Die wichtigsten Werke von Adalbert Stifter. Adalbert Stifter

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Die wichtigsten Werke von Adalbert Stifter - Adalbert Stifter


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sie eine Stunde gewartet hatten, trat ein Mann aus der hohen Tür, und rief: »Witiko.«

      »Du mußt allein hinein gehen«, sagte der Priester.

      Witiko ging an den Bewaffneten vorüber durch die hohe Tür, der Mann mit ihm, die Tür wurde hinter ihnen geschlossen, und Witiko stand vor der Versammlung.

      Es war ein sehr großer Saal. Der Saal war rückwärts und seitwärts ganz mit Menschen gefüllt. Nur wo Witiko stand, war ein größerer freier Raum. Er konnte auf alle sehen, und alle konnten auf ihn sehen. Vorne in der Versammlung, wo ein langer Tisch mit Schreibgeräten stand, saß der Bischof von Prag Silvester. An seiner Linken saß der Bischof mit den dunkeln Augen und dem braunen Barte, welchen Silvester Zdik den Bischof von Olmütz geheißen hatte. Dann saßen mehrere Äbte und geistliche Herren. Seitwärts saßen Priester, die zu den Untergebenen der Bischöfe und Äbte gehörten. Vorne in der Versammlung saß auch ein Mann in einem sammetnen dunkelpurpurnen weiten Gewande, das ein Gürtel zusammen hielt, in welchem aber kein Schwert hing. Auf dem Haupte hatte er eine dunkelpurpurne Haube mit einer weißen Feder. Ein weißer Bart floß auf das Gewand nieder. Neben ihm saß einer in grauem Gewande mit grüner Haube weißer Feder und weißen Haaren. Es war Smil ein Kriegsanführer, den Witiko im Zuge nach Sachsen gesehen hatte. Neben Smil saß einer in schwarzem Gewande mit schwarzer Haube grauer Feder weißem Barte, dann noch mehrere in kostbaren Gewändern. In den Reihen hinter diesen saßen vornehme Herren Böhmens schön geziert. Alle hatten ein Schwert. Witiko kannte keinen, oder er konnte ihn in der Menge nicht erkennen. Unter denen, die ganz rückwärts waren, glaubte er das Angesicht des Reiters zu erblicken, der sich bei Chynow den Sohn des Nacerat geheißen hatte. Auch sah er einen Mann, von dem er meinte, daß er damals Welislaw genannt worden war. Noch einen sah er, der in jenem Gefolge gewesen war, er kannte aber seinen Namen nicht.

      Als er in den Saal getreten war, nahm er seine Lederhaube mit der linken Hand ab, neigte sich, strich mit der rechten seine Locken zurück, und stand dann da, seine Augen auf die Versammlung richtend.

      Es war ein großes Gemurmel gewesen, als er in den Saal trat, wie es ist, wenn viele Menschen in einem Raume sind, und es ist größer geworden, da er eintrat. Manche erhoben sich, um ihn zu sehen, und rückwärts standen mehrere aufrecht, um besser nach vorwärts schauen zu können.

      Als das Geräusch sich minderte, erhob sich ein Priester, der neben dem Bischofe gesessen war, trat in den freien Raum vor dem Tische, und rief: »Ich bin der Abt von Kladrau!«

      Hierauf schwieg er, und da sich nirgends ein Widerspruch erhob, und da fast eine gänzliche Stille eingetreten war, hob er an: »Liebe Mächtige und Wohlgesinnte! Wir haben heute in diesem Hause eine Versammlung, die so groß und ehrfurchterweckend ist, wie selten eine in diesem Lande stattgefunden hat. Viele treue Männer haben, als das Unglück zu drohen schien, welches nun nahe ist, ihre Worte ausgetauscht, was vorzubereiten ist, daß der Jammer nicht erscheine, der schon öfter bei einem Wechsel auf dem Herzogstuhle in diese Länder gekommen ist: als aber die Nachricht unter die Menschen ging, daß es nicht mehr anders sein werde, als daß unser erlauchter Herzog Sobeslaw zum ewigen Leben in der Gesellschaft seiner Brüder, seiner Eltern und Vorfahren werde einberufen werden, so kam eine große Zahl edler Herren dieser Reiche herein, sie offenbarten ihren Stand und ihren Besitz, und verlangten zu den Versammlungen gelassen zu werden. Der Rat zu ernster Erwägung der Dinge und zur Findung des letzten Ausganges ist nun heute in diesem Saale versammelt. Aber ehe er seinen Gegenstand pflegen konnte, ist ein Fall gekommen, dessen Schlichtung vorher not tut. Ein junger Reiter ist erschienen, den unser mächtiger Herzog Sobeslaw gesendet hat, daß er ergründe, was die edlen Herren des Reiches beschließen, und es melde. Er will daher an die Versammlung die Bitte tun, daß sie ihn ihre Beratungen und Beschlüsse anhören lasse, damit er die Wahrheit berichten könne. Sein erstes Anliegen aber ist, daß ihm der Rat gestatte, seine Bitte vor ihm selber darzulegen. Weil durch Umfrage bei einsichtsvollen Männern, und dann in diesem Rate beschlossen worden ist, daß man ihn höre, und weil ich die Umfrage verursacht, und die Frage vor dieses Haus der Versammlung gebracht habe, so melde ich jetzt, daß der junge Bote vor euch steht, damit das geschehe, was bestimmt ist, und damit die, welche vor seiner Anhörung noch zu reden gemeldet sind, reden.«

      Als der Abt von Kladrau diese Worte gesprochen hatte, ging er wieder zu seinem Sitze, und ließ sich darauf nieder.

