Mami Staffel 5 – Familienroman. Eva-Marie Horn

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Mami Staffel 5 – Familienroman - Eva-Marie Horn


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Haben Sie sich den Knöchel verletzt?«

      Er konnte offensichtlich auf dem rechten Fuß nicht stehen.

      »Scheint so. Wenn wir keinen Unfallwagen rufen wollen, müssen Sie mich wohl fahren. Aber mein Rad müßte angeschlossen werden.«

      »Kommen Sie, setzen Sie sich ins Auto. Ich mache das mit dem Rad.«

      Er sah sie etwas skeptisch an, ließ sich dann aber zum Auto helfen, indem er ihr schwer den Arm um die Schultern legte. Julia keuchte leicht, als er endlich saß.

      Sie lehnte sein Fahrrad gegen einen Baum, schloß es mit der dicken Kette an, die auf dem Sattel lag und ging zum Wagen zu-rück.

      »Möchten Sie ins Krankenhaus oder soll ich sie zu meinem Hausarzt in der Nähe bringen?«

      »Der Hausarzt genügt vermutlich. Gebrochen ist er bestimmt nicht, nur verstaucht.«

      »Gut. Es ist nicht weit.«

      »Wie heißen Sie?«

      »Ich bin Julia Thomsen.«

      »Aha. Ich heiße Sven Lundgren.«

      »Angenehm.«

      »Wirklich? Sollte mich wundern. Sie hatten sicher etwas anderes vor, als arme Studenten umzufahren und zum Arzt zu karren.«

      Julia mußte lachen. Wie gut, daß der »arme Student« Humor hatte. Er erinnerte sie ein bißchen an ihren Bruder Felix, das schwarze Schaf der Familie. Sie hatte schon lange nichts mehr von ihm gehört, fiel ihr jetzt ein. Wo er sich wohl gerade wieder herumtrieb?

      »Ja, ich wollte eigentlich zur Arbeit fahren. Aber das macht nichts, ich kann ruhig etwas später kommen.«

      »Was sind Sie denn? Managerin oder so etwas?«

      »Ich? Wie kommen Sie denn darauf? Ich bin Chefsekretä-rin…«

      Das war die Antwort, die Julia immer gab. Es war ihr schon zur Gewohnheit geworden. Seit sie ein paarmal Männer kennengelernt hatte, die bei dem, was ihr Vater darstellte, sofort von Liebe gesprochen hatten, stellte sie auch ihr eigenes Licht unter den Scheffel. Tatsächlich arbeitete sie im Management der Firma. Allerdings hatte sie es von der Pike auf lernen müssen.

      »Und Ihr Chef muß jetzt seine Briefe allein öffnen, wenn Sie später kommen?«

      »Sieht so aus.«

      Er grinste und schaute aus dem Fenster. Julia musterte ihn kurz von der Seite. Seine Haare waren ein bißchen zu lang, die Kleidung jedoch normal und sauber. Alles in allem kein aufregender Mann, aber durchaus sympathisch und nicht auf den Mund gefallen.

      »Musterung beendet?« fragte er grinsend und schaute sie wieder an.

      Er hatte ihre Blicke im Seitenfenster gespiegelt gesehen.

      Julia wurde rot, mußte dann aber wieder lachen.

      »Ja, beendet. Wir sind jetzt auch gleich da.«

      Sie hielt vor dem roten Klinkerbungalow. Der Arzt war ein Freund der Familie. Sie würden nicht lange warten müssen.

      Dr. Moll ließ Julia sofort vor. Sie half Sven Lundgren ins Sprechzimmer und erklärte kurz, was passiert war.

      »Ich hoffe, Sie können ihm helfen. Ich warte draußen…«

      »Geht es dir gut, Julia? Brauchst du etwas zur Beruhigung?« wollte der alte Arzt wissen.

      »Nein, nein, es geht schon. Ich rufe nur eben meinen Chef an, daß ich später komme.«

      Dr. Moll lächelte. Er hatte schon verstanden, daß der Student nicht wissen sollte, wen er vor sich hatte. Seine Lebenserfahrung sagte ihm, daß die Vorsicht der jungen Frau durchaus angebracht war.

      »Gut, Julia. Mach dir keine Sorgen, der Kopf ist ja noch dran.«

      Es stellte sich dann heraus, daß der Student viel Glück gehabt hatte. Es war nur eine Verstauchung. Mit einem dicken Verband um den Knöchel kam er wieder herausgehumpelt.

