WASTELAND - Schuld und Sühne. Russell Blake

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WASTELAND - Schuld und Sühne - Russell Blake


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und er hatte es schon vorher getan, wenn er hier campiert hatte. Tatsächlich lag seine alte Feuerstelle nur ein paar Schritte entfernt. Nachdem er ein paar trockene Zweige gesammelt und die Steine der Feuerstelle zusammengerückt hatte, beträufelte er das Holz mit dem Geheimrezept seines Großvaters und zündete es mit einem Wegwerffeuerzeug an – eines von dreien in seinem Besitz. Es waren hochbegehrte Tauschartikel.

      Das Feuer erwachte zum Leben und er beobachtete die tanzenden Flammen über dem knisternden Holz. Er kaute langsam etwas von dem Trockenfleisch, das er und sein Großvater auf ihrer Ranch herstellten und starrte gedankenverloren auf die orangefarbenen Flammenzungen, die sich in den Nachthimmel reckten.

      Lucas schüttelte seine Müdigkeit ab und sah zu Tango hinüber, der längst wieder graste und die Selbstgespräche seines Herrn ignorierte. Lucas zuckte entschuldigend mit den Achseln und lehnte sich gegen den harten Felsen. Sein M4A1 lag mit montiertem Nachtzielgerät quer über seinen Knien, die Kimber ruhte an seiner Hüfte, doch seine Lider waren schwer, denn ein langer Tag hatte alles Adrenalin aufgebraucht. Er gestattete sich den kleinen Luxus, für einen Moment die Augen zu schließen, damit sie nicht mehr so brannten. Die Erinnerung an seine verstorbene Frau Kerry war mit einem Mal in seinem Kopf und er stieß einen Seufzer stiller Trauer aus. Lucas behielt ihr Abbild solange es ging vor seinem geistigen Auge, bis es sich auflöste wie Morgennebel. Ihre lächelnden Augen verschwanden zuletzt.

      Ging er deswegen dieses Risiko ein und versuchte, die fremde Frau zu retten? Waren es Schuldgefühle, weil er seine Ehefrau nicht hatte retten können, die Liebe seines Lebens? Weil er seinen Job wichtiger genommen hatte als seine Ehe?

      »Das ist nicht wahr«, flüsterte er, doch seine Worte klangen hohl.

      Er war in den ersten Tagen des Kollapses im Außeneinsatz gewesen, bei dem Versuch, die Ordnung aufrechtzuerhalten, obwohl sich die Situation ständig verschlimmerte. Als die Grippe sich ausbreitete, waren viele Polizisten nicht mehr zur Arbeit erschienen. Die Nationalgarde hatte eigentlich ausrücken sollen, doch Lucas hatte ernste Zweifel gehegt, dass sich noch viele zum Dienst melden würden. Kerry hatte ihm versprochen, im Haus zu bleiben, die Türen abzuschließen und die Rollos unten zu lassen, aber irgendetwas – er hatte nie erfahren, was es war – hatte sie dazu veranlasst, die Sicherheit des Hauses zu verlassen.

      Als man ihre Leiche fand, hatte Lucas all seine Willenskraft benötigt, um sich nicht den Lauf seiner Kimber in den Mund zu stecken und ihr in den Tod zu folgen. Er hatte nie herausgefunden, wer sie auf so unaussprechliche Weise missbraucht hatte, bevor er ihr Leben auslöschte. In der allgemeinen Abwärtsspirale der folgenden Tage war er gezwungen gewesen aufzugeben und sich auf sein eigenes Überleben zu konzentrieren.

      »Du hättest nichts tun können«, wisperte er und rieb sich mit der Handfläche über sein Gesicht. »Niemand hätte das.«

      Das war die Wahrheit, fühlte sich aber wie eine Lüge an. Er hätte zu Hause sein sollen, um sie vor allem Übel zu schützen, statt nur seinen Job zu machen. Er hätte wenigstens … irgendetwas tun können.

      Allerdings hätte Lucas dafür ein anderer Mensch sein müssen – einer, der die ihm übertragenen Aufgaben beim ersten Anzeichen von Problemen hinwarf, einer, der die Menschen nicht schützte, die er zu schützen geschworen hatte – nur für den Fall, dass seine leichtsinnige Frau dachte, er würde es mit der ständig wachsenden Gefahr da draußen übertreiben.

      Das wäre für ihn nie eine Option gewesen.

      Aber sie hatte den Preis dafür bezahlt.

      Sein Verstand ging auf Wanderschaft und spielte noch einmal wie in Zeitlupe den Sturz ins Chaos durch, als die Zivilisation zusammenbrach. Die Realität traf die Bevölkerung vollkommen unvorbereitet: Eine Versorgungskette für nur maximal drei Tage und abhängig von staatlicher Fürsorge, was Strom, Wasser und ihren eigenen Schutz anging. Ihr Vertrauen in den Staat erwies sich als unbegründet, als die Leichen sich zu stapeln begannen und eine Hungersnot die Nation erschütterte, gefolgt von totaler Anarchie. Er erinnerte sich noch an seine letzte Fernsehsendung, in der ein sichtlich nervöser Sprecher mit Schweißperlen auf der Stirn seine Zuschauer beschwor, dass alles gut werden würde und sie nicht in Panik verfallen sollten. Sie sollten in ihren Häusern bleiben, da man das Kriegsrecht verhängt hatte. Und er erinnerte sich an das Versprechen, dass es niemals zu dem apokalyptischen Szenario kommen würde, das sich bereits wie ein Lauffeuer über die sozialen Medien verbreitete. Nur eine weitere schlechte Lüge.

