Eine Mutter. Gerstäcker Friedrich

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Eine Mutter - Gerstäcker Friedrich


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Gesellschaft zu passen, mit goldenen Ketten und Ringen und allem möglichen Firlefanz; wird ihm aber wohl am Besten fehlen, am alten Adel. Ja, mein Schatz, da mußt Du Dir freilich die Graupen nach der jungen Gräfin Monford vergehen lassen, oder...«

      Er brach kurz ab, drehte sich um, kauerte sich wieder am Wasser nieder und starrte wie in alte Erinnerungen versunken auf die blitzende Fläche, aber ein höhnisches, ordentlich unheimliches Lächeln zuckte um seine Lippen.

      »Puh,« sagte er endlich und blies den Qualm seiner Pfeife in einer dichten Wolke von sich, »es giebt nichts Neues mehr auf der Welt, Alles schon da gewesen, Alles; wird ordentlich langweilig, hier oben noch länger herum zu trampen. Komm, Spitz, wir wollen machen, daß wir nach Hause kommen, was geht's uns Beide an?«

      Damit schob er seine Angelruthe wieder sorgfältig zusammen und schraubte die Zwinge fest. Der Spitz hatte sich aufgerichtet und benutzte die ihm gegönnte freie Zeit, um sich erst hier unten am Wasser noch ein paar übrige Flöhe abzukratzen. Sein Herr sah indessen noch einmal über die Uferbank, ohne jedoch das Teleskop mehr zu Hülfe zu nehmen.

      Die jungen Leute hatten sich richtig gefunden; die Dame lehnte im Arm des Fremden, das Haupt an seiner Brust, und während er sie mit dem rechten Arm unterstützte, führte er sie auf einem der kleinen Pfade hin, die sich durch die verschiedenen Baumgruppen schlängelten. Dort drinnen ließ sich von hier aus nicht einmal mehr das lichte Kleid der Dame erkennen, und der Maulwurfsfänger faßte ohne Weiteres seinen daran schon gewöhnten Hund auf, hob ihn in die Höhe, warf ihn auf die Uferbank und kletterte ihm dann selber nach, um in die Stadt, wo er seine Wohnung hatte, zurückzukehren.

      Er hielt aber dabei eben so wenig den Pfad, wie der junge Herr vorher, sondern schlenderte, von dem Hunde gefolgt, der Schwanz und Ohren hängen ließ, als ob er nicht Drei zählen könnte, quer über die Wiese, und zwar gerade dem Bosquet zu, in welchem die beiden Liebenden verschwunden waren. Er that das aber nicht etwa aus Neugierde, sondern sein nächster Weg lag gerade dort hindurch, und er hielt sich auch nicht einmal mehr im Gehen auf. Nur den Blick warf er, auch mehr aus alter Gewohnheit, suchend umher; aber von dem Pärchen war nichts mehr zu erkennen, und bald darauf betrat er wieder die Wiese, die ihn unten am Schloßberg hin zu dem Hauptfahrweg führte.

      Kurz vorher, ehe er diesen erreichte, bemerkte er die gräfliche Equipage, welche aus der Stadt heraufgefahren kam. Er blieb oben auf dem etwas höheren Rasenrand stehen und zog, während wieder das alte spöttische Lächeln um seine Lippen zuckte, mit fast übertriebener Ehrfurcht die Mütze vor den Herrschaften.

      Der Graf, ohne mehr als einen flüchtigen Blick nach ihm hinüber zu werfen, dankte durch ein leises Kopfnicken; die Gräfin beachtete ihn gar nicht.

      »Ganz unterthänigster und gehorsamster Diener, meine verehrten gräflichen Herrschaften,« spottete indeß der Maulwurfsfänger hinter ihnen her und hielt noch immer die abgezogene Mütze in der Hand; »wünsche eine recht angenehme Fahrt und besonders viel Glück zu dem neuen geheimnißvollen Schwiegersohn des edlen, unbefleckten gräflichen Stammbaumes! Hahahahaha,« lachte er dann toll und lustig auf, indem er die Mütze wieder auf den Kopf stülpte, »ob es denn nicht rein zum Todtschießen ist, wenn man die hochnasige Grethe da im Wagen sitzen sieht und dann zurückdenkt, wie – hei, lustig, Maulwurfsfänger, Kammerjäger! heute wollen wir da unten auch eine gräfliche Mahlzeit halten, zur Erinnerung an die alten Zeiten, und auf die Gesundheit des fidelen Brautpaares eine Flasche guten Weins leeren; habe so lange keinen gekostet – hurrah!«

      Damit faßte er seinen durch die Fische beschwerten Ranzen mit der linken Hand, sprang auf den Fahrweg und verfolgte von jetzt an rasch seinen Weg nach Haßburg hinab. –

      »Und so lange habe ich Deine süßen, lieben Augen nicht küssen dürfen, meine Paula,« klagte indessen der junge Mann, den der Maulwurfsfänger in den Park hatte schleichen sehen, indem er das junge, schüchterne Mädchen an sich zog und wieder und wieder ihre Stirn und Augen küßte.

