Der Landdoktor Staffel 3 – Arztroman. Christine von Bergen
Читать онлайн книгу.»Hat das Labor dir die Ergebnisse schon geschickt?«
»Es war eindeutig die Cremeschnitte. Der Tee war in Ordnung.«
»Na, also. Könnte es vielleicht sein, dass im Tal irgendjemand Stimmung gegen Claudia macht? Vielleicht die verbohrte Meinert-Bäuerin? Und in Wirklichkeit geht die Darmgrippe herum?«
»Klar, das könnte sein«, stimmte er seiner Frau zu. »Wenn es so wäre, dann …«
»Dann wäre das ein starkes Stück«, legte da sein Lockenköpfle empört los. »Dagegen müssten wir etwas unternehmen. Wir können Claudia nicht so ins offene Messer laufen lassen.«
»Was sollen wir unternehmen?«
»Den Gerüchten gegensteuern und mit Herrn Dr. Brandler reden. Er ist doch jetzt mit Claudia liiert, wie sie mir gestern selbst erzählt hat, als ich bei ihr im Laden war. Er muss all seinen Kunden sagen, dass die Darmgrippe im Umlauf ist. Und ich werde dies heute Nachmittag beim Metzger auch verkünden, wie auch, dass wir Claudias Tee trinken und uns herrlich fühlen.«
Matthias stand auf und gab seiner Frau einen Kuss auf die Nasenspitze. »Ich muss zurück, mein Schatz. Du hast immer die besten Ideen. Genauso machen wir es.«
*
Am frühen Nachmittag gaben sich in Thomas’ Apotheke die Kunden die Klinke in die Hand.
»Dr. Brunner sagte, die Darmgrippe sei wieder im Umlauf«, erzählte eine ältere Frau.
Es war die Spitznasige, die vor noch gar nicht allzu langer Zeit in der Apotheke über Claudia Koch geschimpft hatte.
»Aber wissen Sie, was ich glaube? Das ist die Kräuterhexe. Sie verkaufen ja auch das Zeug hier.« Sie zeigte auf das Regal, in dem Claudias Produktpalette stand. »Seit die Leute diese Sachen kaufen, geht es jedem im Tal schlecht.«
Thomas spürte, wie sein Blutdruck vor Zorn in die Höhe schoss. Doch er zwang sich zur äußeren Ruhe.
»Ich trinke selbst den Tee«, sagte er betont langsam. »Ich habe schon alle Sorten probiert, und wie Sie sehen, erfreue ich mich bester Gesundheit. Eine Kundin erzählte mir, dass sich der Meinert-Bauer an den Cremeschnitten des Bäckers vergiftet hat. Seine Lebensmittelvergiftung kann also schon einmal nicht durch den Kräuterladen verursacht worden sein.«
»Bauer Meinert hat aber auch von dem Gute-Nacht-Tee getrunken«, beharrte die Spitznasige starrsinnig.
Sie schien eindeutig zu denjenigen zu gehören, denen seine geliebte Claudia immer noch ein Dorn im Auge war.
Was sollte er darauf erwidern? Er würde sich bei Dr. Brunner schlau machen.
»Es war eindeutig die Cremeschnitte«, bekam Thomas nun auch vom Landarzt am frühen Nachmittag bestätigt. »Ich hätte Sie auch gleich angerufen, um mich mit Ihnen zu besprechen.«
So erfuhr Thomas, worüber Dr. Brunner und seine Frau in der Mittagspause gesprochen hatten.
»Natürlich werde ich allen Kunden sagen, dass in Ruhweiler die Darmgrippe umgeht«, erwiderte er. »Ich bin ja froh darüber, dass Sie mir das sagen. Eben war schon eine Kundin hier, die Claudias Kräuter verunglimpfte. Es wird nicht lange dauern, dann finden sich einige Leute, die Claudia der Giftmischerei bezichtigen.«
»Wenn dieses Gerücht nicht schon längst im Umlauf ist«, erwiderte der Landdoktor. »Dem müssen wir entgegentreten.«
Thomas unterhielt sich noch eine Weile mit dem Arzt und hatte dabei eine eifrige Zuhörerin, was er jedoch nicht bemerkte.
*
Auch der nächste Tag bescherte der Landarztpraxis einen Patientenandrang, als wäre eine Epidemie im Tal ausgebrochen. Darmgrippe lautete die eindeutige Diagnose für den erfahrenen Landdoktor.
Als Matthias abends spät aus der Praxis nach Hause kam, klingelte auch schon das Notfalltelefon. Eine junge Frau lag mit heftigen Schmerzen im Bett. Ihr Ehemann zeigte sich höchst besorgt. Also fuhr er noch einmal hinaus.