      Das Wort ›niemals‹ hatte sich in Lucas' Erinnerung eingebrannt, in seiner ganzen, totalen Verlogenheit. Nur Stunden später war das Internet zusammengebrochen und es spielte letztendlich keine Rolle, ob es Vandalen oder die Regierung selbst gewesen war. Als er am folgenden Tag in seinem leeren Haus erwachte, war seine Ehefrau noch keine Woche tot. Es gab keinen Fernsehempfang, der Strom war weg und überall in der Umgebung waren Schüsse zu hören. Für immer vorbei war es auch mit seinem Job, seiner verdammten Pflicht und der komfortablen Routine, als der Tag, der angeblich nie kommen sollte, eingetroffen war.

      Lucas seufzte wieder und fragte sich, warum er sich immer noch mit diesen vergifteten Erinnerungen herumquälte. Seit diesen Tagen war eine Ewigkeit vergangen. Jetzt war er nur noch einer von den Überlebenden, die versuchten, das Beste aus der Hölle zu machen, die sie umgab. Wie und warum es dazu kommen konnte, war letztendlich unwichtig. Es war eben passiert, nur das zählte.

      Er öffnete seine Augen und blickte hinauf in das orangefarbene Mondlicht über dem hohen Gras und dann nach unten auf das Feuer, das schon halb heruntergebrannt war. Seine Augen wanderten zu der Frau hinüber und seine Gedanken rasten. Wie lautete ihre Geschichte? Woher kam sie und wohin wollte sie? Und was machte sie mit vier schwer bewaffneten Söldnern mitten im Niemandsland, einer Region, die selbst unter günstigsten Umständen bekanntermaßen gefährlicher als eine Giftnatter war?

      Kapitel 3

      Lucas schreckte mit einem leisen Fluch hoch. Seine Augen tasteten die Umgebung ab und blieben an der nahegelegenen Feuerstelle hängen. Das Feuer war nur noch eine schwelende Glut, das Holz war längst verbrannt und eine dünne Rauchfahne stieg aus der Asche.

      Er war eingenickt, als er seinen quälenden Erinnerungen nachhing. Doch irgendetwas hatte ihn aus dem Schlaf gerissen. Tango schnaubte irgendwo in der Nähe, ein klares Warnsignal für Lucas, der sich bereits auf die Beine kämpfte. In diesem Moment hörte er ein Fluchen und das schnappende Geräusch des Stolperdrahts am Hauptzugang.

      Er wartete nicht ab, bis der Flucher zu sehen war. Wie auf Autopilot bewegte er sich rasch aber lautlos auf den Spalt an der Rückseite der Lichtung zu, wobei er den selbst gelegten Stolperdraht umging, bis er sich zu einem Felsvorsprung vorgearbeitet hatte, von dem aus er ein gutes Sichtfeld auf die Umgebung und eine steinerne Deckung hatte.

      Augenblicke später war er oben angekommen und blickte auf drei Gestalten hinunter, die durch das Gras auf Tango zu krochen. Die Frau lag noch in komatösem Zustand auf der Plane, nur ein paar Meter von seinem Pferd entfernt. Im Geiste ging Lucas seine Optionen durch – er konnte es vermutlich mit drei Männern aufnehmen, doch wenn er auch nur einen verfehlte, würde der in Richtung von Tango und der Frau feuern. Es gab keine Garantie für todsichere Schüsse in der Dunkelheit. Nein, er musste versuchen, sie zu umgehen und von der Seite anzugreifen, während sie sich auf die Lichtung vorarbeiteten. Er beobachtete für ein paar Sekunden ihre Bewegungen. Es musste sich um irgendwelche Gauner handeln, denn ihr Vorgehen zeugte von Unerfahrenheit. Sie schlichen geradewegs in eine potenzielle Falle.

      Das machte sie in seinen Augen zu Narren.

      Allerdings machte es sie nicht weniger gefährlich, war aber vielleicht ein Vorteil zu seinen Gunsten.

      Er zog sich von der Felsspalte zurück und folgte dem Weg zur Lichtung. Dann umging er die freie Fläche weiträumig im Schutz der sie umgebenden Felsen. Er sah die Umrisse von drei Pferden in der Nähe einer Baumgruppe, etwa dreißig Meter den Berg hinunter. Er musste seine Meinung revidieren – so dumm konnten die Banditen nicht sein, da sie das Lager entdeckt hatten und clever genug gewesen waren, ihre Reittiere zurückzulassen.

      Lucas erreichte seinen Stolperdraht und stieg darüber hinweg. Die Männer


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