sehr ernst.« Angela spürte, wie ihr die Tränen in die Augen traten. »Entschuldige bitte, dass ich unser erstes gemeinsames Wochenende kaputt mache, aber ich hätte jetzt keine Ruhe mehr hier. Verstehst du das?«

      Was sollte Christian darauf antworten?

      Einerseits konnte er mit dem Wissen um Angelas Lebensgeschichte Verständnis für ihre Reaktion aufbringen, andererseits jedoch roch für ihn die Situation geradezu danach, dass Angelas Eltern ihrer Tochter durch diesen Hilferuf eindeutig die Prioritäten vor Augen halten wollten: Die Familie, die Krankheit ihrer Mutter sowie die Behinderung ihres Vaters mussten an erster Stelle stehen.

      Um die geliebte Frau nicht noch zusätzlich zu belasten, nahm er sie in die Arme. Wie ein trauriges Kind wiegte er sie hin und her.

      »Okay«, sagte er leise. »Dann fahr. Sei bitte vorsichtig und ruf mich an, wenn du angekommen bist.«

      Sie nickte und löste sich von ihm.

      Er spürte, dass sie im Geiste bereits auf dem Heimweg war.

      Als Christian danach allein auf seiner Terrasse saß, sagte er sich, dass er Geduld haben musste. Sie kannten sich ja erst kurz. Er musste Angela, wie auch ihren Eltern, Zeit lassen, sich daran zu gewöhnen, dass das Leben stets Wandlungen unterlag. Nichts blieb so, wie es war. Leben hieß Bewegung, Stillstand bedeutete Tod. Das hatten ihm seine Großeltern beigebracht. Und wenn Angela ihn genauso liebte wie er sie, dann würde sich alles für sie beide zum Guten entwickeln. Darauf vertraute er ganz fest.

      *

      Matthias und Ulrike Brunner befanden sich kurz vor Ruhweiler, als das Notfalltelefon des Landarztes klingelte.

      »Hast du es mitgenommen?«, fragte Ulrike verwundert.

      »Du weißt ja …« Ihr Mann warf ihr einen beredten Blick zu.

      »Ja, ja, ich weiß. Mein Mann und seine Patienten.« Liebevoll strich sie ihm über die Wange, bevor sie ihm den Apparat reichte, der auf der Mittelkonsole lag.

      »Entschuldigen Sie bitte, Herr Doktor, aber meiner Frau geht es sehr schlecht«, hörte der Landarzt Axel Häferle hastig sagen.

      »Schildern Sie mir ihre Symptome.« Aufmerksam hörte er dem aufgeregten Mann zu.

      »Ich bin schon auf dem Weg zu Ihnen«, versprach er ihm. »Versuchen Sie, Ihre Frau zu beruhigen. Öffnen Sie alle Knöpfe ihrer Kleidung, alles, was beengen könnte.«

      »Klingt nach Infarkt«, sagte Matthias dann zu seiner Frau, die das Telefon auf die Konsole zurück legte.

      »Gerade heute Abend, wenn Angela bei ihrem Freund ist«, bemerkte Ulrike trocken.

      »Vielleicht hat sich Frau Häferle darüber aufgeregt.«

      »Ist sie denn auch herzkrank?« Die Landarztfrau sah ihren Mann von der Seite an.

      »Bis jetzt noch nicht«, murmelte dieser.

      Ein paar Minuten später sahen die beiden das Wohnhaus der Häferles hell erleuchtet an der Landstraße liegen.

      Kaum hatte Matthias angehalten, da öffnete Axel Häferle auch schon die Tür.

      »Schnell, Herr Doktor. Meine Frau hat starke Schmerzen.«

      Der Landdoktor fand seine Patientin im Bett sitzend vor. Sie rang nach Atem. Rasch nahm er das Spray, das auf dem Nachttisch stand, und sprühte ihr das Medikament auf die Zunge. Dann ließ er sich von ihr die Schmerzen schildern.

      »Ich möchte Ihr Herz abhorchen«, sagte er daraufhin.

      Ob Monika Häferle dieses Mal einen Angina-pectoris-Anfall hatte?

      »Das Spray hilft nicht«, hörte er ihren Ehemann hilflos hinter sich sagen. »Das hat sie eben schon genommen.«

      »Sie bekommt gleich noch eine Spritze«, murmelte Matthias, holte das Stethoskop aus der Tasche und kontrollierte die Herztöne. Währenddessen fragte ihr Mann ängstlich: »Was hat sie denn nur?«

      »In Kombination mit den Schmerzen im linken Arm könnte es auch ein Angina-pectoris-Anfall gewesen sein. Ich muss Ihre Frau in der Praxis gründlich untersuchen. Ein EKG wird genaueren Aufschluss über die Diagnose geben.«

      »In dieser Nacht noch?«, fragte Monika Häferle entsetzt.

      Der Landarzt sah sie ernst an. »In dieser Nacht noch. Wenn Sie mich rufen, muss ich auch gänzlich meiner Pflicht nachgehen.«

      »Ich habe noch nie etwas mit Angina pectoris zu tun gehabt«, widersprach seine Patientin ihm, der es sichtlich lästig war, zu dieser Uhrzeit noch das Haus zu verlassen.

      »So etwas kann irgendwann kommen.« Er lächelte sie kurz an. »Vielleicht irre ich mich ja auch. Auf jeden Fall muss ich der Sache nachgehen.«

      »Hat das nicht Zeit bis morgen?«

      »Angela muss jeden Augenblick kommen. Die hilft dir, dich anzuziehen«, sagte Axel Häferle zu seiner Frau.

      Dabei strich er beruhigend über den Rücken.

      Matthias horchte auf.

      »Sie haben Ihre Tochter benachrichtigt?«

      »Natürlich. Was soll ich als halber Mann denn tun?« Die Stimme von Angelas Vater klang vorwurfsvoll.

      »Sie haben noch eine zweite Tochter, die durchaus in dem Alter ist, ihrer Mutter helfen zu können«, erwiderte er mit aufsteigendem Unmut.

      Er wusste ja, dass Angela an diesem Abend bei ihrem neuen Freund in Freiburg war. Vor knapp zwei Stunden hatte er die beiden noch gesehen. Glücklich, unbeschwert. Und jetzt wurde die junge Frau von ihren Eltern schon wieder abgerufen. Aber nicht nur das. Sie schien dem Ruf ja auch gefolgt zu sein, wenn ihr Vater sie jeden Moment erwartete. Es wurde wirklich allerhöchste Zeit, dass Angela lernte, sich nicht für alles verantwortlich zu fühlen, was bei ihr zu Hause passierte. Sie musste endlich lernen, ihr eigenes Leben zu führen. Immerhin war sie ebenfalls krank. Krank durch die Verantwortung, die auf ihr lastete und der sie sich aus einem übertriebenen Gefühl der Dankbarkeit stellte.

      »Bitte wecken Sie Jenny«, sagte er betont kühl. »Sie soll ihrer Mutter helfen, sich anzuziehen. Danach fahren wir in meine Praxis.«

      »Nicht nötig, ich bin schon hier«, vernahmen nun alle drei eine tonlos klingende Stimme in der Schlafzimmertür.

      Sie gehörte einer blassen jungen Frau mit verstörtem Ausdruck in den nebelgrauen Augen.

      »Guten Abend, Herr Doktor«, begrüßte Angela den Landarzt. Dann eilte sie auf ihre Mutter zu, die wie eine Ertrinkende auf hoher See den Arm nach ihrer Ältesten ausstreckte.

      »Liebes, wie gut, dass du hier bist«, sagte Monika


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