Om mani padme hum. Wilhelm Filchner

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Om mani padme hum - Wilhelm Filchner


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fiebernden Kopf. Schließlich verließ mich die Besinnung. Am nächsten Morgen stand ein Chinese an meinem Bett, und die Mohammedanerfamilie äugte neugierig durch die Fensterhöhlen. Inzwischen hatte man auch meinen Freund Lü benachrichtigt. Er kam sofort und ließ glühende Holzkohlen unter dem Bretterbelag aufschichten. Die Gase, die nirgends entweichen konnten, füllten den ganzen Raum. Statt der so notwendigen Erwärmung wurde die Luft verpestet, sodass ich zu meinen Leibschmerzen noch eine Kohlenmonoxidvergiftung bekam. Lü ließ eine Decke aus seinem Haus holen und blieb besorgt an meinem Lager sitzen.

      Bald schickten mir die Klostermönche in rührender Fürsorge ein Mitglied ihrer medizinischen Fakultät zu Hilfe.

      Mein Zustand verschlimmerte sich dennoch zusehends. Heftiges Erbrechen setzte ein, dem große Mattigkeit folgte. Ich hatte keine Ahnung, was mir fehlte. Meine einzige Sorge galt den Chronometern, die ich trotz hohen Fiebers täglich an den Stichstunden pünktlich aufzog. Auch die magnetischen Serienmessungen habe ich, so gut es eben ging, in den Pausen zwischen den schweren Anfällen programmgemäß durchgeführt. Trotz größter Erschöpfung saß ich stundenlang am Apparat. Die Anfälle steigerten sich in so erschreckender Form, dass Lü den K’ang für mich herrichten ließ, der mit Stroh geheizt werden musste. Was geschah? Der ganze Raum füllte sich mit schwelendem, gelbem Rauch.

      Erst nach einigen Tagen schwanden diese üblen Nebenerscheinungen. Auf den K’ang wurden Strohmatten und obenauf eine Pferdedecke gelegt, auf die man mich bettete. Es war aber auch diesmal nichts; denn jetzt spie der K’ang glühende Hitze. Mein Rücken war halb geröstet, die anderen Körperteile aber schüttelte der Frost.

      Nun schickte mein Freund Lü einen Boten nach Sining-fu, um einen Blechofen zu erstehen, wie sie dort aus alten Petroleumkannen angefertigt werden und für wenig Geld zu haben sind. Jetzt hatte ich also sogar einen Ofen im Zimmer, der jedoch wieder nicht viel half.

      Noch vor Winterbeginn hatte ich, der völlig Mittellose, in meiner Not einen Brief an den deutschen Gesandten in Peking geschrieben, in dem ich um Hilfe bat. Dieser Brief war mir nicht leicht gefallen. Ich wartete sehnsüchtig auf Antwort, die eigentlich nach einigen Wochen in meinen Händen sein musste, wenn ..., ja wenn ... Aber Rom war weit ... Antwort kam trotz der zur Verfügung stehenden Funkverbindung Peking—Tihwa erst nach mehreren Monaten in Gestalt eines Briefes mit dem Aufdruck »Deutsche Gesandtschaft in Peking«. Der Inhalt des Schreibens lautete ungefähr: »Der Gesandte hat Ihren Brief vom ... erhalten und ihn zur weiteren Erledigung an das Auswärtige Amt in Berlin geleitet. Ich verbleibe im Auftrage ... « Unterschrift unleserlich.

      Nach dieser traurigen Episode zurück nach Lussar. Mein Zustand wurde bedenklicher. Lü rechnete mit meinem Ableben. Er hatte auch eine geheime Nachricht nach Sining-fu gesandt, die dort auf den Ernst meiner Lage aufmerksam machen sollte.

      Manchmal glaubte ich wirklich selbst, dass mein letztes Stündlein schlagen werde. Oft setzten lange Ohnmachten ein. Mein Körper wurde immer schwächer. Es fehlte zu allem Unglück an guter Nahrung und an geeigneten Medikamenten. Ich hatte zwar in der Zwischenzeit wiederholt chinesische Arzneimittel genommen, aber deren Wirkung war so gewaltig, dass mein geschwächter Organismus solche Pferdekur gewiss nicht sehr lange ertragen haben würde.

      Als ich mich an einem wärmeren Tag einmal zu Lüs Wohnung wagte, fand ich diese verschlossen. Erst am nächsten Tag hörte ich zu meinem Kummer, dass Lüs kleiner halbjähriger Junge an Diphtherie erkrankt und gestorben sei. Vielleicht war es gerade dieses traurige Ereignis, das mich mit Lü und seiner Frau noch näher verband; denn es war mir gelungen, die Tiefgebeugten aus ihrer Niedergeschlagenheit wieder aufzurichten und Lü zu bestimmen, sich nach einem weniger wilden und klimatisch angenehmeren Ort versetzen zu lassen.