      »Ach, Rudolph,« seufzte Paula, die immer noch scheu den Blick umherwarf, ob sie nicht von irgend einem Lauscher bemerkt werden könnten, »nur auf Minuten war ich im Stande, mich wegzustehlen, denn Du glaubst nicht, wie mich diese alte, häßliche Gouvernante, die sie jetzt meine Gesellschafterin nennen, quält und peinigt. Eine schöne Gesellschafterin, nicht einmal Raum, an Dich zu denken, läßt sie mir den langen Tag mit ihren ewigen Gesprächen und Büchern, mit ihrer Musik und ihren alten, langweiligen Classikern.«

      »Mein armes, armes Kind!« rief Rudolph feurig aus; »aber die Zeit wird ja auch kommen, wo wir uns vor der Welt angehören dürfen, Deine Eltern...«

      »Ach, Rudolph,« seufzte das arme Mädchen unter Thränen, »hoffe nicht auf die; nur eine Andeutung machte ich neulich, daß ich glaubte, ich könne auch mit einem Manne glücklich werden, der von geringerem Stande sei, als ich, und meine Mutter gerieth außer sich – ich fürchte Alles!«

      »Und ich fürchte nichts,« rief der junge Mann, eigentlich mit etwas zu viel Pathos, »nichts, als die Grenzen Deiner Liebe; laß auch Hindernisse wie Gebirge zwischen uns treten, ich will sie für Treppen nehmen und darüber hin in Louisens Arme fliegen!«

      »In Louisens?« sagte das junge Mädchen erschreckt.

      »In Deine, mein Herz,« lächelte ihr Geliebter; »kennst Du die wunderbar schöne Stelle aus Kabale und Liebe denn nicht?«

      »Ach, Rudolph, mir ist das Herz so schwer; was kann ich gegen den Willen der Eltern thun?«

      »Ha, laß doch sehen,« declamirte Rudolph weiter, »ob ihr Adelsbrief älter ist, als der Riß zum unendlichen Weltall; wer kann den Bund zweier Herzen lösen oder die Töne eines Accords auseinander reißen!«

      »Aber Du weißt nicht, Rudolph, wie entsetzlich streng die Eltern sein können, wo es, wie sie glauben, die Ehre ihres Hauses gilt; mein Wort verhallt da ohne Klang.«

      »So flieh mit mir, Geliebte,« drängte Jener; »was nützt uns Glanz und Pracht, wenn unsere Herzen verbluten? Meine Kunst ernährt uns, wohin wir den Fuß wenden. Dem Namen Handor jauchzt die ganze Künstlerwelt entgegen, und frei und glücklich leben wir den Musen, der Liebe...«

      »Ach, Rudolph, ich soll die Mutter, soll den Vater verlassen?«

      »Du sollst Vater und Mutter verlassen und dem Manne folgen, gebietet Dir selber die heilige Schrift.«

      »Mein armer Vater!«

      »Er wird seine Härte bereuen, wenn er sieht, welche ruhmvolle Laufbahn Du gewählt, und erweicht, gerührt Dich an sein Herz zurückrufen.«

      »Er wird mir fluchen!«

      »Gut, so bleib,« sagte Rudolph resignirt, indem er den Arm wie abwehrend gegen sie ausstreckte, »bleib Deine Lebenszeit ein Sclave jener alternden Vorurtheile und Formen; folge der Hand, die Dich erbarmungslos zur Schlachtbank führt – Dein Rudolph kann entsagen –

      »Wie konnte solch ein Glück auch mir beschieden,

      Vom Himmel mir gegönnt sein – mir, dem ja

      Das Schicksal von der Wiege jede Freude

      Verbittert und vergiftet! Dem der Becher,

      Zum Trunk gehoben schon, von durst'ger Lippe

      So oft und oft gerissen wurde! Geh –

      Geh – geh, Zuleima – glücklich wirst Du sein,

      Und ich? – Für mich kein Glück – für mich ein Grab!«

      Und wie verzweifelnd barg er das Antlitz in den Händen.

      »Rudolph, Rudolph, oh, nicht so, Du weißt ja, daß Du mir das Herz mit solchen Reden brichst; thu es nicht, thu es nicht!«

      »Aber welcher Ausgang bleibt mir, als der Tod? Du weißt, daß ich nicht ohne Dich leben kann, weißt, daß ich verderben und untergehen müßte, wenn nicht Dein reines Herz mich an dieses Leben fesselt! Aber was kümmert das Dich,« setzte er bitter hinzu, »Du folgst Deinem Vater, Deiner Mutter; der arme Rudolph mag zu Grunde gehen, er ist ja doch nur ein Schauspieler.«


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