      Da dieses vorüber war, stand der Mann mit dem schwarzen Kleide und dem weißen Barte, welcher neben Smil saß, auf, trat in den freien Raum, und rief: »Ich bin Ben der Kriegsanführer und der zweite Führer dieses Hauses.«

      Als man zum Anhören bereit war, sagte er: »Wer zum Sprechen nach der Einführung des Abgesendeten berufen ist, der spreche. Der erste weiß seinen Platz, und jeder folgende kennt seinen Vormann.«

      Hierauf nahm er seinen Sitz wieder ein.

      Da erhob sich in der Mitte der Versammlung ein Mann, der schwarz gekleidet war, auf seiner schwarzen Bärenhaube eine gerade Rabenfeder trug, und schwarze Haare und einen schwarzen Bart hatte. Er rief auf seinem Platze stehend: »Ich bin Bogdan!«

      Nach einer Weile Wartens fuhr er fort: »Der ehrwürdige Abt von Kladrau hat uns gesagt, daß der Bote, welcher vor uns steht, gekommen ist, die Beschlüsse der Versammlung des Reiches zu ergründen, und sie dem Herzoge Sobeslaw zu melden. Der Kundschafter im Kriege sucht die Stellungen und Absichten des Heeres zu erforschen, um sie dem Feinde zu hinterbringen. Der Kundschafter im Frieden sucht Meinungen und Beschlüsse zu erfahren, um sie irgend wohin zu melden, daraus Krieg und größeres Unheil als im Kriege entstehen kann. Darum sage ich: Werft den jungen Mann in den Turm, setzt ein Gericht über ihn zusammen, daß es einen Spruch fälle, und verfahrt nach dem Spruche.«

      Als er diese Worte gesagt hatte, setzte er sich wieder nieder.

      Nach ihm erhob sich einer in einem roten Gewande, welcher in den hinteren Bänken saß, auf der schwarzen Haube eine rote Feder trug, und an dem Kinne einen starken grauen Bart hatte. Er rief: »Ich bin Domaslaw!«

      Dann sagte er: »Der Bote vor uns will unsere Beschlüsse, wie wir vernommen haben, an den Herzog Sobeslaw melden. Wir sind in der lautern Absicht hier, zu beraten, was nach dem Tode unseres erhabenen Herzogs, welcher nahe bevorzustehen scheint, geschehen soll, damit unser Vaterland von den Übeln verschont bleiben möge, welche nach einem solchen Falle eintreten können. Unsere Beschlüsse mögen wie gut immer sein, so kann es geschehen, daß sie dem Herzog Sobeslaw mißfallen, und daß sein Geist, der von der Krankheit getrübt ist, Anordnungen trifft, die Verwirrung und Unglück im Lande erregen. Was der junge Bote offen anstrebt, ist daher Verrat an unserem Vaterlande. Wir können die Ausführung dieses Verrates verhindern, wenn wir den Abgesendeten von unserer Versammlung entfernen; dann bleibt aber noch der Versuch des Verrates übrig, in welchem er in diesem Augenblicke vor uns begriffen ist. Darum sage ich, daß man den Jüngling in Gewahrsam nehmen, und dem künftigen Herzoge zum Gerichte übergeben soll.«

      Hierauf setzte er sich wieder nieder.

      Nun stand auf der linken Seite des Saales ein Mann auf, der ein dunkelblaues Gewand einen roten Bart und rote Haare und eine weiße Feder auf der dunkelblauen Haube hatte. Der Mann rief: »Ich bin Beneš!«

      Dann sprach er: »Wenn auch das alles zur Wahrheit besteht, was die Männer vor mir gesagt haben, so ist es gleichfalls wahr, daß die höchsten Männer des Reiches in diesem Gemache versammelt sind, deren Name, wenn er gerufen wird, allen bekannt ist, und die das Geschick der Völker, welche in diesen Landen wohnen, in ihre Hand nehmen dürfen. Den Boten, der vor dem Tische steht, kennt niemand, und seine Jahre geben ihm auch kein Recht an dieses Gemach. Es gesellt sich daher zu dem Verbrechen die Vermessenheit, und beides muß gestraft werden. Ich sage also: Wartet nicht auf den künftigen Herzog, sondern setzet ein Gericht zusammen, das über ihn urteilt.«

      Er ließ sich wieder auf seinen Sitz nieder.

      Sogleich stand in der Mitte der rechten Seite des Saales ein junger Mann auf. Er hatte blonde Locken und blaue Augen. Die schwarze Haube mit den weißen Reigerfedern hielt er im linken Arme, der ein braunes golddurchwirktes Kleid zeigte. Er rief: »Ich bin Milhost!«

      Dann rief er mit lauter Stimme: »Weil diese Versammlung das höchste Heil des Landes zu bewahren hat, so besitzt sie die


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