      Inzwischen hatten die Vorbereitungen für das große Fest im Kloster eingesetzt. Nun hielt es mich nicht länger auf meiner Lagerstätte. Von Lü geführt, schleppte ich mich, wie ein Lasttier mit Apparaten bepackt nach Kumbum, um die Herrlichkeiten dieser weltentlegenen lamaistischen Zentrale im Bild festzuhalten. Ich drehte sogar einige Filmaufnahmen, besonders Tänze, die inzwischen in meinem Film »Om mani padme hum« der Öffentlichkeit vorgeführt worden sind. Die Eingeborenen, die meinem Tun mit Misstrauen folgten, gewohnten sich langsam an mich. Sie hatten Mitleid mit mir; denn sie sahen, wie elend ich war. Mein bleiches Gesicht zeugte von vielen Leiden. Sie wussten bald alle, dass ich fast nichts zu essen hatte, und so oft ich, in Lumpen gehüllt, zähneklappernd den Hof betrat, auf dem sie gerade ihre Versammlungen abhielten, boten sie mir Tee und getrocknete Früchte an. Wie rührend hilfreich waren diese einfachen Naturmenschen!

      Anfang Dezember bekam ich unerwarteten Besuch in meiner armseligen Behausung; es stellten sich ein: zwei lebhafte Franzosen mit Lederhut und schweren Reitpeitschen, ein Amerikaner mit breitrandigem Hut und hohen Ledergamaschen, Mr. Plymire, und endlich ein langer, hagerer Amerikaner, Mr. Hayward. –

      Die Franzosen beabsichtigten eine Expedition nach Tibet. Die beiden anderen Herren waren Missionare. Mr. Plymire war in Tankar und Mr. Hayward in Sining-fu stationiert, wo er zusammen mit den Engländern Herrn und Frau Learner arbeitete, den Nachfolgern meines lieben Freundes Ridley.

      Dieser Besuch wirkte Wunder. Wie heilkräftige Sonnenstrahlen wärmte er mein Gemüt und hat mich in der Tat gestärkt und gekräftigt. Jetzt wusste ich doch, dass ich nicht verlassen war, dass auch andere Menschen mein Leid kannten, Freunde, die mir helfen würden.

      Als einige Tage später, es war Mitte Dezember, das große Butterfest einsetzte, kam eine neue beglückende Überraschung. Am Vorabend erhielt ich den Besuch von Mr. Hayward. Er war von einem ebenso langen, schmalen, blonden Engländer, Jack Mathewson, begleitet. Beide luden mich ein, mit ihnen nach ihrer Karawanserei zu kommen, wo zwei englische Missionarinnen und Mrs. Hayward abgestiegen waren.

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       Betender Lama; Kumbum (Foto:Wilhelm Filchner)

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       Ein Kebsweib; Tankar (Foto: Wilhelm Filchner)

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       Tibeter aus Amdo (Foto: Wilhelm Filchner)

      Welch große Freude! Man beschenkte mich mit einer Menge Konserven und mit Kuchen, die Mrs. Hayward extra für mich, den Leidenden, gebacken und aufgetischt hatte. Dann erhielt ich noch Brot, Eier, etwas Schokolade, lauter Sachen, die ich seit Monaten nicht mehr gesehen hatte. Ich habe darüber hohe Freude empfunden und war außerdem von derartigem Heißhunger gequält, dass ich in der darauffolgenden Nacht alles aufaß.

      Am nächsten Tag zogen alle gemeinsam nach meiner Höhle, um sie zu besichtigen. Man riet mir dringend, den nächsten Arzt zuzuziehen, den Missionschirurgen Dr. King des Krankenhauses der China-Inland-Mission in Lantschou. Schließlich luden mich Mr. und Mrs. Hayward zu sich nach Sining-fu ein, damit ich mich dort etwas erholen sollte. Sie umsorgten mich von jetzt ab mit rührender Teilnahme, und ihr Zuspruch hat mich aufgerüttelt und mir neuen Mut und neue Zuversicht gegeben.

      Dankbar ergriff ich die dargebotene Hand und siedelte schon nach einigen Tagen zu den edlen Menschenfreunden Mr. und Mrs. Hayward nach Sining-fu über. Dort erhielt ich neue Unterwäsche, ein Bad wurde sogar für mich bereitet, ein warmer Raum stand zu meiner Verfügung, und täglich bekam ich herrliches Essen. Mr. und Mrs. Hayward stammen aus Seattle, Washington, USA. Gestärkt kehrte ich nach Lussar zurück, um dort meine Serienmessungen abzuschließen.

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