      »Ich zahle Ihnen natürlich alles, was Sie an Kosten durch die Verletzung haben«, versicherte Julia ihm, als sie wieder im Auto saßen.

      »So doll ist das nicht. Laden Sie mich mal zum Essen ein, dann ist das schon okay.«

      »Überlegen Sie sich das in Ruhe, ich möchte nicht, daß Sie es hinterher bedauern.«

      »Wenn ich mit Ihnen essen gehe? Wie könnte ich das bedauern? Sie gefallen mir.«

      Julia wurde wieder verlegen. Sven Lundgren hatte eine Art, die sie verwirrte. Es war schon lange her, daß Bernd ihr gegenüber so offen seine Bewunderung geäu-ßert hatte.

      »Na schön. Dann gehen wir also essen. Geben Sie mir Ihre Telefonnummer, ich rufe Sie an.«

      »Wäre es nicht praktischer, wenn wir es umgekehrt machen?«

      »Nein… das möchte ich nicht.«

      »Oh, gibt es da einen Ehemann?«

      »Nein, aber einen festen Partner. Doch deswegen sage ich es nicht… es ist nur, weil…«

      »Ja?«

      Julia wußte keinen Grund. Es war ihr einfach lieber, wenn Bernd gar nichts davon erfuhr. Letztendlich gab sie Sven Lundgren doch ihre Privatnummer. Es war besser, als wenn er sie in der Firma anrufen würde.

      Sie setzte ihn bei seinem Fahrrad ab, weil er der Meinung war, daß er auch mit dem verstauchten Knöchel fahren konnte. Julia schaute ihm hinterher, wie er davonradelte und ihr noch einmal zuwinkte. Dann fuhr sie in die Firma.

      Bernd stand bei ihrer Sekretärin und lachte gerade über etwas, was Frau Bertels gesagt hatte. Als sie hereinkam, sah er sie vorwurfsvoll an.

      »Sag mal, wo bleibst du nur so lange? Ich wollte mich noch verabschieden, weil ich heute den ganzen Tag in Potsdam zu tun habe. Hat sich gerade ergeben.«

      »Ich hatte einen kleinen Unfall. Nichts Schlimmes, aber ich mußte den Radfahrer noch zu Dr. Moll bringen.«

      »Hast du Schuld gehabt?«

      »Ich fürchte ja, aber er hat sich sehr kulant gezeigt.«

      »Jetzt vielleicht. Wenn er erst erfährt, wer du bist, wird sich das bestimmt ändern. Hast du die Polizei gerufen?«

      »Nein, das war nicht nötig. Bernd, ich weiß schon, was ich tue, glaub mir.«

      Es war ihr peinlich, das vor Frau Bertels zu diskutieren. Bernd kniff auch gleich die Lippen zusammen, weil er sich gemaßregelt fühlte. Er reagierte da immer sehr empfindlich, wenn sie das »Cheftöchterchen« herauskehrte, wie er das nannte.

      »Gut. Dann fahre ich jetzt. Bis heute abend irgendwann.«

      »Ja, Bernd, bis dann.«

      Komisch, heute machte es ihr gar nichts aus, daß er ein bißchen sauer war, als er abfuhr.

      »Ich habe jetzt ein Privatgespräch zu führen, Frau Bertels. Bitte stellen Sie keine anderen Anrufe durch. Ich sage Ihnen dann Bescheid, wenn ich wieder frei bin.«

      »Ist recht, Frau Thomsen.«

      Julia ging in ihr Büro und freute sich wieder einmal an der Schönheit des Raumes. Es war sparsam und sehr hell möbliert und hatte zwei große Fenster, die viel Licht hereinließen. Sie setzte sich an den Schreibtisch mit der Glasplatte und wählte die Nummer ihres Bruders Felix.

      Zur Zeit lebte er in Schleswig-Holstein auf dem Land. Er schrieb und malte, wobei er mehr Geld mit dem Schreiben verdiente. Als freier Journalist war es allerdings nicht einfach, doch Felix war von klein auf eigensinnig gewesen, und schließlich hatten sie ihn nach einem großen Familienkrach gehen lassen müssen.

      »Felix? Hier ist Julia.«

      »Julia, das ist ja eine Überraschung! Hast du mal wieder Sehnsucht nach deinem großen Bruder gehabt? Ist etwas schiefgegangen?«

      »Warum glaubst du,


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