Das Haus der jungen Breitners lag am Ortsrand. Herr Breitner erwartete ihn bereits vor der Tür.
»Wenn das die Darmgrippe sein soll, fresse ich einen Besen«, sagte er aufgeregt. »Die habe ich auch schon mal gehabt, aber so Schmerzen wie meine Frau …« Im Laufschritt führte er Matthias zum Schlafzimmer.
Die Patientin saß auf dem Bett und hielt sich mit schmerzverzerrter Miene den Leib. Ein Lächeln huschte über ihr bleiches, schweißnasses Gesicht, als sie den Landdoktor begrüßte.
»Ich halte es vor Bauchzwicken kaum mehr aus«, sagte sie in verzweifeltem Ton.
Matthias legte die Hand auf ihre Stirn, die sich glühend heiß anfühlte. Dann tastete er ihren verkrampften Bauch ab.
»Was haben Sie heute gegessen?«, erkundigte er sich dabei.
»Nur heute Morgen eine Schnitte Brot mit Butter und Marmelade«, presste Frau Breitner hervor. »Danach bin ich nicht mehr zum Essen gekommen. Wir wollten gerade zu Abend essen, als die Schmerzen immer stärker wurden.«
»Haben Sie …« Er räusperte sich. »Haben Sie etwas getrunken?«
»Ja, Kräutertee«, lautete die Antwort.
Die nächste Frage wollte einfach nicht über seine Lippen kommen. Schließlich überwand er sich. »Aus dem Kräuterladen?«
»Nein, den habe ich beim Apotheker gekauft. Gestern Abend nach der Arbeit.« Die junge Frau brachte ein verlegenes Lächeln zustande. »Es ist mir unangenehm, aber ich hatte das Gefühl, dass es mir beim Trinken mit jedem Schluck schlechter ging, aber das mag vielleicht auch daran liegen, dass ich noch nichts im Magen hatte.«
»Meine Frau hat den Tee in der Apotheke gekauft, aber er stammt aus der Herstellung von Frau Koch«, fügte Herr Breitner hinzu.
Matthias biss sich auf die Lippe. Dann stand er auf und straffte sich. »Ich möchte Sie über Nacht mit in die Miniklinik nehmen«, sagte er in behutsamem Ton zu seiner Patientin. »Dort habe ich Sie unter Kontrolle.« Er sah ihren Mann an. »Würden Sie so freundlich sein und Ihrer Frau ein paar Sachen einpacken?«
»Natürlich, sofort.« Er schien überfordert zu sein mit dieser Situation. Die Angst um die Gesundheit seiner Partnerin stand ihm auf dem Gesicht geschrieben. »Ich fahre natürlich mit.«
»Klar.« Der Landdoktor zögerte. Dann gab er sich einen Ruck. »Ich hätte da noch eine Bitte. Haben Sie noch etwas von dem Tee, den Sie gestern gekauft haben?«
»In der Küche«, erwiderte Herr Breitner dienstbeflissen.
»Würden Sie mir die Packung mitgeben?«
*
In dieser Nacht war der Praxishügel hell erleuchtet. Der Landarzt wechselte sich in der Nachtwache im Zimmer seiner Patientin mit seiner Frau und einer jungen Krankenschwester aus Ruhweiler, die er oft zu Nachtdiensten rief, ab.
Der Zustand von Eva Breitner blieb besorgniserregend. Matthias konnte sie nur auf Verdacht auf Vergiftungserscheinungen behandeln, ohne das Gift selbst zu kennen. Er wusste nur eines mit Sicherheit: Unter einer Darmgrippe litt sie nicht.
Am nächsten Morgen fuhr Ulrike Brunner in aller Früh mit dem Tee der Breitners sowie Proben aller Teesorten, die Thomas Brandler in seiner Apotheke verkaufte, zum Labor in die nahe gelegenen Kreisstadt. Eine Stunde später kam sie mit einem niederschmetternden Ergebnis zurück.
»Tollkirsche und blauer Eisenhut«, sagte sie zu ihrem Mann und Schwester Gertrud.
Der Praxisdrache schlug die Hand vor den Mund.
»Wenn Kinder diese Mischung trinken würden, liefe die Sache weit weniger glimpflich ab als bei unserer Patientin«, sagte sie voller Entsetzen.
»Gar nicht auszudenken«, flüsterte Ulrike immer noch schockiert.
»Ich kann mir kaum vorstellen, dass Frau Koch sich so irren soll«, murmelte Matthias kopfschüttelnd.